Wenn Anna und Arthur hinterm Transpi den EA anrufen

Das kleine „Lexikon der Bewegungssprache“, das vor wenigen Wochen im Unrast-Verlag erschienen ist, schlüsselt uns endlich Begriffe auf, die wir immer schon mal (hint-)erfragt haben wollten – es aber nicht konnten, weil alle alten Häsinnen und Hasen stets so wissend von „Mumble“, „Asamblea“ oder gar der großen, unbekannten „Defma“, sprechen. Dank des Lexikons ist die Zeit des schamfreien Nachlesens endlich gekommen.

In hocharbeitsteiligen und kulturell ausdifferenzierten Gesellschaften hat jede (Sub-)Kultur ihre eigene „Fachsprache“. Dabei ist es egal, ob es um Anthroposophie, Sport oder die außerparlamentarische Linke geht. Der spezielle Wortschatz erschwert in allen Fällen Neueinsteiger*innen und Außenstehenden das Verständnis. Sie stoßen auf Begriffe und Abkürzungen, die erklärungsbedürftig sind, dechiffriert und gelernt sein wollen.

Mit dem in der Tageszeitung „neues deutschland“ seit Juli 2013 erscheinenden APO-Lexikon1 sollte wohl auch unter der überalterten Leserschaft des ND Verständnis für Protest und soziale Bewegungen, ihre Inhalte, Aktionsformen und Ziele geschaffen werden. Nachhilfe für DDR-sozialisierte Traditionskader sozusagen. Die 150 nun in Buchform vorliegenden Einträge erklären von Freiraum über Definitionsmacht und EA, Transpi, schottern und Wackersdorf undogmatisch-linke Debatten, Begriffe und Abkürzungen.

Die Einträge sind eher am linken Alltag als an den zuweilen anstrengenden Verästelungen linksradikaler Programmdebatten ausgerichtet – obwohl auch die gestreift werden. Die von 21 Autor*innen verfassten Beiträge sind mit auf Sympathie gegründeter Selbstironie und durchaus mit Humor geschrieben. Dass es keine Übersicht aller Einträge gibt, ist dann ein verschmerzbares Manko.

So liegt ein Lesebuch für alle vor, die die Sprache und den Habitus der radikalen Linken besser verstehen und endlich mitreden wollen, wenn jemand ausruft: „Verdammt, die Delis der Postautonomen haben auf dem letzten Plenum, obwohl viele gewedelt haben, mit ihrem Veto den Einsatz von Mumble sabotiert!“

BERND HÜTTNER

https://neues-deutschland.de/rubrik/apolexikon
Ines Wallrodt/Niels Seibert (Hrsg.): Murmeln, Mumbeln, Flüstertüte. Lexikon der Bewegungssprache. Münster (unrast-Verlag) 2016, 124 Seiten, 9,80 EUR.


¡No pasarán!

Im Juli 1936 begann der Spanische Bürgerkrieg. Drei Jahre währte der Krieg gegen die Putschisten des Franco-Faschismus. In Zeiten, in denen der Internationalismus auch in Fragen der Befreiungskämpfe wieder eine große Rolle spielt, ist es nicht verkehrt, sich die Geschichte des Spanischen Bürgerkrieges neu oder wieder einmal anzuschauen. Eine open source-Broschüre zum 80. Jahrestag des Beginns des Krieges in Spanien macht den Einstieg leicht.

Der Bürgerkrieg spaltete das Land in Sieger*innen und Besiegte und hatte die Jahrzehnte andauernde Franco-Diktatur zur Folge. In Spanien wirkt der Konflikt bis heute ähnlich nach wie die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Wem ist heute bekannt, dass die Franquist*innen bis zu 200.000 ihrer Gegner*innen ermordeten? Hinzu kommt, dass in Spanien selbst den Opfern der Diktatur bis heute nur wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden ist. Seit der Jahrtausendwende bringt aber eine linke Erinnerungsbewegung das Thema wieder in die öffentliche Diskussion.

Die Publikation richtet sich vor allem an Einsteiger*innen. Sie beginnt mit einem chronologischen Überblick über die wichtigsten Ereignisse des Bürgerkrieges:
Im republikanischen Spanien vollzieht sich ab dem Juli 1936 eine weitreichende libertäre Revolution. Weil sie starke Gegner und kaum Bündnispartner hatte und die Revolutionär*innen am Ende eine bittere Niederlage erleiden, geriet diese Revolution fast vollständig in Vergessenheit. Zu Unrecht, denn mit ihrem antiautoritären Geist und aufgrund ihres Ausmaßes gehört sie, so der Historiker Alexandre Froidevaux als Herausgeber, zweifelsohne in eine Reihe mit den großen Revolutionen der Weltgeschichte: Linke, die nach Alternativen jenseits autoritärer Politikentwürfe orthodox-kommunistischer Prägung und sozialdemokratischer Bejahung des Kapitalismus suchen, sollten sich mit den Stärken und Schwächen dieser Revolution beschäftigen.

Drei Autoren haben die Kapitel der Broschüre geschrieben. Froidevaux gibt zuerst einen chronologischen Überblick und schließt am Ende auch das Bändchen mit dem Blick auf die aktuellen Wiederaneignungen der Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg und seine geschichtspolitischen Nachwehen als „Vergangenheit, die nicht vergeht“. Dieter Nelles schreibt über die deutschen Linken, die damals nach Spanien zogen, weil sie für eine gerechte Sache kämpfen wollten. Werner Abel berichtet über den Umgang mit der Geschichte der Deutschen, die auf Seiten beider Bürgerkriegslager kämpften. Wie unterschiedlich sich die Wahrnehmung und Erinnerung in den zwei Deutschlands, BRD und DDR, gestaltete, ergänzt hier den westdeutschen Blick auf die Zeit der Internationalen Brigaden.

BERND HÜTTNER

Alexandre Froidevaux (Hrsg.): 80 Jahre danach. Der Spanische Bürgerkrieg (1936–1939), 36 Seiten. Kostenfrei, auch zu mehreren Exemplaren, bestellbar unter Tel. 030/44310-463 oder als PDF unter https://www.rosalux.de/publikation/id/8719/