Alles in bester Ordnung – ein Bericht aus Oberbilk

Der Umbau Oberbilks zum „Maghreb-Viertel“ geht weiter. Aber nicht alle wollen dabei mittun.

Es hat sich viel verändert seit den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln. Auch bei uns in Düsseldorf. Da wurde nämlich quasi mit der Großrazzia rund um die Eller- und Linienstraße das „Maghreb-Viertel“ in Oberbilk entdeckt. Ein Viertel, das seitdem als düster, gefährlich und kriminell gilt. Wohl auch schon immer war, wenn man den Worten unseres Polizeipräsidenten Norbert Wesseler Glauben schenkt, der nicht müde wird, die Razzia im Januar zu rechtfertigen. Schließlich habe man relevante Informationen über die möglichen 2.244 Tatverdächtigen sammeln können.

Einschub: Wikipedia definiert „Tatverdacht“ wie folgt: „Tatverdacht ist ein juristischer Fachausdruck aus dem Bereich des Strafverfahrensrechtes und bezeichnet den Umstand, dass Organe der Strafverfolgungsbehörden aufgrund bestimmter Anhaltspunkte (Indizien, Beweise) und Schlussfolgerungen annehmen, dass eine Straftat begangen wurde. Der Tatverdacht kann sich gegen Unbekannt oder gegen eine bestimmte Person richten. Je nach Beweislage ist der Verdacht unterschiedlich stark ausgeprägt und macht die betroffene Person entweder zum Tatverdächtigen oder zum Beschuldigten.“

Passiert ist im Anschluss kaum etwas. Sieben Strafanzeigen wegen Drogenbesitzes und eine Anzeige wegen Diebstahls, Betrugs und eines mutmaßlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Kontrolliert wurden über 300 Personen, vorwiegend aus Marokko. Dabei leben laut Statistik der Stadt Düsseldorf nur 686 Menschen mit marokkanischen Wurzeln in Oberbilk.

Es darf spekuliert werden, ob eine Großrazzia bei biodeutschen Stammtischen mehr „Erfolge“ aufweisen könnte.

Im Zusammenhang mit der Kölner Silvesternacht stand der Einsatz aber natürlich nicht. Nur der Ruf des Viertels ist jetzt hin, der Stempel aufgedrückt – und es funktioniert. Der Ruf nach mehr Sicherheit und Ordnungshüter*innen-Präsenz wurde laut, so dass ein Treffen des „Kriminalpräventiven Rats“ für Oberbilk einberufen wurde. Dort forderten Polizei und Ordnungsamt in üblicher Manier Lösungen für das ach so düstere, gefährliche und kriminelle Oberbilk. Unsere FDP war ihrer Zeit mal wieder einen Schritt voraus und forderte gleich mehr Straßenlaternen – damit es nicht mehr so düster ist. Dass es gefährlich sei, da war man sich einig – aber es seien gar keine Bewohner*innen des Viertels, die dort ihr Unwesen trieben, sondern andere. Diese Kriminellen würden nämlich gar nicht im Viertel wohnen. Wie sich das mit den Erkenntnissen aus dem Analyseprojekt „Casablanca“ der Polizei deckt, wurde nicht erklärt – da sind die Ermittlungen nämlich noch nicht abgeschlossen und deshalb auch nicht öffentlich. Einig war man sich auch, dass die Polizei lediglich auf die Beschwerden der Anwohner*innen reagiert habe, die diese unhaltbaren Zustände immer wieder beklagt hätten. Diese Anwohner*innen wurden in den vergangenen Wochen auch vor so ziemlich jedes Mikrofon und jede Kamera gezerrt, die im Viertel unterwegs waren. Zynisch und menschenverachtend freuten die Medien sich über jede neu durchgeführte Personenkontrolle. Eine sachliche Schilderung war kaum zu finden. Doch das „Bürger*innenforum“ der Grünen der zuständigen Bezirksvertretung 3 zeichnete glücklicherweise ein anderes Bild: rund 40 Anwohner*innen diskutierten sachlich über ihr Viertel, über notwendige Veränderungen und mögliche Verbesserungen. Sie sprachen auch über Ängste – und waren sich einig, dass die von Polizei und Ordnungsamt geforderte verstärkte Präsenz der falsche Weg ist. Das ist schön zu wissen. Bleibt abzuwarten, ob nun tatsächlich wieder Ruhe einkehrt. Und zum Schluss: Nur die Razzia hat es bislang geschafft, das dominierende Thema „Gentrifizierung“ in Oberbilk zu verdrängen :)

INTERVENTIONISTISCHE LINKE DÜSSELDORF [SEE RED!]