Deportation class der Lufthansa weiter in Betrieb

Todesflug LH 588

Seit März diesen Jahres muß sich die Fluggesellschaft Lufthansa mit einer vom Netzwerk kein mensch ist illegal initiierten Kampagne auseinandersetzen, die ihre führende Rolle als Abschiebefluglinie the-matisiert. "Deportation class" ist eine Anspielung auf die 16.000 Abgeschobenen, die sogenannten Deportees, die allein im letzten Jahr in Lufthansa-Maschinen aus Deutschland in ihre Herkunftsländer geflogen wurden. Mehrere Aktionen an deutschen Flughäfen, u.a. in Frankfurt und in Hamburg, sollen den Druck auf die Lufthansa AG verstärken, keine abzuschiebenden Flüchtlinge mehr zu transportieren.

Bereits im Juni kündigte der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa AG, Weber, an, daß Flüchtlinge nicht mehr gegen ihren Widerstand mit der Lufthansa abgeschoben würden. Es gebe Verhandlungen mit dem Bundesinnenministerium darüber, wie die Fluggesellschaft aus dem Geschäft mit dem Transport von Zwangspassagieren aussteigen könnte. Auf der Jahreshauptversammlung des Unternehmens waren den Aussagen des Lufthansa-Chefs tumultartige Szenen vorausgegangen, bei der es Mitgliedern des Netzwerkes kein mensch ist illegal gelungen war, massiv zu stören und dadurch das Thema Abschiebungen auf die Tagesordnung zu setzen. Geändert hat sich nach den Bekundungen Webers allerdings nichts. Am 3. November wurde der sudanesische Flüchtling Yagoop Shafee mit dem Linienflug LH 588 in Begleitung von zwei Bundesgrenzschutzbeamten (BGS) und mit Handschellen gefesselt vom Frankfurter Flughafen nach Khartum abgeschoben. Laut dem sudanesischen Men-schenrechtsverein in Frankfurt widersetzte sich Shafee energisch der Abschiebung und protestierte auch in der Maschine noch lautstark, ohne daß der verantwortliche Pilot eingegriffen hätte. Unter der selben Flugnummer - LH 588 - war im Mai vergangenen Jahres der sudanesische Flüchtling Aamir Ageeb getötet worden. Die drei begleitenden BGS-Beamten hatten den 30-Jährigen gefesselt, ihm einen Motorradhelm aufgesetzt und ihn solange auf den Sitz gedrückt, bis er erstickte.

"LH 588 FRA-Khartum -- Wann folgt der nächste Todesflug der Lufthansa?" stand dann auch auf dem Transparent, mit dem Abschie-be-gegnerInnen die von der Lufthansa durchgeführte Pressekonferenz am 15. November besuchten. Diesmal zeigte sich die Leitung der Fluggesellschaft aber wenig gesprächsbereit und setzte die DemonstrantInnen mit Hilfe des eigenen Sicherheitsdienstes vor die Tür. Dabei scheint die Situation für die Lufthansa AG brisanter zu werden. In mehreren rechtswis-senschaftlichen Gutachten, die in den letzten Monaten erstellt wurden, wird die Auffassung vertreten, daß die Piloten ihre Verantwortung bei Abschiebungen nicht einfach an die begleitenden BGS-Beamten delegieren können. Genauer gesagt, die Piloten, und damit die Airline, bleiben rechtlich haftbar, wenn Flüchtlinge an Bord verletzt oder getötet werden. Ähnlich äußerte sich auch der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Radeck, der seine Beamten nur als Erfüllungsgehilfen des Piloten sieht, der die alleinige Verantwortung für Passagiere und Flugzeug besäße.

Angriff ist die beste Verteidigung

"Nutzung der für unsere Mandantin typischen Farben gelb/blau", "Nutzung des für unsere Mandantin typischen Schriftzuges", "eine öffentliche Herabsetzung und Verunglimpfung" bestehe auch in der Verwendung des Begriffes "Deportation", "Einsatz und Manipulation der für unsere Mandantin eingetragenen Marken" etc. lauten die Begründungen, mit denen die Anwälte der Lufthansa eine Abmahnung gegen die Kampagne "deportation class" einklagten. Stein des Anstoßes war eine Ausstellung politischer Plakatkunst auf den Internetseiten der Kölner Stadtrevue. Dort werden verschiedene Plakate, die sich kritisch mit der Abschiebepraxis der Fluggesellschaft auseinandersetzen, gezeigt. Am Anfang des Jahres hatte kein mensch ist illegal zu einem Plakatwettbewerb aufgerufen, die besten Entwürfe wurden zu einer Ausstellung zusammengefaßt, die mittlerweile durch ganz Deutschland tourt. Die Abmahnung bezog sich aber nur auf die Internetversion der Ausstellung. Die Betreiber weigerten sich, die Bilder vom Webserver zu nehmen. Dieser "dreiste Angriff auf die Freiheit der Kunst" führte zu Solidaritätsbekundungen der Internetöffentlichkeit. Sogenannte Mir-roraktionen wurden vorbereitet, die international zur Spiegelung und Verbreitung der Seiten aufriefen. Außerdem gab es Angebote aus aller Welt, der Ausstellung "politisches Asyl" zu gewähren.

Dazu kam es aber nicht mehr, denn die Lufthansa AG zog ihre Abmahnungsklage zurück. Anscheinend hatte das Unternehmen die Gefahr eines politischen Eigentors früh genug erkannt, denn bei den folgenden Gesprächen war keine Rede mehr von Copyright- und Fälschungsvorwürfen.

"Deportation class" stoppen

Unterstützung erhielten die AktivistInnen von kein mensch ist illegal inzwischen von ganz anderer Seite. Der Gewerkschaftstag der ÖTV, der vom 4. bis zum 10. November in Leipzig stattfand, hat einstimmig beschlossen, daß "Ar-beitnehmervertreterInnen, VertreterInnen von ÖTV und DAG im Aufsichtsrat der Lufhansa AG aufgefordert werden, sich dafür einzusetzen, daß die Lufthansa keine zur Abschiebung vorgesehenen Flüchtlinge mehr transportiert." Weiter fordert die Gewerkschaft ÖTV ihre Mitglieder auf, "sich nicht mehr an Abschiebungen zu beteiligen." In der Begründung wird angeführt, daß bei Abschiebungen Flüchtlinge zu Tode kommen oder verletzt werden.Zudem wird die Abschiebepraxis der Bundesregierung kritisiert, die auch Abschiebungen in nicht sichere Herkunftsländer zuläßt. Die GewerkschaftlerInnen verweisen dabei auf die europäischen Nachbarländer. Nachdem die belgische Gewerkschaft ihre Mitglieder aufgefordert hat, sich nicht mehr an Abschiebungen zu beteiligen, fielen bei der Fluggesellschaft Sabena Abschiebungen für längere Zeit aus. Mittlerweile hat Sabena den gewaltsamen Transport von Abschiebehäftlingen ganz eingestellt. Die Swissair verweigerte nach zahlreichen Protest- und Aufklärungskampagnen die Mitnahme von sich wehrenden Flüchtlingen. Auch die niederländische Fluggesellschaft Martinair ist inzwischen aus dem Geschäft mit Abschiebungen ausgestiegen. Desweiteren wird darauf hingewiesen, daß eine Beförderungspflicht gegen den Willen der Passagiere aus dem LuftVG nicht abzuleiten ist. Deshalb kann die Lufthansa jegliche Art von Abschiebung ablehnen, wenn diese für das Unternehmen aus ethischen und wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist. Als es um den Transport von tropischen Ziervögeln ging, hat die Lufthansa dies bereits getan.

In der perfektionierten Abschiebemaschinerie scheinen die Fluggesellschaften immerhin ein Ansatzpunkt zu sein, an dem es Interventionsmöglichkeiten für antirassistische Initiativen und FlüchtlingsunterstützerInnengruppen gibt. Auch die Vielfältigkeit der Proteste und die Beteiligung an den Aktionen gegen die "deportation class" der Lufthansa werden in den nächsten Wochen darüber entscheiden, wie lange das Unternehmen es sich leisten kann, sich wehrende Flüchtlinge weiter abzuschieben. Wenn dies nicht gelingt, ist der nächste Todesflug der Lufthansa schon vorprogrammiert.

Aktion Knastmucke - eine antirassitische Initiative -

Ihr könnt bei uns mitmachen.
Wir treffen uns: jeden Sonntag
19 Uhr im Falkenheim, Lessingstraße 22, Düsseldorf-Oberbilk.