musicWahrheit ist Arbeit oder: Der Champion im Bullenreiten!

Im Moment bereiten mir einige Dinge Freude so z.B. die Wahl in den USA; ein Skandal, der ein Licht auf ein Mitglied der Terz-Redaktion wirft und wie immer der deutsche Irrsinn.

Zu Amerika sei nur gesagt, daß dies doch für jeden Anarchisten die Lachnummer seit Uwe Barschels Ehrenwort und Badepartie ist. Zwei Deppen raufen sich um ein Amt und Wochen später wird immer noch überprüft, ob die Wahlzettel für jeden Debilen aus dem Altersheim lesbar gewesen sind. Köstlich! Mein Vorschlag ist: Bis zur nächsten Wahl wird ein Interimsehrenpräsident ernannt, da beide Kandidaten durchgefallen sind. Meine erste Wahl wäre Ronald Reagan. Der hat den Job doch schon mal prächtig gemacht. Und zur Unterstützung, falls Ronnie zu grobe Aussetzer hat, schicken wir ihm den Joschka, den zur Zeit beliebtesten deutschen Politiker rüber. Die beiden würden sich ganz schnell auf eine Linie einigen, und wir wären einen Pfahl im Fleische los.

Das gefällt mir: Kölner Express vom 10.12. Titelseite bestehend aus einer nackten Blondine und der Schlagzeile: Drama um DEG Star (der Mann hätte beinahe einen Finger verloren, an dieser Stelle spreche ich mein tiefstes Mitgefühl aus). Auf Seite 2 und 3 dann Berichte über den "Aufstand der Anständigen". Im ersten Moment dachte ich, da hätte ich was versäumt, aber ganz so heftig war der Aufstand, zu dem man Mut brauchte und der ein starkes Zeichen sein sollte, wohl nicht. Natürlich finde ich es gut, wenn viele Menschen gegen rechts demonstrieren, aber wozu sie Mut brauchten, wurde mir erst bei der Lektüre klar. Wie vor acht Jahren auf dem Chlodwigplatz gab es ein BAP - Konzert und zugegebenermaßen: Wer das übersteht muß, zäh wie Leder und beim Weglaufen schnell wie ein Jagdhund oder so ähnlich sein. Ich hätte die Kraft dazu jedenfalls nicht. Und das Ganze hat mit einem Aufstand so viel zu tun, wie die 1990 in der DDR mit einer echten Revolution.

Da ich ein Vertreter des investigativen Journalismus a` la Focus oder ähnlich kritischer Blätter bin, will ich im Zusammenhang mit der Lobpreisung der endlich erschienenen "Swamped" von Hack Mack Jackson (Triggerfish) einen Skandal aufdecken. Zwischen den hinreißenden Country Trash Nummern der zur Zeit bedeutendsten Düsseldorfer Band (sorry für alle anderen) finden sich immer wieder Schnipsel mit Bölkereien und Pöbeleien aus dem Publikum. Darunter befindet sich die Behauptung eines der dienstältesten Terz Schreibers und Ehrenpräsi-denten, er sei der Champion im (mechanischen) Bullenreiten gewesen und deshalb Ehrengast. Das ist eine auch durch Suff nicht zu entschuldigende Lüge. Ich war Augenzeuge: Er hat trotz vier Versuche nur den zweiten Platz gemacht. Unvergessen der letzte 2 Promille Versuch, der eindeutig Richtung verzweifelter Mehlsack ging.. (Übrigens gibt es ein neues Hayride Rodeo Festival vom 8-11.03.2001, doch dazu demnächst mehr.)

Sieger war ein Kumpel von mir, der zu Recht den Preis, einen Bullenschädel, nach Hause trug (Hallo Peter). Die ethische Frage, die sich stellt, ist: Wie hält so ein Terz Journalist es mit der Wahrheit? So wie der Focus oder Bild? Oder Käptn Uwe? Christoph Daum? Das muß beobachtet werden.

Die CD von Hack Mack enthält im Grunde genommen die Essenz Ihres Schaffens von den ältesten bekannten Nummern wie "Love is a horse" bis hin zu einigen neuen, live noch nicht so oft gehörten Stücken. Der Stringbass wird immer besser, der Gesang bleibt unverwechselbar, die Musik stimmt einfach. Möge der große Gott Jehova Eure Karriere mit Wohlwollen begleiten!

Rockmusik an sich langweilt mich immer mehr, aber deutlich über dem Schnitt liegen

At the drive in mit "relationship of command" (Grand Royal). Mir gefällt der Gesang nicht so gut, aber die Musik ist für die Richtung HardCore, Metal usw. anspruchsvoll und nicht primitiv. Band für jugendliche Dreadträger.

Deutlich eher was für mich ist eine Collection, die ich zufällig in der "obskur" Ecke des örtlichen Plattenladens gefunden habe. Drug Songs: High & Low beinhaltet amerikanische Songs zum Thema aus den Jahren 1917-1944. Bevor Cannabis und Kokain gegen Ende der Dreißiger Jahre in den USA kriminalisiert wurden, konnten sich Künstler ganz direkt dazu äußern. Die Collection enthält erfrischend offene und positive, aber auch sehr nachdenkliche Blues, Country und Swing Nummern. Richtig klasse sind z.B. "Dope Head Blues" von Victoria Spivey & Lonnie Johnson und der herzergreifende Blues "Knockin myself out" von Jean Brady und Big Bill Broonzy. Die Nummern sind durchgehend interessant, orginell und anhörbar. Fazit: Gedröhnt haben die Menschen immer schon, und die Sensiblen wissen, daß der Umgang mit den lieben Mitmenschen oft anders als dicht nicht zu ertragen ist. Der CD liegt ein äußerst informatives Booklet bei, und die ganze Sache ist sicher nicht als plumpe Drogen-verherrlichung zu verstehen.

Zum Abschluß sei hier noch ein gigantisches Buch vorgestellt. Shakin all over von Hans Joachim Klitsch über die Beat Musik in der BRD 1963-1967 (Verlag: Highcastle) ist eine profunde Zeitreise zurück, als die Haare immer länger wurden und die Musik lauter und schriller und sich Veränderungen im Land andeuteten. Das Buch ist großformatig und hat fast 500 Seiten, die rappelvoll mit Bildern und Text sind. Da ich diese Zeit nicht erlebt habe, kenne ich natürlich sehr viele der besprochenen Bands und Ereignisse nicht. Aber das ist nicht schlimm, denn der Autor kann schlicht und ergreifend gut schreiben. Der erste Teil des Buches beinhaltet die Musikgeschichte dieser Zeit, die Auftrittsbedin-gungen, das Equipment, die damalige Struktur der Plattenindustrie und Musikpresse. Schlicht alles, von einem Kapitel über aus Holland kommende Indonesier Bands bis hin zu den benutzten Bandbussen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den damals agierenden deutschen Bands. Das Buch ist interessant für jeden, aber natürlich für alle, die in dieser Zeit ihre Jugend verbrachten, ein Muß!

Fehri

PS. Verdammte Druckfehler: Mascis heißt Mascis und nicht Masis. Pardon!


musicIch gestehe,

daß man, wenn man in dadaistischen Lautgedichten von Tristan Tzara mehr Sinn erkennt, als in den meisten Gesprächen, die man so mitbekommt, in einen kritischen Bereich kommt. Aber bei den momentanen Debatten in Deutschland überkommen mich zwangsweise Herbstdepressionen. Künast von den unsäglichen Grünen verabschiedet sich vom MultiKulti-Begriff und faselt von linker Einwanderungspolitik. Ich verstehe das nicht. Wieso reden rechte Politiker in einer rechten Partei über was auch immer für linke Politik? Den Linken nimmt den Brüdern und Schwestern ja wohl hoffentlich keiner mehr ab. Und die deutsche Leitkultur? Das ist stramm. Ich möchte die Diskussion aber um einen sicherlich überzeugenden, weil realistischen Begriff erweitern. Wir sind doch in Wahrheit dabei, eine MultiEthnie NullKulti Gesellschaft zu bosseln. Auch der Türke darf in den Container! Aber bloß kein Buch mitnehmen. Da, wo alle gleich blöd sind spielt die Herkunft keine Rolle mehr. Andere Länder sind mit Einwanderungserleichterungen doch viel weiter. In Frankreich ist die Tradition, daß junge Männer aus ganz Europa sich zur Legion melden können, doch ein gelungenes Beispiel für Integration. Und auch bei unseren Jungs Richtung Stalingrad waren doch damals Finnen, Ungarn, Rumänen, Italiener und viele andere Nationen dabei. Und die Waffen SS erst. Ein Völkergemisch ohnesgleichen würden verbohrte Nazis dazu sagen. Also es gibt viele Möglichkeiten, Deutsch zu werden bzw. Ausländer aufzunehmen. Warum sollte beim nächsten Balkankrieg keiner, dessen Eltern aus Anatolien stammen, die Bomben werfen? Kann man nicht über konsequent deutsches Handeln auch als Ausländer Deutsch fühlen lernen?

Scharping und Fischer tut was für Euer Geld! Ich will eine Fremdenlegion als Beitrag integrativer Rot-Grüner Friedenspolitk! Prost!

Dafür sind wenigstens einige großartige Scheiben zum Herbst rausgekommen. In trüben Tagen kann man erst einmal mit J. Masis & The Fog sich "More Light" (Cityslang) wünschen. Natürlich klingt dies hier nicht wesentlich anders als seine Dinosaur Jr. Platten. Aber der Meister ist nicht in seiner depressivsten Phase. Die Musik ist sogar ziemlich treibend und rockig und sein unverwechselbares Gitarrenspiel dürfte hoffentlich bekannt sein, alles andere ist die gewohnte Melancholie.

Und damit geht es bei Johnny Cash nahtlos weiter.American III: "Solitary Man" (Columbia) ist ganz sparsam instrumentiert, meistens nur Gitarre und Klavier und Cashs Stimme, die einem unter die Haut geht. Die meisten Stücke sind Cover von Neil Diamond bis hin zu Nick Cave's "The Mercy Seat", das er meines Erachtens nach optimal interpretiert, weil er eben nicht, wie bei den meisten Leuten, die covern, nur fremde Stücke nachspielt. Für Leute, die Angst vor traditionellem Country haben, sei gesagt, daß das hier kaum zu finden ist. Cash stellt sich als alter Einzelgänger und Außenseiter dar, nicht als Rodeobruder.

Isolation Dub und kein Ende. Natürlich gibt es auch moderne Musik, die zum Herbst passt. "Greetings from Birmingham" (Hymen) von Scorn zum Beispiel."Technoid noises for collapsing people" soll das sein und ist wie immer dumpf und scheppernd. Eines meiner musikalischen Aha-Erlebnisse war vor langer Zeit die Metal Box von Pil (meine Güte, das ist fast 20 Jahre her). Wer das damals mochte, findet sowas nun in Elektrosound und frischer. Für den normalen Technofreund ist dies hier allerdings mit Sicherheit jenseits von allem. Wippen statt Zappeln.

Ganz knapp noch reingekommen ist die CD der Düsseldorfer Mexican Allstars, die viele bestimmt schon live gesehen haben. Die gleichnamige CD (Rolf & the Mexican Allstars) ist nach vorn gehender Metal, richtig kräftiger Sound. Da muß man sich keine Chilli Peppers kaufen. Wer mehr wissen will, sollte mal auf die Triggerfish-Seite (www.triggerfish.de) ins Netz gehen. Anspieltip 2nd Chance!

Fortuna hat in Aue gewonnen. Jubilate! Wo ist Aue? Was ist Aue? Wer ist Aue? Aua!

Gadji beri bimba blob und tschüss....

Fehri


musicSPARE PARTS

Neues Jahr, neues Glück. 2001, Odyssee im Alltag. Und schon regnet es interessante Fakten am Rande. Das gegenwärtige Rentenniveau in Deutschland kann nur durch massive Einwanderung oder die Anhebung des Rentenalters und der Beiträge gehalten werden, so die Schlussfolgerung einer neuen Studie der UN zum Bevölkerungswachstum. Um die Bevölkerung bis zum Jahr 2050 stabil zu halten, müsse zB. Deutschland 17 Mio Einwanderer ins Land lassen. Noch ausgeprägter ist der Bedarf an einwandernden Menschen in der gesamten EU: Sie muss 674 Mio Einwanderer aufnehmen, um gegen Überalterung und Rentenverlust anzugehen. Da das illusorisch erscheine, sehen die "Experten" nur eine Lösung: Anhebung des Rentenalters von 65 auf 75 Jahre (warum nicht gleich auf 85, da hätte man die nächsten 50 Jahre gleich mit drin), Senkung der Rentenzahlungen und die Erhöhung der Rentenbeiträge. Geht dem Rassismus, der seine Wurzeln im nationalistisch-humanbiologistischen Schwachsinn hat, also wenn überhaupt dann nur aus ökonomischen Gründen die Luft aus? Zeit heilt alle Wunden? Nicht wirklich...derzeit entblöden sich offizielle Figureheads nicht, ungehemmt von einer "deutschen Leitkultur" zu schwadronieren und die Stimmung unter den Primaten, die nie und nimmer über den Tellerrand des eigenen Egos schauen würden, wie immer prima anzuheizen. Und unter Internationalismus haben wir eigentlich auch immer was anderes verstanden als Globalkapitalismus. Trotzdem lässt sich siegen, ihr wisst das doch, oder? Kein Zweckoptimismus, sondern ein knisterndes Wissen. Seid stur, seid beweglich, seid schlauer, seid schneller, macht mehr und überlasst es bloss nicht den anderen. Und dann guckt euch den ganzen Kram nochmal an, haut das Kartenhaus um und macht es wieder anders. Tusch. Die Platte, die das letzte Jahr so kurz beschloss, muss hier nochmal vorgestellt werden: SCAVENGERS von der brillianten Band CALLA (quatermass / EFA). Das texanische Trio ist jetzt nach Brooklyn gezogen und erstellt dort sehr sanfte rasiermesserscharfe fragile Keulen, die in der Dunkelheit schimmern. Calla sind keine Rocker, aber auch keine blöden Indieomaten, die jetzt auf einmal anfangen, in offenen Elektronikkisten zu wühlen. Sie sind ganz 1fach eine Klasse für sich, halluzinieren in Wachträumen und nehmen einer abge-dunkelten Ästhetik Prätentiösität und Kitsch. Von der "electronic division" des SUB ROSA-Labels zum Unterlabel "le coeur du monde", und dort zu einer der Platten des Jahres: INUIT - fifty-five historical recordings versammelt traditionell grönländische Musik aus den Jahren 1905-1987, die einmal mehr zeigt, dass marginal beachtete Wurzeln der sog. Folkmusik bzw. "Minoritärenmusik" bewegender in Stil, Form und Ausdruck sein können als der allmonatliche Ausstoss der Kulturindustrie, der zum automatischen Tollfinden in den Musikmagazinen Pre-Set-artig abgefeiert wird (natürlich mit Diskurs-Vokabeln versehen). Die Stücke aus Ost- und Westgrönland, Uummannaq-Upernavik und den kanadischen Territorien überzeugen durch eine ganz eigene Klasse, die sich in den unterschiedlichsten Ensembles und Instrumentierungen auszeichnet. Aufgenommen vom britischen Ethnologen Thalbitzer und gesammelt vom dänischen Ethnomusikwissenschaftler Michael Hauser. Dickes Booklet mit Anmerkungen zu ALLEN Songs. Es kann nur ein Fazit geben: Don't miss this one! Und dann holt uns die Gegenwart ein: die Platte von LESSER schreit nach Aufmerksamkeit! Gut, geben wir GEARHOUND (Matador) mal locker die Höchstnote, nur: für was eigentlich? Wahrscheinlich für die unvergleichlich gelungene Mischung aus Sound, Attitude und Weirdness. Als Vergleichspunkt zum letzten Jahr lasse ich hier nur die Jamie Liddl Platte gelten: Lesser lässt es krachen, fiepen, bruzzeln und explodieren, ohne Rücksicht auf Verluste. Seine Anfänge liegen in der "alternative Spacken"-Szene von San Diego, deren gelangweilte Sonnenbrände er bald mit dem Metallkamm bearbeitete. Hier ist endlich mal wieder jemand, der Punk wirklich verstanden hat und auch bereit ist, das O.R.A.V. in der Jetztzeit zu leben. Und noch nichtmal auf die Experimentalklischees fällt der Guteste rein - wunderbar! Prätentiösisten und amtliche Stilliebhaber können den Superweirdo wirklich am Arsch lecken, er kollaboriert weiter mit Kid 606 und kann von Glück sagen, dass Matador derzeit so eine grosszügige Einkaufsliste hat, um so einen kranken Komiker ins Haus zu lassen. Demnächst auch in deinem Haushalt: Nervengift für Langeweiler. Ein "schöneres" Konzept wurde hingegen auf der Compilation CASHIER ESCAPE ROUTE (City Centre Offices) umgesetzt: solvent, to rococo rot, pole und 14 weitere Acts setzen Musik für den Ort um, in dem sich ja dann doch alle treffen: dem Supermarkt. Ein Jahr dauerte das Sammeln der sämtlich exklusiven und unveröffentlichten Tracks, samt und sonders geht es hier um sehr ansprechende erweiterte Elektronik. Einige Tracks klingen mir zu sehr retro von der Klangästhetik her, aber es gibt ja bekanntlich auch Retro-Supermärkte, da passt das dann ja. Die "moderneren" Ästhetiken aber versetzen die Ohren in spannungsvolles Schwingen, das funkt dezent, und wieder verschwindet etwas mehr in der Jacke. Eines der erfreulichsten Comebacks derzeit ist sicherlich das Wiederauftauchen von TUXEDOMOON. Anstossgeber war DJ Hell, eingefleischter Uraltfan der Band, der Gründungsmitglied Steven Brown in Mexico City traf und nach Respektbezeugenetc ohne Zögern die Klassiker "What Use" und "No Tears" auf seinem Label GIGOLO veröffentlichte. Remixe gibt's dazu natürlich auch, wobei Hans Platzgumer's harter Techstomp Mix von No Tears wirklich neue Akzente setzen kann, die anderen Remixe (u.a. 2 mal Detroit) betonen eher den Labeltypischen Elektro-Aspekt. Wer TUXEDOMOON aber live zu ihrer besten Zeit hören will, kommt um die Doppel-CD TEN YEARS IN ONE NIGHT (materiali sonori / artelier media) nicht herum. Hier sind nicht nur Musiker, sondern auch Soundarrangeure am Werk: wunderschöne Versionen von "The Waltz" oder "The Cage", aber auch durchweg die Kracher wie "Desire", "Nervous Guy"oder "No Tears". Die Aufnahmen sind meistens aus der Zeit 85-88 aus verschiedensten europäischen Konzerten, die Klangqualität ist überdurchschnittlich gut. Durch die grosse Gig- und Stückauswahl entsteht ein einmaliges Panorama der Ausnahmeband. Kompletter Stilbruch jetzt und endlich Zeit und Platz, die äusserst empfehlenswerten Compilation des Londoner BBE-LABELS hier mal anzupreisen. Zum ersten: der Begriff "Disco" geisterte vor Jahren in Retroeuphorie durch die subkulturellen Medien und wurde untersucht auf Subversivität und Stilpolitik. Jetzt, wo sich das Gerausche komplett gelegt hat, kann ganz unspektakulär eine in jedem Sinn des Wortes riesige Compilation zum Thema erscheinen, doch nicht etwa die üblichen Glamour-Verdächtigen tummeln sich auf satten 3 CDs, nono: vielmehr den Sound of Underground Disco hat DIMITRI ROM PARIS auf DISCO FOREVER (BBE) stil- und geschmackssicher zusammengetragen. Da tauchen Acts auf, nach denen man wirklich nicht gerade gesucht hat, die aber in der Plattenkiste und zur richtigen Zeit eine Offenbarung sein können! Zweitens: THE NU JAZZ GENERATION II (BBE) compiled ebenso stilsicher - das Wort trifft hier wie kein zweites - sehr freestylig produzierten aktuellen Soul-Jazz-House, der viel zu schön ist, um nur etwa schick zu sein. Gute Entdeckungen wie Christian Zimmermann's "Diary of a lost girl" lohnen sich. Zum Dritten: JAZZ SPECTRUM 2 (BBE) sammelt unter den Händen von Bob Jones "real jazz for real people", das heisst: Dance Jazz-Klassiker der 70er bis heute, und das reicht von Ryo Kawasaki's Fusion-Nugget "Trinkets & Things" über Freddie Robinson's Juwel "Black Fox" bis zu Brasil-Dance und Cuba-Classics wie Irakere. Recommended! Zum Vierten: die Doppel-CD-Compilation BEATS & PIECES (BBE) ist schon etwas älter, aber keineswegs abgenutzt: zum Soul & Jazz-Vibe des Labels kommt hier noch der Funk ins House, der die Tracks stets in Bewegung hält. Artists wie Kerri Chandler, Maurice Fulton, DJ Spinna, Kenny Dope oder Nuyorican Soul sollten genug dazu sagen, oder wie wär's mit Groover Washington Jrs "Sausa-lito" oder dem schweisstreibenden "Sausalito" der Ballistic Brothers? Der Knacker aber und ab-schliessende fünfte Sampler ist FUNK SPECTRUM II (BBE): wem die Tracks bisweilen noch zu schmoov sind, sollte hier reinhören, denn hier gibt's Rohkost-Funk, compiled von Kenny Dope und Keb Darge. Natürlich "real funk for real people", und die zwei CDs brennen ein Feuerwerk von raren Funk-Gems ab. Für alle BBE-Compilations gilt, dass sie von Leuten zusammengestellt wurden, die die Musik wirklich lieben, von der sie naturgemäss eine Menge verstehen. Means: you can trust 'em. Nicht so begeisternd hingegen STYLE AFTER WORK (Electric Lounge), die Nachfolgecompi zu THE CITY COLLECTION: war dort schon neben einigen netten Hängern einiges an Boutiquenfutter vertreten, dominiert hier eine lässigblöde Neo-Yuppie-Ästhetik, die nur noch absuckt. Wenn der Grafikdesigner dieser CD so aussieht wie der miese Comic-Handy-Macho im Innencover, würde mich das nicht wundern. Der Trend ist klar: after-work-parties, after-work-music, after-arschlecken. Ich hab nicht das Geld und die Zeit für sowas. HipHop, bei Fuss! Heuer hat's zwei Platten, die ich Euch empfehlen möchte: GRAND AGENT ist der gelassen agierende Wortschmied Jared Taylor aus Philadelphia, der seine Verse auf BY DESIGN (Groove Attack) also wirklich ziiiemlich entspannt und aber ergo sehr schnell in die Mikroleitung gibt. Vor 5 Jahren startete er mit einer Gruppe namens "Name", und man könnte meinen, viele Worte sind des grossen Agenten Ding nicht, aber von wegen! Kollabs Planet Asia, die Single "Every Five Minutes" produziert von Kut Masta Kurt, das passt alles zusammen und ist auch so gut, wie's klingt. Der andere Joint: ein HipHop-Muss! EGOTRIPS "THE BIG PLAYBACK" (Rawkus) versammelt definitive HipHop-Klassiker der 80er Jahre. Divine Force, Marley Marl, Grandmaster Caz, The Alliance &&& - kein historischer Nachhilfeunterricht, sondern frischester Stoff für heute! Wow, das "Buch des Raps" - das gibt es wirklich! - zum Hören, real cool. Zum Schluss noch ein Blick auf KANTE. Den Zweitling ZWEILICHT (Kitty Yo) halte ich, bei aller Sympathie für Kitty Yo, für masslos überschätzt. Während einige kritiklos "ein neues Modell / Konzept etcpp" abfeiern, höre ich nurmehr Suppenwürfel in soft. Gefühlvoller Diskurspop mit fluffiger Akademiegarantie. Ehemalige Spex-Studenten, die nie ihre verdammte Vergangenheit abgearbeitet und exkommuniziert haben und jetzt vor den Toren der Spassgesellschaft im Gras hocken und sanft, bestimmt und vor allem mit Unschärferelation musizieren wollen. Improvisatorisch-elegische Elemente sind natürlich auch dabei, und sogar ein kleiner Uptemporocker, der die Prätentiösitäten aus der Balance holen soll, aber: sie lassen ihn in der Wiege liegen, oder besser: verhauen ihn. Armer kleiner Rocker. Kopf steht hier immer vor Bauch, obwohl's immer so sehr anders gewünscht wird, und das hört man, und wie soll dabei gute Musik bei rauskommen? Für Konzeptaddicts natürlich ein Frass, aber - sorry, ich habe so etwas wirklich zur Genüge serviert bekommen, ich höre wirklich lieber einfach gute Songs. Oder soetwas: DYNAMITE von EC8OR und die TOO DEAD FOR ME EP von ATARI TEENAGE RIOT (Beide auf Digital Hardcore), wo es um die 58 illegalen chinesischen Einwanderer geht, die auf ihrem Weg nach UK im Container verreckten. Da stimmt das dann wieder mit dem Diskurs, und der Kreis schliesst sich - vorerst.

MARCUS