Antifaschistische Aktivitäten und Neues aus der Naziszene

Kurzberichte zusammengestellt von Pierre Briegert

Nazis sind unkölsch

Köln: 25.000 Menschen demonstrierten gegen einen Aufmarsch des "Kampfbund Deutscher Sozialisten"

"Ein anständiger Aufstand gegen rechts" sei das gewesen, kommentierte ein Sprecher des Bündnisses "Köln stellt sich quer" die Proteste gegen den Neonaziaufmarsch am 9.12.2000 in Köln. Bereits um 9.00 Uhr hatten sich 10.000 Menschen auf dem Offenbachplatz versammelt und waren, angeführt von einem Antifa-Block, zur Kundgebung auf den Friesenplatz gezogen, wo sich weitere 15.000 Menschen einfanden. Neben einem von der Kölner Künstlerinitiative "Arsch hu, Zäng ussenander!" organisierten kulturellen Rahmenprogramm mit prominenten Kölner Bands und Künstlern wie BAP und Brings, waren vom WDR live übertragene Reden der Kampagne "Kein Mensch ist illegal", der "Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit" und der "Antifa K" zu hören, in denen nicht zuletzt auch deutlich Stellung gegen staatlichen Rassismus bezogen wurde. "Wenn ‚Fremde Freunde sind', wie NRW-Ministerpräsident Cle-ment beteuert, wieso werden sie dann eingesperrt und abgeschoben, diffamiert und diskriminiert?", brachte eine Rednerin das Thema auf den Punkt. Polit-pro-minenz suchte man vergeblich auf der Bühne und in der Ver-an-stal-tungsleitung. CDU-Ober-bürgermeister Fritz Schram-ma, der kürzlich noch auf einer 5.000-köpfigen Schüler-Innen-demon-stration gegen Rechts unisono ausgepfiffen worden war, ließ sich nur kurz am Rande der Kundgebung sehen. Eine der Kundgebung folgende Spontandemonstration führte über 20.000 Menschen in die Nähe der Demonstrationsroute der Neonazis.

Wenige hundert Meter entfernt hatten sich 150 Neonazis zu einer vom "Kampfbund Deutscher Sozialisten" (KDS) initiierten und organisierten Demonstration versammelt, um für "Meinungsfreiheit auch für sog. ‚Neonazis'" zu demonstrieren. Beim am 1.5.99 gegründeten und in der Neonaziszene nicht unumstrittenen KDS handelt es sich um eine bundesweite Organisation mit starker Anbindung an die "Freien Kameradschaften", die der angeblich "mittlerweile erfolgten Annäherung 'rechter' und 'linker' Sozialisten für die Bündelung revolutionärer sozialistischer Energien und Gedanken" nutzen und der "weltweiten Verschwörung von Politik und Kapital" einen "auf die nationalen Erfordernisse zugeschnittenen deutschen Sozialismus entgegen" setzen möchte. Der nur wenige Mitglieder zählende KDS fühlt sich "mit allen antiimperialistischen Staaten der Welt" - u.a. mit Cuba, China, Nordkorea, China und Libyen - verbunden und erklärt sich solidarisch mit "Nationalen Befreiungsbewegungen in Irland, Kurdistan, Korsika, Schottland, Baskenland". Mit Ausnahme von Nordkorea scheint aber bislang niemand diese "Verbundenheit" zu erwidern. Das vom Kölner Polizeipräsidenten ausgesprochene Verbot des von dem Hamburger Neonazi Christian Worch und dem Kölner KDS-Aktivisten Paul Breuer unter dem Logo "Bürgeraktion gegen Gewalt und Intoleranz" angemeldeten Aufmarsches war am Vortag vom Verwaltungsgericht Köln mit Auflagen außer Kraft gesetzt worden. Diese Auflagen hatten zur Folge, daß weder der "KDS-Gausekretär Rheinland" Axel Reitz, noch der Dortmunder "Borussen-front"ler und ehemalige FAP-Funktionär Siegfried Borchardt Reden halten oder organisatorische Aufgaben übernehmen durften. Zu dem Aufmarsch erschienen hauptsächlich Neonazis aus dem Märkischen Kreis, dem Hagener Raum, dem Ennepe-Ruhr-Kreis und dem Ruhrgebiet. Mit Claus Crämer (Herne), Axel Schoppmann (Lüdenscheid) und Dominique Oster (Siegburg) nahmen auch einige Funktions- und Kommunalmandatsträger der NPD an dem Aufmarsch teil. Die geringe Teilnehmerzahl dürfte sowohl mit der Häufung der Aufmärsche in letzter Zeit, als auch mit Differenzen mit dem KDS und der recht schwachen Mobilisierung zu tun haben. Eine Reihe von nordrhein-westfälischen "Kameradschaften" waren nur über einzelne Personen oder gar nicht vertreten, wie z.B. die "Kameradschaft Düsseldorf" und die "Kameradschaft Bonn-Rhein/Sieg". Über eine Stunde zog der braune Mob in Dreierreihen durch das von der Polizei hermetisch abgeriegelte Viertel nordöstlich des Ebert-platzes. Während der altbackene Teil der DemoteilnehmerInnen um die "Borus-sen-front" und "Kameradschaft Dortmund" unermüdlich die in endlosen nationalen Kneipenstunden kreierte Parole "Ali, Mehmet, Mustafa - geht zurück nach Ankara!" zum Besten gaben, favorisierte der sich als nationalrevolutionär verstehende Kreis um die JN Duisburg die Parole "Freiheit für Palästina!". Anschließend nutzte Worch als einziger zugelassener Redner die Gunst der Stunde, um eine seiner gefürchteten einstündigen höhepunktlosen Reden zu halten.

Das letzte Aufgebot marschiert

Insgesamt dürfte der Aufmarsch kein Erfolg für die Nazis gewesen sein. Auf der Straße war lediglich das Stammaufgebot, das auf jeder Demo zu sehen ist. Via Internet beschwerte sich daher auch ein Duisburger Kader der "Freien Nationalisten - Nationaler Widerstand Ruhr" über die schlechte Mobilisierung und Informationsarbeit des KDS. Es sei außerdem "eine riesengroße Frechheit, daß noch nicht mal eigene Mitglieder des KDS auf einer eigenen Veranstaltung erscheinen. Wären nicht so viele Freie Kräfte des Nationalen Widerstands bereit gewesen, den Kampfbund Deutscher Sozialisten zu unterstützen, so wäre es für den KDS eine sehr bittere Niederlage gewesen." Lediglich fünf KDS-Mitglieder seien erschienen. Selbst der Duisburger "Gau-sekretär Ruhr", Michael Thiel, und der KDS-Bundesvorsitzende, Thomas Brehl, einst Stellvertreter des 1991 verstorbenen Neonaziführers Michael Kühnen, ließen sich vor Ort nicht blicken. Brehls Abwesenheit dürfte aber eigentlich selbst die "Kameraden" nicht sonderlich verwundert haben, schafft er es doch seit dem Tod von Kühnen nur noch selten, vom heimischen, täglich neu mit Bier gefüllten Kühlschrank in Langen (Hessen) wegzukommen. Weiterhin zu kritisieren seien "die teilweisen plumpen und einfallslosen Sprüche, die gerufen wurden ... sowie die Verkleidung und das teilweise asoziale Verhalten einiger Leute."

Mehrere tausend Polizisten waren nötig und hatten alle Hände voll zu tun, um zu verhindern, daß Gegendemonstranten den Aufmarsch wie schon die NPD-Demonstration am 22.5.1999 stoppten. Trotzdem gelang es einzelnen Personen und kleineren Gruppen einige Male, auf die Route zu gelangen und den Aufmarsch durch symbolische Blockaden kurze Zeit zum Anhalten zu zwingen. Insgesamt 30 Gegendemonstranten wurden im Laufe des Tages festgenommen, auch einige Verletzte waren zu beklagen. Diverse Nazis hatten einmal mehr Verluste bei der An- und Abreise in Kauf zu nehmen.

20 000 versuchen sich querzustellen

Obwohl der Aufmarsch der Neonazis letztendlich nicht verhindert werden konnte, werteten alle Gruppen der beteiligten Bündnisse "Köln stellt sich quer" und "Kölner Bündnis für eine Gesellschaft ohne Rassismus" die Gegenaktionen als Erfolg. Ein Sprecher der "Antifa K": "Über 20.000 Menschen hat es nicht mehr gereicht, Betroffenheit zu zeigen, sondern haben aktiv bei dem Versuch mitgewirkt, den Naziaufmarsch zu verhindern". Als Erfolg wertete er ebenfalls, daß alle Versuche, das Bündnis seitens der bürgerlichen Parteien und Institutionen zu vereinnahmen und zu spalten, erfolgreich abgewehrt werden konnten und so auch staatlicher Rassismus unüberhörbar thematisiert werden konnte. Ob sich das stark auf Lokalpatriotismus orientierende Kölner Modell allerdings auch auf andere Städte übertragen läßt, bleibt mehr als fraglich: "Wir sind Kölner und Ihr nicht!", schlug der Kölner Express ernsthaft als zu rufende Parole vor; denn: "Nazis sind unkölsch".

Pierre Briegert, Antifaschistisches AutorInnenkollektiv Düsseldorf

Der "nationale Widerstand" marschierte in Dortmund

320 Neonazis hatten sich am Mittag des 16.12. in Dortmund eingefunden, um einmal mehr "Gegen Polizeiwillkür und Medienhetze" zu demonstrieren. Nachdem die Dortmunder Polizei die Demonstration mit einer Reihe von Auflagen belegt hatte (keine Fahnen und Trommeln, kein gemeinsames Auftreten mit Uniformen, Bomberjacken und Springerstiefeln, u.a.), versuchte der Anmelder Christian Worch vergeblich, diese vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und Oberverwaltungsgericht Münster wieder außer Kraft setzen zu lassen. Gegen das Verbot des Rufens der Parole "Hier marschiert der Nationale Widerstand" bemühte Worch sogar das Bundesverfassungsgericht; ebenfalls vergeblich, so daß er dem versammelten braunen Mob ersatzweise das Skandieren der Parole "Hier spaziert der Nationale Widerstand" empfahl. Im Gegensatz zum KDS-Aufmarsch am 9.12. in Köln waren dieses mal alle nordrhein-westfälischen "Kameradschaften" und erneut einzelne lokale NPD-Funktionsträger erschienen. Auch kleinere Gruppen aus Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen, den Niederlanden und Belgien hatten sich eingefunden. Der Ordnerdienst wurde von dem Düsseldorfer Sven Skoda und dem Jüchener Christian Malcoci geleitet, als Redner traten der Möchtegern-Goebbels Ralf Tegethoff aus Bad Honnef, Peter Borchard aus Kiel und Christian Worch in Erscheinung. Letzterer ließ es sich nicht nehmen, 45 Minuten lang über die Dortmunder "Polizei- und Behördenwillkür" gegen die von ihm angemeldeten Demos am 21.10. und 9.12. und die Kriminalisierung des Dortmunder "Kameraden" Siegfried Borchardt zu Felde zu ziehen. Er werde nun, so Worch unter allgemeinem Jubel, alle zwei Monate in Dortmund eine Demonstration anmelden und durchführen, bis Stadt und Polizei diese "Willkür" ausgetrieben sei.

Bereits um 10.30 Uhr waren 600 Menschen einem Aufruf des Bündnisses "Wir stellen uns quer!" gefolgt. Da die angemeldete Route für die geplante antifaschistische Demonstration verboten worden war, löste sich die Kundgebung bereits nach 40 Minuten wieder auf. Ungefähr 700 weitere Menschen nahmen an einer Demonstration des "Bündnis Dortmund gegen Rechts" teil. Insgesamt beteiligten sich über 2.000 Menschen an den vielfältigen Gegenaktionen, darunter sehr viele SchülerInnen aus Dortmund und dem Umland. Immerhin bewirkten diese Proteste, daß die Demoroute der Neonazis stark eingeschränkt wurde. Bei dem Versuch, den Naziaufmarsch zu verhindern, wurden allerdings über 550 Personen festgenommen bzw. in Polizeigewahrsam genommen. Es bleibt die Frage, ob sich dieser gruselige Akt demnächst tatsächlich zweimonatlich wiederholen wird.