Im kalten Januar 2019 wird das Thema „Wohnen“ in Düsseldorf turbulent verhandelt. Eine Initiative der Kiefernstraße trommelt Unterstützung gegen ein Bauprojekt an der Erkrather Straße/Kiefernstraße zusammen und mit der Plattform „Agentur für urbane Unordnung“ gibt es eine neue Stimme für eine Stadt für alle. Die TERZ stellt ihre Anliegen vor.

Was wollt ihr denn hier?

Zwei Hotels und ein Haus mit hochpreisigen Mikroappartments planen die Entwickler*innen der Cube Real Estate GmbH, die das Areal zwischen Ruhrtalstraße und Kiefernstraße in Flingern gekauft hat. Doch kann eine solche Bebauung den Stadtteil nachhaltig bereichern?

Die Anwohner*innen sehen das kritisch. Sie mobilisieren gegen den geplanten Bau von weiteren Hotels und noch mehr Wohnraum für gut situierte Singles oder Paare. Sie fordern stattdessen bezahlbaren Wohnraum, barrierefreie Wohnungen für Ältere und Menschen mit Handicap, Großwohnungen für Familien, Grünflächen mit Spielmöglichkeiten und eine Planung, die den historischen Kontext mitsamt seiner Architektur berücksichtigt. Sie fordern eine Orientierung am Gemeinwohl.

Ende 2018 war bekannt geworden, dass das Gelände verkauft worden war, auf dem sich damals noch der KFZ-Betrieb Drösser befand und sich ein Teil des Parkplatzes des B8-Centers heute noch befindet.

Im November letzten Jahres konnte der Investor durch Recherchen der Anwohner*innen ausfindig gemacht werden. Per Email wurde Kontakt zu den Projektentwickler*innen der CRE hergestellt. Zu Beginn noch sehr zurückhaltend, konnte das Interesse an einem Austausch mit den Anwohner*innen durch die von Presseartikeln erzeugte öffentliche Aufmerksamkeit bei den Entwickler*innen gesteigert werden. Noch diese Woche wird bei einem Treffen zwischen Anwohner*innen und CRE-Entwickler*innen über die Planung verhandelt.

Die CRE hat vor, bis 2021 rund 300 Hotelzimmer und 150 Appartments fertigzustellen und hierfür ca 54 Millionen Euro zu investieren. In einem Interview mit dem Blog „theycallitkleinparis“zeigte sie sich jedoch offen für die Vorstellungen der Anwohner*innen und das Finden eines Kompromisses.

Der Bewohnerschaft geht es darum, Raum und Möglichkeiten für alle Bürger*innen zu schaffen, nicht nur für eine privilegierte Minderheit. Es geht um Vielfalt, um das, was städtische Räume ausmacht: Nachbarschaft und Gelegenheiten für Begegnungen, gegenseitige Hilfe. Es geht um Mobilität und um Zugang zu Gesundheitsversorgung. Es geht um Raum für Kunst und Kulturangebote, darum, dass nicht die gesamte Kraft dafür drauf geht, die Miete zu erwirtschaften, sondern Zeit und Energie übrig bleiben, um Leben, Beziehungen, Arbeit, Freizeit und das eigene Viertel aktiv gestalten zu können. Es geht um Partizipation, um Beteiligung am alltäglichen, politischen und kulturellen Geschehen in der Stadt, welche das Gefühl von Miteinander, Verantwortung, Selbstbestimmung und hoher Lebensqualität erzeugt. Davon lebt Demokratie.

In und um Flingern ist in den letzten Jahren viel gebaut worden, unter anderem das Amts- und Landgericht an der Werdener Straße, hippe Arbeits- Fitness- und Gastronomieräume in den Schwanenhöfen und das FlinCarré an der Erkrather Straße. Auch aktuell werden weiter alle vorhandenen Grün- und Brachflächen in der Gegend zubetoniert – zum Beispiel an der Moskauer Straße und der Mindener Straße. Vor allem Hotels sind reichlich vorhanden und werden weiter fleißig gebaut. Absurdestes Beispiel ist das Exemplar an der Ecke Höherweg/Kettwiger Straße, wo man sein Auto mit ins Bett nehmen kann. Und weitere 29 Hotels mit einer Kapazität von etwa 11.000 Betten sind in der Stadt geplant.

Was Düsseldorf ausmacht, was es einzigartig macht, sind nicht die sterilen Einkaufszentren, die Caféketten und Hotels, sondern das, was über die Zeit organisch gewachsen ist, das, was diese Stadt von anderen unterscheidet, und dazu gehören auch ganz klar Geschichte und Gegenwart der Kiefernstraße.

Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Häuser der Kiefernstraße als Werkswohnungen für die Stahlarbeiter gebaut und nach Werksstilllegung entmietet worden. Eine große Anzahl der mittlerweile städtischen Wohnungen wurden Anfang der 80er Jahre aus Protest gegen die Wohnungsnot besetzt, was die Kiefernstraße weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt machte. 1988 wurden spezielle Mietverträge mit den Besetzer*innen geschlossen, die bis heute besondere Freiheiten und Mitbestimmungsrechte einräumen. Die Fassaden der Häuser auf der Straßenseite mit den ungeraden Nummern sind von zahlreichen lokalen und internationalen Künstler*innen gestaltet worden und bilden das längste Wandbild Europas. Das AK 47 hält die Stellung in Düsseldorf als letzter Punkclub. Der Bauwagenplatz ermöglicht experimentelles Wohnen und das Kulturbureau K4 bietet Ausstellungen sowie gemeinschaftliches Essen. Der Kinderclub - als Elterninitiative gegründet, heute städtisch - ist in seiner engagierten Sozial-, Kultur-, und Kommunikationsarbeit unersetzbar für die Kinder und Jugendlichen des Stadtteils, aber auch für die erwachsenen Anwohner*innen.

Die Kiefernstraße stellt ein einzigartiges und zukunftsweisendes Beispiel für ein gelingendes soziales Miteinander unterschiedlichster Lebensentwürfe und kultureller Hintergründe dar – die Verschiedenheit wird als Ressource für Erfahrung und gegenseitige Inspiration genutzt. Zahlreiche Künstler*innen und Kulturschaffende leben auf der Kiefernstraße und im Stadtteil, doch auch andernorts fühlen sich viele der Straße und dem Viertel verbunden. Wegen des Freiraums, wegen der Buntheit, wegen des Gemeinschaftsgefühls, der Freiheit und auch der Einfachheit.

Seit dem vergangenen Dezember finden regelmäßige Treffen im K4 statt, bei dem mit allen Interessierten über die Vorhaben der CRE, Protest­aktionen und eine sinnvolle Stadtentwicklung gesprochen wird. Es gibt Werkstätten, wie die zur Entwicklung eigener Visionen und Alternativen zur Bebauung, es werden Infostände in der Nachbarschaft aufgebaut, um mit den Bürger*innen der Stadt ins Gespräch zu kommen.

Es werden Unterschriften gesammelt, auf Papier vor Ort und mittels einer online-Petition, die nach kurzer Zeit bereits über 3.500 Unterstützende zählen. Ein Brief an Oberbürgermeister Geisel wurde verfasst, es findet eine fortschreitende Vernetzung mit Initiativen und politischen Gremien statt. Man erinnert die Politik an den städtebaulichen Vertrag von 2002, der damals am fraglichen Ort sozialen Wohnraum vorsah und mit der Insolvenz des damaligen Investors Makulatur wurde.

Diese Entwicklung, getragen von den Profit­interessen einer kleinen Gruppe, richtet sich gegen die Bedürfnisse der Mehrheit und ist zurzeit an vielen Orten zu beobachten – in Düsseldorf, im Rest des Landes, in vielen Staaten der Welt. Aber auch die, die sich für eine nachhaltige und lebenswerte Entwicklung ihres Lebensraums einsetzen, werden mehr. In allen größeren Städten organisieren sich „Recht auf Stadt“-Aktivist*innen, erobern sich Menschen als Critical Mass die Straßen als Radfahrer*innen zurück oder besetzen Bäume, um einen uralten Wald vor der Rodung zu retten, um nur einige Beispiele zu nennen.

Katharina Zwar

Unterstützt den Widerstand!
unterschreibt die Petition!
Infos und Links auf https://kiefern.org


„NEIN zu teuren Hotels & Mikroappartments,
JA zu bezahlbarem Wohnraum in Düsseldorf!“

Die Kiefernstraße macht mobil. Aus dem Aufruf der Onlinepetition:

„Auf dem Parkplatz zwischen der Kiefernstraße und der Ruhrtalstraße, Ecke Erkrather Straße, sollen bis zum Jahr 2021 zwei Hotels und 150 hochpreisige ,Mikro-Appartments‘ für Einzelpersonen entstehen (Miniwohnungen á 25 m² ab ca. 500,- Euro) – ein Projekt, das der Cube Real Estate GmbH 54 Millionen Euro wert ist. Mit den Planungen ist das Architekturbüro HPP aus Düsseldorf beauftragt. Die Stadt entscheidet sich erneut für Luxusobjekte und gegen dringend benötigte, bezahlbare Wohnungen.

Dabei sollte genau an dieser Stelle bezahlbarer Wohnraum entstehen: Im Jahr 2002 einigte man sich in einem städtebaulichen Vertrag zwischen dem damaligen Grundstückseigentümer und der Stadt Düsseldorf darauf, auf diesem Areal (Parkplatz Kiefernstraße / Erkrather Straße) ,sozialen Wohnungsbau‘ zu errichten. Doch dazu kam es nie.“

Mit der Online-Petition machen die Bewohner*innen der Kiefernstraße auf die unzureichende Wohnungsbaupolitik der Stadt Düsseldorf aufmerksam. Mit Stand 25. Januar haben die Online-Petition innerhalb kurzer Zeit über 3.500 Personen unterschrieben. Unterschreibe auch Du: Für bezahlbaren Wohnraum für Alle:

https://bit.ly/2MuVckd

#WirSindDieStadt #ReclaimYourCity #SozialesWohnenStattMikroapartments #Mietenwahnsinn