Augen auf in der Mucki-Bude

Bevor wir in den Herbst einbiegen und beginnen, uns den ersten Winterspeck anzufuttern und auf hochkalorischen Rotwein umzusteigen, gibt uns die „Bruderschaft Deutschland“ Anlass, ernsthaft über Sport (!) als Freizeitbeschäftigung nachzudenken. Denn die extrem rechte Bruderschaft trainiert offenbar seit Längerem ihre Bizepse und Fäuste in einem Düsseldorfer Fitness-Studio, ganz ohne Ironie und bar jeder Öffentlichkeitsscheu im uniformen Bruderschafts-Dress. Ein Aufruf für mehr Gesundheitsbewusstsein – oder etwas Ähnlichem.

Manchmal werden sie als „unangenehm, aber dumm wie Brot“ beschrieben. Dann wieder gibt es Stimmen, die ihre begrenzte Reichweite als Hinweis darauf nehmen, sich nicht über die Maßen mit ihnen zu beschäftigten. Schließlich scheinen sie sich bisher auf zwei eher als „abgehängt“ zu bezeichnende Stadtteile im Düsseldorfer Süden zu konzentrieren. Damit seien sie zu unbedeutend für die gesamte Stadt. Eine Randerscheinung eben. Wieder andere – scheint es – sehen ihren mal wachsenden, mal kleiner wirkenden Kreis als legitime Selbstorganisierung besorgter Bürgerinnen und Bürger, die sich vorgeblich um die Sicherheit im angeblich von Kriminalität und Gewalt – „gegen Deutsche“ – bedrohten Kiez kümmerten.

Wer jedoch ein wenig genauer hinschaut, entdeckt in der „Bruderschaft Deutschland“, die im Sommer 2016 in Garath erstmals als Gruppe sichtbar Präsenz zeigte (etwa in einheitlicher Kleidung mit Gruppen-Logo), ohne große Zweifel eine Formierung extrem rechter Akteure. Wie die berühmte „Faust auf‘s Auge“, ließe sich witzeln, passt die Bruderschaft Deutschland in die Beobachtungen und Analysen von Politikwissenschaftler*innen oder Expert*innen in Forschungs- und Beratungseinrichtungen, die sich mit Neonazismus und der extremen Rechten beschäftigen. Können wir an ihr doch das Wachsen einer sogenannten „Mischszene“ beobachten: Bekannte Neonazis, bislang blasse oder nicht in Erscheinung getretene Stadtteil-„Wutbürger“ à la Pegida, „Hooligans gegen Salafismus“ und Personen aus der Rocker- oder Türsteher-Szene treten gemeinsam auf, organisieren als „Spaziergänge“ bezeichnete Stadtteilstreifen, markieren den harten Mann und bemühen sich, mit möglichst martialischem Auftreten und Dominanz-Gehabe ‚ihren‘ Claim in der Stadt zu besetzen.

Dabei ist ihr Bild von „Sicherheit“ immer rassistisch. Verkaufen sie ihre Präsenz als Selbstverteidiger der inneren Sicherheit und Ordnung doch stets mehr oder weniger offen als vermeintlich unausweichlichen „Abwehrkampf“ gegen eine vorgeblich wachsende Kriminalität, die sich „von Fremden“ gegen „Deutsche“ bzw. „deutsche Frauen und Mädchen“ richte. Nicht zuletzt nimmt diese von den Sicherheitsbehörden des NRW-Innenministeriums im Januar 2019 auf ca. 50 Mann (!) geschätzte Gruppe in so klarer wie unmissverständlicher Weise Bezug auf den historischen Nationalsozialismus. Der Blog „Düsseldorf rechtsaußen“ beschreibt im Februar 2019 das Erscheinungs- und damit auch Selbstbild der Bruderschaft als geprägt von „rassistischen Glaubensbekenntnissen“ und „eindeutigen NS-Bezügen“: Mit Codes und Symbolen wie der Alphabet/Zahlen-Kombination „18“ für „Adolf Hitler“ oder dem Spiel mit dem als NS-Verherrlichung strafbewährten Hitler-Jugend-Wahlspruch „Treue, Blut & Ehre“ macht die Bruderschaft Deutschland auf ihrer uniformen Kleidung oder mit den weithin sichtbaren Tattoos einzelner Mitglieder deutlich, wes Geistes Kind sie ist.

Fast alle Zutaten

Damit hat die Bruderschaft eigentlich alles, was eine ‚ordentliche‘ extrem rechte Struktur braucht, um als solche bezeichnet zu werden. Sie bedient sich rechter Raumergreifungsstrategien und versucht, mit ihren „Spaziergängen“ temporäre Angsträume zu schaffen. Dabei verweist sie in Permanenz auf ihre ideologischen Überzeugungen, wenn ihre vermeintlich ‚ganz normalen‘ rassistischen Haltungen über die Stränge schlagen – etwa mit „Schutzaktionen“ wie der vor dem Düsseldorfer Rheinbad, mit der die Bruderschaft Anfang August 2019 auf den rassistischen Zug der bundesweit rezipierten Pressearbeit der Polizei aufsprang und vorgab, „deutsche“ Badegäste vor gewaltbereiten „ausländischen“ Jugendlichen bewahren zu wollen. Sie ist außerdem inzwischen bereit, sich aus ihrem Kiez hinaus zu bewegen. Das zeigte ihr Auftreten anlässlich einer AfD-Veranstaltung im Bilker Bürgerhaus im April 2019. Hier versuchte die Bruderschaft, ihre Testosteron-Duftmarken auch dort zu setzen, wo sie glaubt, ihrem „politischen Gegner“ – etwa Linken, die den AfD-Propagandaabend kritisch begleiteten – bedrohlich auf die Pelle rücken zu können durch ihre pure Anwesenheit, durch ein paar gebellte Sprüche und die üblichen „Wir kriegen euch alle“-Gesten. Bei all dem ist es am Ende fast nicht mehr nötig zu notieren, dass ihre Mitglieder sich auch an der Seite extrem rechter Partei-Veranstaltungen oder Neonazistrukturen wie solchen der Parteien „Der III. Weg“ oder „Die Rechte“ blicken lassen.

Runter von der Matte!

Als seien es der Zutaten für einen validen extrem rechten Organisierungsversuch nicht genug, gibt es nun auch noch einen weiteren Aspekt, der das Bild von der „Bruderschaft Deutschland“ zu vervollständigen hilft. So zeigt eine Recherche Düsseldorfer Antifaschist*innen, dass sich die Bruderschaft wohl bereits seit geraumer Zeit der körperlichen Ertüchtigung befleißigt – und dies mit enormem Praxisbezug. So trainieren etwa die Bruderschaft-Bosse bzw. Mitglieder Ralf Nieland und Klaus Wille zusammen mit weiteren in Bruderschaft Deutschland-Shirts gekleideten „Brüdern“ im Maxx Gym, einem Fitness-Studio auf der Rückseite des Düsseldorfer Hauptbahnhofs (Heinz-Schmöhle Straße, Ecke Eisenstraße): Was? Boxen!

Das Fitness-Studio, das ein individuelles Fitnesstraining und „Rücken-Fit“-Schulungen ebenso anbietet wie Yoga-Kurse oder auch Programme wie „Kickbox-Fit“, ist dabei keine Kampfsportschule. Wohl aber offenkundig Treff- und Aufrüstungsort für die Bruderschaft Deutschland, die hier auch separate Räumlichkeiten für ihr privates Training nutzt. So bestreiten Nieland und Co. allem Anschein nach die Trainings in Eigenregie, wie wir im Gast-Artikel der Düsseldorfer Antifaschist*innen auf der Homepage der Blog- und Infoplattform „Runter von der Matte“ seit Ende August 2019 lesen können. Die Kampagne „Runter von der Matte – Kein Handshake mit Nazis“ recherchiert selbst seit 2017 zu extrem rechten Sportmode-Labeln und Strukturen neonazistischer Kampfsport-Zusammenhänge. Ihre Homepage ist dabei als Plattform zu verstehen, um über „das zunehmende neonazistische Treiben auf Kampfsport-Veranstaltungen und in Gyms informieren und ebenso intervenieren zu können“, auch durch Beiträge von Gastautor*innen, die etwa über lokale Situationen berichten. Wie eben der Entwicklung rund um die Bruderschaft Deutschland in Düsseldorf.

Für diesen Zusammenhang bemerken die Autor*innen des „Runter von der Matte“-Artikels richtig, dass in Düsseldorf wie andernorts aus dieser simplen Fitness-Studio-Sache schnell und wie selbstverständlich ein neuer extrem rechter „Raum“ im weitesten Sinne entstehen kann: Neonazis sind Kundinnen, Kunden oder Mieter*innen von Räumen, nutzen öffentliche Plätze, schaffen in ihrer körperlichen Präsenz mitsamt Tattoos und Meister-Propper-Allüren dortselbst erneut Orte, an denen etwa andere Nutzer*innen des Fitness-Studios in eine bedrohliche Atmosphäre geraten können. Vor allem dort, wo – wie im Maxx Gym am Hauptbahnhof – bislang eine Vielfalt von vor allem jungen Menschen aus migrantischen Communities zum Trainieren einen Ort für ihre Freizeit- und Sportaktivitäten hatte, mitten in Oberbilk, zentral in der Stadt.

Antifaschistische Recherchen und Expert*innen-Stimmen wie die auf der „Runter von der Matte“-Homepage gesammelten, weisen schon seit Längerem zu Recht darauf hin, dass Kampfsport und Mixed Martial Arts in der extrem rechten Szene eine immer größere Rolle spielen. Dabei geht es natürlich zum einen um die Vergemeinschaftungsprozesse, die für extrem rechte Gruppendynamiken (nach innen wie nach außen) eine Rolle spielen: „Brüder“ oder „Kameraden“ kämpfen zusammen, trainieren im Schweiße ihres Angesichts miteinander, erleben als ‚typisch männlich‘ beschriebene Körpererfahrungen im gemeinsamen Kräftemessen. Zum anderen ist Boxen aber auch kein Ponyhof. Der mit sportlicher Attitüde ausgefochtene Wettkampf ist vielmehr nicht zuletzt eben auch idealer Anlass, Hierarchien innerhalb der Gruppe herzustellen oder hegemoniale Männlichkeiten, nun ja: plastisch werden zu lassen. Wer auf die Fresse kriegt, ist in der Hackordnung unten, wer oben liegt, gewinnt. So einfach ist das. Wenn „Mann“ dabei auch noch rechte Kampfkunst-Modelabels (oder ein einheitliches Gruppen-Shirt wie das der Bruderschaft Deutschland) trägt, signalisiert er darüber hinaus natürlich auch nach außen seine Zugehörigkeit zu einer geschlossenen Gemeinschaft, seine Kampfbereitschaft und die pure Möglichkeit, mit gut trainierten Schlägen und Tritten seinen Willen durchzusetzen.

So gesehen kann die Tatsache, dass sich die Mitglieder der Bruderschaft am Düsseldorfer Hauptbahnhof in einem Fitness-Studio im Boxen üben, auch dahingehend verstanden werden, dass es durchaus sein kann, dass sie ihre ‚sportlichen‘ Fähigkeiten als Schläger auf der Straße praktisch werden lassen könnten. Genauso gut sind die Bilder, die wir nun durch die Veröffentlichung der „Runter von der Matte“-Kampagne kennen, aber auch Inbegriff eines Abziehbildes. Wenn Nieland oder Wille im Kreise ihrer „Brüder“ in peinlicher Pumper- und Boxer-Gruppen-Pose posieren, zeigen sie viel über ihr Selbstverständnis als „Bruderschaft“: Wie eine richtige, eine deutsche „Bruderschaft“ sein soll – so wollen sich die Düsseldorfer Neonazis-Hools-Türsteher-Schutzwächter der Bruderschaft Deutschland präsentieren. Dass ihre Selbstdarstellung dabei zum wiederholten Male eher einer Karikatur, einer ironischen Überzeichnung „knallharter Männer“, gleicht denn einer geordneten Kameradschafts- oder Neonazi-Struktur, mag nur eine Etappe sein. Für den Moment wird es aber in erster Linie wichtig sein, das „sportliche“ Treiben der Bruderschaft im Auge zu behalten und die Optik auf „scharf“ zu stellen dafür, Gefahrenpotenziale zur richtigen Zeit zu erkennen. Und nicht zuletzt: Das Rauchen aufzugeben und selbst den eigenen „Body“ auf kommende Zeiten vorzubereiten. Sport soll ja bekanntlich gesund sein.

Zur weiteren Lektüre empfehlen wir:
Boxtraining durch Neonazis der „Bruderschaft Deutschland“ im Düsseldorfer Gym https://runtervondermatte.noblogs.org/boxtraining-durch-neonazis-der-bruderschaft-deutschland-in-duesseldorfer-gym und die „Bruderschaft Deutschland“ https://duesseldorf-rechtsaussen.de/2019/02/08/d-die-bruderschaft-deutschland