Solidarität erforderlich!

Ende letzen Jahres schlug die bundesdeutsche Repressionsmaschinerie wieder zu: Ingesamt vier Leute aus linken und antirassistischen Gruppen wurden aufgrund zweifelhafter Denunziationen festgenommen und inhaftiert. Ihnen wird die Mitwirkung an - inzwischen längst verjährten - Anschlägen der "Revolutionären Zellen/Rote Zora" (RZ) vorgeworfen. Ende Januar werden zudem noch zwei weitere Linke als angebliche RZ-Mitglieder in Frankreich verhaftet.

Die Revolutionären Zellen sind seit der Auflösungserklärung einer ihrer Gruppen 1992 nicht mehr als einheitliche Untergrund-Gruppierung in Erscheinung getreten. Selbst das Bundeskriminalamt geht nicht mehr davon aus, "daß die RZ noch existieren". Warum also Verhaftungen aufgrund angeblicher Mitbeteiligung an längst verjährten Straftaten? Vieles deutet darauf hin, daß die Verhaftungen zugleich ein Mittel sind, um eine antirassistische Arbeit zu diskreditieren und linke AktivistInnen mit repressiven Mitteln einzuschüchtern und zu kriminalisieren. Der Verhaftete Harald Glöde - einsitzend im Düsseldorfer Knast auf der Ulmer Höh'- war Mitbegründer und Aktivist der "Forschungsgesellschaft Flucht und Migration" (FFM), die sich tatkräftig gegen die rassistische Flüchtlingspolitik engagiert. Zudem scheinen die Staatssicherheitsorgane trotz der Auflösungen bewaffneter linker Gruppierungen nach wie vor den politischen Ausnahmezustand vorexerzieren zu wollen, um die vorhandene staatliche Repressionsmaschinerie öffentlich rechtfertigen zu können. Anders ist die polizeiliche Verwüstung des linken Berliner Zentrums "Mehringhof" durch über 1000 Polizeibeamte schwerlich zu erklären. Angeblicher Anlaß eines solchen "Notstands"-Einsatzes mit einem Sachschaden von an die hunderttausend Deutschmark war eine - logischerweise vergebliche - Suche nach einem angeblichen Waffen- und Sprengstofflager der RZ. Die Verhaftungen sind zudem ein trauriges Resultat eines schon pathologischen Verfolgungswillens innerhalb der bundesdeutschen Staatssicherheit: Jahrzehntelanger Frust über erfolglose RZ-Fahndungen scheint dort dazu geführt zu haben, daß nun mit dubiosen Anschuldigungen von zwei verhafteten Denunzianten "rechtsstaatliche Rache" verübt werden soll. Denn außer jenen - über Kronzeugenregelung und angedeutete Haftverschonung erpressten - dubiosen Anschuldigungen liegt überhaupt kein rechtsstaatlicher Verhaftungsgrund vor. Den Stein ins Rollen brachte dazu die Verhaftung des in den siebziger Jahren untergetauchten RZ-Aussteigers Hans-Joachim Klein 1998 in Frankreich und seine Auslieferung in die BRD. Pikanterweise sind es gerade die grünen Oberrealo-Strategen Fischer und Cohn-Bendit, von denen eine brisante Spur zu Klein führt. Cohn-Bendit brüstete sich früher damit, Klein die klandestin organisierte "Rückkehr in die Menschlichkeit" ermöglicht zu haben. Er unterstützte ihn in seinem französischen Exil und verkaufte dies sowie zugleich Kleins Räuberpistolen als heroischen Akt der Humanität. Da der RZ-Aussteiger schon etliche Besuche in seinem Versteck erhielt, sogar Zeitungsinterviews gab und Publikationen gegen die RZ-Aktivitäten erstellte, ist davon auszugehen, daß der Unterschlupf nicht mehr allzu geheim war und Kleins Verhaftung möglicherweise zu einem "günstigen Zeitpunkt" erfolgt ist. Denn der grüne Außenminister, der heute regierungsamtlich Bomben schmeißen läßt, hätte durch Belastungen Kleins vielleicht einen ziemlichen "Kollateralschaden" vor der letzten Bundestagswahl erleiden können. Die Schußwaffe, mit der eine RZ-Gruppe den hessischen Wirtschaftminister Karry erschoß, war in den Siebzigern in Joseph Fischers PKW gefunden worden. Allerdings schadete die Verhaftung Kleins dem zum staatstragenden Kriegsstrategen mutierten Ex-Radikalen nicht bei dessen Wahl zum Außenminister. Fakt ist allerdings, daß der inhaftierte Klein durch Denunziation den Auftakt für die Verhaftungen gab.

Weitere Tipps erhielten die Verfolgungsbehörden von dem Deutsch-Palästinen-ser Tarek Mousli (s. Foto), der aufgrund des Verdachtes der Sprengstoffhortung für die RZ festgenommen und erfolgreich durch die Mangel gedreht wurde. Der Berliner Karatetrainer Mousli - konfrontiert mit weiteren Anschuldigungen - versucht nun seinen Kopf zu retten, indem er dubiose Aussagen über angebliche RZ-Tatbeteiligungen der vier daraufhin Verhafteten machte. Da der Denunziant zudem über sein Karatetraining viele Aktive aus der linksraddikalen Szene kennt, ist zu befürchten, daß noch mehr Leute unter seinen dubiosen Aussagen zu leiden haben werden.

Solidarität!

Unabhängig von der Frage, ob den Verhafteten wirklich irgendwelche RZ-Bezüge nachgewiesen werden können, haben sie Solidarität von links verdient. Sie sind aufgrund von Denunziationen eingeknastet worden und ihnen werden verjährte Straftatbestände zur Last gelegt. Als aktive Linke sollen sie den Kopf hinhalten für eine staatliche Machtdemonstration, mit der vermittelt werden soll, daß radikaler Widerstand von links in der BRD mit allen Mitteln unterbunden wird. Obwohl die Zeit des bewaffneten linken Aufbruchs längst vorbei ist, soll mit diesem staatlichen "Rachefeldzug" augenscheinlich zugleich antirassistischen und antifaschistischen Bewegungen die Repressionskeule vor die Nase gehalten werden.

In Düsseldorf hat dies am 14.1. zum Gegenteil geführt: Ca. 200 Leute aus linken und antirassistischen Gruppierungen versammelten sich in Derendorf, um eine Protestkundgebung vor der Ulmer Höh' abzuhalten. Dort ist zur Zeit der FFM-Mitbegründer Harald Glöbe, inhaftiert. Nach dem Motto "gemeint sind wir alle" wurde über Redebeiträge verdeutlicht, daß die Verhaftungen zugleich als staatlicher Angriff auf antirassistische und linke Netzwerke interpretiert wird. Auch in anderen Städten gab und gibt es öffentliche Solidarität mit den Verhafteten. Die Forderung der sich formierenden Solidaritätsbewegung ist eindeutig: Sofortige Freilassung der Inhaftierten!

Spenden sollten überwiesen werden auf das Solidaritätskonto:

Postbank Berlin
Stichwort: "Freilassung"
Kontoinhaber: Martin Poell
BLZ: 100100 10 - Kto: 2705-104
Weitere Infos via Internet über: http://freilassung.de


«Jedes Herz ist eine revolutionäre Zelle!»

Wege und Irrwege der radikalen Linken

Die "Revolutionären Zellen/Rote Zora" sind in der BRD für die radikale Linke zu einem Mythos geworden. Während sich die bürgerliche Presse seit dem Aufkommen bewaffneter linker Gruppen nahezu ausschließlich mit der RAF als "Staatsfeind Nr. 1" beschäftigte, galten die "RZ" vor allem in den Hochzeiten der Autonomen-Bewegung in den achtziger Jahren als Identifikationsobjekt der radikalen Linken. Im Unterschied zur RAF wie auch teilweise zur "Bewegung 2.Juni" vollzogen die autonom operierenden Gruppen der RZ ihre militanten Aktionen nicht aus der persönlichen Illegalität heraus. Statt "Abtauchen" war dort vielmehr Mitarbeit in den diversen Kampagnen und Bewegungsströmungen der radikalen Linken angesagt. Dies bedeutete für die Linksradikalen der RZ, sowohl aktiver Teil der "legalen" Linken wie auch zugleich anonymer Teil einer illegalen militanten Praxis zu sein: Ein Unterschied in der Organisierungsform, der den RZ seitens der "Illegalen" aus RAF und auch dem 2. Juni wiederkehrend den Vorwurf einbrachte, nur "halbherzig" für die revolutionäre Sache und vor allem für die Praxis einer "Guerilla" in der BRD einzustehen. Unter den heutigen politischen Verhältnissen mit einer völlig marginalisierten Linken erscheinen solche Auseinandersetzungen für viele Linke irrig, aber in der Zeit des neu-linken 68er-Aufbruchs war der Anspruch auf "Revolutionierung der Massen" und "antiimperialistischer Befreiungskampf" in den Metropolen in der Linken ein breit debattiertes Thema. Nach dem 1970 verkündeten Aufbau einer "Roten Armee" durch die RAF und dem folgenden "Konzept Stadtguerilla" wurde heiß gestritten um die Frage, ob nun mehr auf die "revolutionären Massenkämpfe in den Metropolen" oder eher - in antiimperialistischer Manier - auf die "kämpfenden Völker" im Trikont mit einer von der lateinamerikarischen Guerilla abgekupferten Konzeption zu setzen sei. Im Gegensatz zur RAF setzte die 1972 gegründete "Bewegung 2. Juni" auf den "Aufbau einer Organisation verschiedener autonomer Gruppen der Stadtguerilla", die sich eher als eine Art von militanter Basisgruppe für die hiesigen sozialen Kämpfe verstand. 1973 trat dann erstmals eine "Revolutionäre Zelle" mit einem Anschlag auf ITT-Niederlassungen in Erscheinung, um ein antiimperialistisches Signal gegen den Militärputsch in Chile zu setzen: "Der Kampf kann nur massenhafter werden, wenn wir lernen, neue Kampfformen zu entwickeln. Kämpfen wir gemeinsam gegen den BRD-Imperialismus" hieß es in der ersten RZ-Anschlagserklärung. Die RZ - schon bald den Plural "Zellen" benutzend - versuchten sich vom Avantgarde-Konzept der RAF abzusetzen und über militante antiimperialistische Aktionen sowie zugleich mit Anschlägen in Bezugnahme auf hiesige soziale Kämpfe eine enthierarchisierte Verbreiterung militanter Praxis zu erreichen. 1975 erschien die erste Ausgabe einer illegal vertriebenen eigenen Zeitung. Im "Revolutionären Zorn Nr.1" hieß es: "Was wir wollen, ist die Gegenmacht in kleinen Kernen organisieren, die autonom in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen arbeiten, kämpfen, intervenieren, schützen, die Teil von der politischen Massenarbeit sind. Wenn wir ganz viele Kerne sind, ist die Stoßrichtung für die Stadtguerilla als Massenperspektive geschaffen."

Solche nahen Revolutionshoffnungen kamen der Linken jedoch schon bald abhanden: Deutscher Herbst, das Abflauen außerparlamentarischer Auflehnung und nicht zuletzt auch verblendete Aktionen und Rechtfertigungen eines bewaffneten Teils der radikalen Linken führten zu einem beginnenden Skeptizismus gegenüber einer baldigen Revolutionierung der Verhältnisse, der auch die RZ ergriff:

"Wir (hatten) uns am Ausgangspunkt von Massenbewegungen geglaubt, die die verschiedensten Sektoren der Gesellschaft erfassen würden... Vor diesem Hintergrund entstand ein Konzept des bewaffneten Kampfes, in dem die Stärkung der Masseninitiativen durch klandestin operierende autonom und dezentral organisierte Gruppen der erste Schritt eines langwierigen Angriffs auf die Macht sein sollte. Angriffe gegen zentrale staatliche Institutionen halten wir zur Zeit für politisch unmöglich: wir können die Machtfrage nicht stellen! Wir führen keinen Krieg!" (Revolutionärer Zorn Nr.6/1981) Eine Stellungnahme, die sich auch als deutliche Entgegnung zur RAF-Strategie lesen lässt und die aufzeigt, daß auch die eigene Praxis kritisch reflektiert wurde. Das Organisationskonzept der RZ stellte nicht nur einen wesentlich höheren Schutz dar für die eigenen Leute sowie für die klandestine Struktur. Das gleichzeitige Mitwirken der Militanten in den sozialen Bewegungen ermöglichte zudem auch eher ein Reflektieren über die eigene Theorie und Praxis - eine Möglichkeit, von der die RZ nur zum Teil Gebrauch machten...

Robin Hood für die Linken und Unterdrückten?

Die Aktionen der RZ waren vielfältig und spiegeln zum großen Teil die sozialen Kämpfe von den siebziger bis zu den neunziger Jahren. Anschläge gegen Spekulanten und Frauenhändler, gegen AKW-, Gen- und Biotechnolo-gie-firmen, gegen Kriegspro-duktionen und Militäreinrich-tungen, gegen Richter und Staatsanwälte, gegen Ausländerbehörden und Bürokraten... mit Sprengstoff, Feuer, Knarre und auch mit viel militanter Phantasie wurde Front gemacht gegen die Normalität kapitalistischer Gewalt. Viele Aktionen erzeugten dabei mehr als nur klammheimliche Freude: Die Aktionen der RZ riefen auch Nachahmungen hervor und waren in der heißen Zeit der Autonomen teilweise nicht von anderen militanten Auseinandersetzungsformen im Häuserkampf oder am Bauzaun zu unterscheiden. Manchmal mußte es sogar der legalistischen Linken schwerfallen, eine RZ-Aktion standhaft zu kritisieren; etwa als 1986 über einen Lüftungsschacht die Computer des Kölner Ausländerzentralregisters zum Absturz gebracht und somit viele zur Abschiebung "freigegebene" Flüchtlinge erst einmal wieder anonymisiert wurden. Bei der RZ stand nicht nur Destruktion, sondern auch Produktion auf der Tagesordnung: Gegen Fahrpreiserhöhungen wurden illegal Fahrscheine in Hunderttausender-Auflage nachgedruckt und verteilt; genauso Lebensmittelgutscheine für Obdachlose: "Für uns ist diese Aktion nur ein Anfang. Wir sind der Meinung - wie die Genossen in Italien, Frankreich und Südamerika - daß auch in der BRD den Armen das gegeben werden muß, was die Reichen ihnen nehmen, bis sie es sich selber holen. Friede den Hütten, Krieg den Palästen!" (RZ, Ostern, 1976) Als zwei Obdachlose daraufhin nach Einlösung dieser Gutscheine zu Geldstrafen verurteilt wurden, fackelte eine RZ dem verantwortlichen Richter sowie dem Staatsanwalt in bester Robin Hood-Manier die Karre ab - Aktionen, bei denen nicht nur unverbesserlichen Linksradikalen ein warmer Schauer durchs gebeutelte Herz ging. Politischer Mord sollte zwar laut einer RZ-Grundsatzerklärung ausgeschlossen sein, nicht jedoch die Schußwaffe, von der die RZ wiederholt Gebrauch machte. In IRA-Manier wurden beispielsweise dem Chef der Berliner Ausländerbehörde Knieschüsse verpasst und auch auf andere Beamte und Richter wurde geballert. Eine Praxis, die 1981 beim hessischen FDP-Wirtschaftsminister Karry nach erlittenem Bauchschuß zum Tode führte. Ein "Unfall", wie die verantwortliche RZ in einem nicht gerade gewissensgeplagten Bekennerschreiben bedauernd bekundete: "Daß Karry durch diesen Zufall die Reise in die ewigen Jagdgründe antreten mußte, bekümmert uns ausschließlich insofern, als dies nicht geplant war, wir damit das Aktionsziel verfehlten."" Auch bei anderen Aktionen war die RZ bei der Wahl ihrer Mittel nicht immer zimperlich. Zum Teil führte eine solche militante Praxis zu zweifelhaften Erfolgen: Beispiel für einen solchen "Erfolg" ist die militante Kampagne der Frauengruppe "Rote Zora" gegen die Textilbekleidungsfirma Adler. Schon in den Siebzigern entfalteten "Frauen aus der RZ" eine militant-feministische Praxis. Die "Rote Zora" entwickelte sich aus RZ-Zusammenhängen, entfaltete eine autonome Praxis und löste sich nach internen Auseinandersetzungen organisatorisch von den RZ. Zur Streik-Unterstützung südkoreanischer Arbeiterinnen gegen ihre Ausbeutung durch die Firma Adler zündete die Rote Zora eine Bombe in der deutschen Hauptfiliale und deponierte wiederholt Brandsätze in den Kaufhausfilialen der Bekleidungsfirma. Zwar hatte die Aktion letztlich positive Folgen für die Forderungen der streikenden Arbeiterinnen. Allerdings ist kritisch zu hinterfragen, ob Brandsätze in Kaufhäusern überhaupt als militante linke Praxis zu rechtfertigen sind, denn solche Aktionen bedrohen unbestreitbar auch völlig unbeteiligte Menschen. Das Hantieren mit Sprengstoff hat auch in den eigenen Strukturen zu furchtbaren Konsequenzen geführt: 1978 versuchte ein RZ-Militanter einen Sprengsatz am argentinischen Generalkonsulat in München zu deponieren. Bei der Überprüfung explodierte ihm die Ladung, die ihm beide Hände abriss und zu seiner Erblindung führte. Dies hinderte das bayerische Landeskriminalamt übrigens nicht daran, den unter Psychopharmaka gesetzten verkrüppelten Menschen schon Tage nach seiner Krankenhauseinlieferung in Foltermanier zu verhören. Auch Nachahmungen von RZ-Sprengstoff-Aktionen führten zu Verletzungen der Beteiligten. Es ist daher grundsätzlich zu hinterfragen, ob solche propagierten und durchgeführten Sprengstoff-Aktionen dem RZ-Ziel einer Entfaltung von Massen-militanz überhaupt dienlich gewesen sind.

Welche Zelle für welche Revolution?

Fakt ist mit Rückblick auf die Geschichte der RZ, daß von der RZ als konstant politisch homogen strukturierter Gruppe mit diversen "Aktionseinheiten" nicht gesprochen werden kann. Die Liste der Anschlagserklärungen ist zwar groß. In ihr finden sich jedoch sowohl völlig unterschiedliche Politikansätze wie auch ein unterschiedliches Verhältnis zur Vertretbarkeit gewalttätiger Mittel. Dies hatte seine Ursache nicht nur darin, daß einige Militante im Laufe ihrer Entwicklung scheinbar zu veränderten Einstellungen gekommen sind. Anschlagsziele, Wahl der Mittel und Erklärungen zeigen auch, daß versucht wurde, gegensätzliche politische Vorstellungen unter dem Label RZ zu vereinigen. Nicht nur "Antiimps" (im linken Jargon die damalige "legale" Unterstützer-Szene der RAF) versuchten im Zuge des sog. "Front"-Konzeptes der RAF auf den RZ-Zug zu springen und dieses Label für ihre monolithischen "Block"-Vorstellungen von US-Imperialismus und "antiimperialistischen Volksbewegungen" zu nutzen - ein Versuch, der seitens der RZ durch eine ausführliche und auch heute noch lesbare Entgegnung über den Unterschied von Antiamerikanismus und Antiimperialismus beantwortet wurde. Auch dubiose Sprengstoffdeponierungen und Anschläge wurden unter dem RZ-Logo vollzogen, von denen sich die RZ distanzierten und von denen bis heute gerätselt wird, ob dabei Faschisten oder gar Staatsschutzorgane am Werke waren. Das Konzept "Schafft viele revolutionäre Zellen!" beinhaltete daher zugleich die Gefahr des Mißbrauchs der eigenen Ansätze. Allerdings ist auch bei der RZ im engen Sinne geschichtlich betrachtet nicht von einer einheitlichen politischen Ausrichtung zu sprechen. Vielmehr sind aus der Gründungszeit zwei gegensätzliche Strömungen und Politikansätze erkennbar, die - liest mann&frau die letzten öffentlichen Stellungnahmen der RZ - schon vor der fatalen Flugzeugentführung 1976 mit gewaltsamem Ende auf dem Entebber Flughafen in Uganda zu einer Linienspaltung innerhalb der RZ geführt haben. Die Offenlegung dieses Konfliktes ist zugleich das scheinbare Ende der RZ, und dies ist zudem das dunkelste Kapitel dieser militanten Gruppierung der radikalen Linken.

Auch wir haben mehr Fragen als Antworten...

Nun ist die TERZ nicht das geeignete Medium, um die Geschichte der RZ detailliert nachzuzeichnen. Sinnig und notwendig ist vielmehr die Frage, was aus der Geschichte dieses - am ehesten noch kritisch reflektierenden - Teils der bewaffneten Linken zu lernen ist.

Grundsätzlich ist im Rückblick erkennbar, daß die RZ sich im Laufe ihrer Geschichte immer zwischen unterschiedlichen Strategien bewegt hatten. Einerseits sollten vorhandene soziale Bewegungen und Kampagnen durch militante Aktionen unterstützt und radikalisiert werden. Militante Interventionen sollten dabei existierende politische Ansätze quasi stützen und festigen. Andererseits haben die RZ eigenständig politische Themen aufgegriffen und dazu eine militante Praxis entfaltet in der Hoffnung, damit eine breitere politische Bewegung anzustoßen. Besonders im Bereich der Flüchtlingspolitik ist dies rückblickend erkennbar. Schon 1978 - als der Linken das Thema Rassismus noch weitestgehend fremd war - führte eine RZ einen Anschlag gegen die Frankfurter Ausländerbehörde durch und begründete diese Aktion mit dem notwendigen Protest gegen staatlichen Rassismus. Auch im Bereich der autonomen Flüchtlingskampagnen waren die RZ mit ihren militanten Aktionen seit Ende der achtziger Jahre quasi militante Vorläufer einer heute noch in Ansätzen breiter existenten Bewegung. Allerdings ist festzuhalten, daß die RZ selber ihre Politik dazu als gescheitert erklärten. Dies wirft die Frage auf, ob angesichts der heutigen politischen Regulationsverhältnisse und Meinungs-bildungsprozesse militante Untergrund-Konzepte überhaupt eine politische Perspektive auf Erfolg haben. Es ist kritischzu hinterfragen, ob militante "Zellen"- Konzepte der heutigen, mit dem Rücken zur Wand stehenden und gesellschaftlich nahezu bedeutungslosen radikalen Linken überhaupt von Nutzen sein können. Eine "militante Massenperspektive" wie sie in den siebziger Jahren verkündet wurde, wäre heutzutage wohl unbestreitbar schiere Phantasterei. Eine undog-matische und antistaatlich sowie radikaldemokratisch orientierte Linke muß heute die Debatte über Radikalität und Mili-tanz grundsätzlich neu diskutieren. Eine Anlehnung an überholte Stadtguerilla-Konzepte führt dabei sicherlich nicht weiter. Gerade die "postfordistische Guerilla" EZLN aus Mexiko zeigt schließlich, daß heutzutage auch unter zugespitzten Klassen- und offenen Gewaltverhältnissen seitens der Linken neue Wege beschritten werden müssen, die sich jenseits eines klassischen "Bewegungskrieges" vollziehen. Dies gilt für die hiesigen Verhältnisse unter völlig anderen politischen Bedingungen natürlich erst recht. Fakt ist, daß den RZ eine Verbreiterung ihrer militanzorientierten Revolutionskonzepte nicht gelang. Auch die lesenswerten politischen Stellungsnahmen der RZ stiessen zumeist keine großen Debatten an: Außerhalb von Szeneblättern fanden sie größtenteils keine Erwähnung, und in der linksradikalen Szene wurden sie auch nicht gerade tiefgehend erörtert. Unter den heu-tigen Verhältnissen müßte eine radikale Linke völlig neu diskutieren, wie eine subversive Praxis mit neuen Mitteln und Zielrichtungen entfaltet werden kann. Mein-ungs-bil-dungsprozesse und Öffent--lichkeitsmobi-li-sie-rungen funktionieren heutzutage anders als in den Siebzigern. Zudem wäre grundsätzlich zu hinterfragen, ob eine radikale Linke unter hiesigen Verhältnissen mit bewaffneten Interventionen durch Untergrund-Gruppen überhaupt noch irgendeine "Revolutionierung" erreichen könnte.

Allerdings kann den RZ nicht nachgesagt werden, daß sie überhaupt keine politischen Fragestellungen zu entwickeln versuchten. Ihre Grundsatzpapiere wären auch heute noch bedeutungsvoll für linke Debatten. Dies gilt erst recht für die letzten (selbst-)kritischen Stellungnahmen aus RZ-Zusammenhängen vom Anfang der neunziger Jahre.

Dort sind Fehlentwicklungen offen benannt worden, aus denen die heutige Linke lernen sollte. Dies gilt im besonderen Maße für den "linken" Antisemitismus, der kaschiert als antiimperialistisch begründeter Antizionismus zu katastrophalen Auswüchsen nicht nur in der bewaffneten Linken der BRD geführt hat. Das Ausmaß eines solchen Irrweges zeigt sich unter anderem darin, daß erst der RZ-Militante Gerd Albatus, längere Zeit mitwirkend in der Düsseldorfer Linken, von einer durchgedrehten pälästinensischen Splittergruppe irgendwo im Libanon ermordet werden mußte, bevor sich eine RZ-Gruppe zu einer offenen Selbstkritik bezüglich der eigenen antisemitischen Auswüchse durchringen konnte. Auch wenn Antizionismus und Antisemitismus nicht völlig gleichgesetzt werden können, ist rückblickend eindeutig festzustellen: Eine deutsche Gruppierung, die "antiimperialistisch" verbrämte Vernichtungsparolen gegen Israel verkündet und gar gewalttätig gegen jüdische Einrichtungen oder gar Menschen vorgeht, ist mit allen Mitteln zu bekämpfen. Ein solcher sich links postulierender "Antiimperia-lismus" gehört endgültig auf den Müllhaufen der Geschichte. Die Selektionen jüdischer Passagiere bei der Entebbe-Flugzeugentführung durch ein RZ- und Palästinenserkommando war bei diesen antisemitischen Irrwegen nur die Spitze des Eisberges. Noch heute ist beispielsweise nicht endgültig geklärt, ob die Behauptungen des RZ-Aussteigers und Denunzianten Hans-Joachim Klein über weitere geplante RZ-Wahnsinnstaten nicht doch einen Wahrheitskern enthielten. Der RZ-Aussteiger Klein behauptete 1979 in seinem Buch "Rückkehr in die Menschlichkeit", durch öffentliche Bekanntmachung eine geplante Ermordung des damaligen jüdischen Berliner Gemeinderatsvorsitzenden und späteren Zentralratspräsidenten Heinz Galinski durch ein RZ-Kommando verhindert zu haben. Sollte diese Behauptung auch nur einen Funken Wahrheit enthalten, so müßte die Linke dem Denunzianten Klein für diesen "Verrat" für alle Ewigkeit dankbar sein. Die RZ jedenfalls dementierte weder diese Behauptung Kleins in aller Eindeutigkeit, noch das angeblich zugleich geplante Attentat auf den damaligen jüdischen Gemeindevorsteher in Frankfurt a.M.

Undurchsichtig hieß es in einer offenen Antwort der RZ auf H. J. Klein: "Galinski: ihr fahrt auf HJKs Horrorstory ab, statt zu überlegen, welche Rolle Galinski spielt für die Verbrechen des Zionismus, für die Grausamkeiten der imperialistischen Armee Israels, welche Propaganda- und materielle Unterstützungsfunktion dieser Typ hat, der alles andere ist, als nur 'jüdischer Gemeindevorsitzender', und: was man in einem Land wie dem unseren dagegen machen kann." (RZ: Die Hunde bellen, die Karavane zieht weiter, 1977) Eine Rechtfertigungs-stammelei für geschichtsvergessene Verschwö-rungs-phantasien, die wortwörtlich auch in der Nationalzeitung hätte stehen könnten. Es fällt angesichts solcher Ausformungen rückblickend schwer, Entschuldigungen für derartige Auswüchse in der radikalen Linken zu finden. Vielmehr ist schonungslos zu konstatieren, daß durchgedrehte Funda-menta-lismus- und Antisemitismus-Propagandisten wie die pseudolinke "Anitimperia-listische Zelle" (AIZ; eine sich selbst als RAF-Nachfolger ernannte Anschlagtruppe, bestehend aus zwei durchgeknallten Bombenlegern) tragischerweise nur als eine extreme Konsequenz eines sich links definierenden antizionistischen "Antiimperia-lismus" der bewaffneten Gruppen aus der BRD der siebziger Jahre betrachtet werden müssen. Sowohl RAF wie auch 2.Juni und Strömungen innerhalb der RZ-Gründerzeit haben über Strategiepapiere wie auch militante Aktionen die Grundlage für einen solchen Antisemitismus in der bundesdeutschen Linken gelegt. "Antiimperialismus" bedeutete dort zugleich Antizionismus, der quasi programmatisch viele Grundsatzerklärungen dieser Gruppen bis in die achtziger Jahre zierte und das Existenzrecht Israels als angeblich "künstlich-imperialistischem Staat" infrage stellte. Alle drei Strömungen der bewaffneten Gruppen hatten zudem Kontakte zu diversen palästinensischen Guerilla-Gruppen, in deren Ausbildungscamps sie für den "antiimperialistischen Kampf" geschult und auch eingesetzt wurden. Ein solcher "antiimperialistischer Kampf", dessen Schulung übrigens auch deutsche Neonazis genossen, beinhaltete nahezu zwangsläufig die Übernahme antisemitischer Auswüchse. Zwar sind diese Auswüchse in der BRD-Linken heutzutage glücklicherweise größtenteils nicht mehr "hip"; eine konsequente inhaltliche Auseinandersetzung mit solch einem geschichtsvergessenen Wahnsinn steht allerdings nach wie vor noch aus.

Trotzdem ist die Praxis der RZ nicht reduzierbar auf solche fatalen Ausformungen. Vielmehr zeigt sich an der Geschichte der RZ, daß es keine monokausalen Bewertungen über richtige und falsche Wege gibt im politischen Ringen um linke Postulate von Gleichheit und Gerechtigkeit, von Freiheit und Solidarität sowie um den Weg einer revolutionären Praxis. Die RZ waren Teil dieses Ringens um eine Bekämpfung kapitalistischer Aus-beu-tungs- und Gewaltverhältnisse. Sie haben versucht, durch die Entfaltung einer militanten Praxis Anknüpfungspunkte für eine Revolutionierung der Verhältnisse zu schaffen und aufzuzeigen, daß auch unter nicht-revolutionären Verhältnissen radikale und gesetzesüberschreitende Widerstandformen möglich und nötig sind. Aus diesen Versuchen, aus ihren Fehlern und aus ihrer Geschichte ist zu lernen für ein aktuelles Bemühen um Veränderung der bestehenden Gesellschaftsordnung. Eine Linke, die die heutigen Verhältnisse radikal infrage stellen will, kommt an der Aufarbeitung der eigenen Geschichte nicht vorbei.

AL C.

Unverzichtbare Literatur:

Edition ID-Archiv (hg.):
Die Früchte des Zorns.
Texte und Materialien der Revolutionären Zellen und der Roten Zora, 2 Bände, 798 S., 1993, 68 DM

calcül (hg.),
Basisgruppe Geschichte:
Antisemitismus in der Linken
Broschüre, 55 S., 1999, 5 DM