Theorie des Faschismus

Die Auseinandersetzung mit kritischen Theorien über den Faschismus ist heutzutage out. Durchgesetzt hat sich weitestgehend eine vergleichende Totalitarismusforschung, die ihre Attraktivität aus den Normalisierungsbestrebungen des wiedervereinigten Deutschlands zieht. Kritisch-marxistische oder neomarxistische Faschismus-analysen werden daher mit dem Bann des Totalitarismus belegt und aus der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion über den Faschismus ausgeklammert. Der Nationalsozialismus soll aus seiner bürgerlich-kapitalistischem Entstehungsgeschichte herausgelöst werden. Ein Diskussions- und Theoriezusammenhang mit dem Namen "jour fixe initiative" hat sich nun mit einer Neuerscheinung zur Aufgabe gesetzt, analytisches Material für eine kritische Theorie des Faschismus im Kontext aktueller Gesellschaftskritik zu erstellen. Theoretische Bezugspunkte sind hierbei die Kritische Theorie der "Frankfurter Schule" sowie poststrukturalistische Theorieansätze. Ausgangspunkt der Aufsätze in diesem Sammelband ist die These, daß faschistische Wesenselemente in Deutschland in Grundzügen nach wie vor existieren. Daher können eine heutige kritische Gesell-schaftstheorie nicht ohne einen theoretischen Begriff vom Faschismus geben. Die Aufsätze beschäftigen sich deshalb mit der Aktualität von Adornos Studien zum autoritären Charakter, mit dem Begriff des Totalitären bei Horkheimer, Neumann und Arendt sowie mit dem Foucault'schen Begriff der Disziplinargesellschaft. Zudem wird eine kritische Reflektion des antifaschistischen Intellektuellen-Engagements sowie postkolonialistischer Theorieansätze geleistet und die Fallstricke eines positiv gewendeten Nationenkonzeptes anhand des französischen Nationalismus diskutiert.

jour fixe initiative (hg.): Theorie des Faschismus - Kritik der Gesellschaft - 269 S., Unrast Vlg., 2000, 29,80 DM


NS-Unrechtsstätten in NRW

Zu gerne wird sich bis heute darauf ausgeruht, von dem Terror der Nazis nichts gewusst zu haben. Die Tätergeneration sieht sich lieber bis heute als die eigentlichen Opfer an. Dass sich jedoch die Nazizeit nicht auf Hitler und vielleicht noch einige weitere Funktionäre reduzieren lässt, scheint selbst einigen Historikern bis heute eine unerwünschte Erkenntnis zu sein, betrachtet man die teilweise unsäglichen Nachhilfestunden in Sachen "Geschichte" im deutschen Fernsehen. Erst in den 60er Jahren tauchten vermehrt Forschungsarbeiten zum Thema auf, die allerdings nur selten das universitäre Umfeld verliessen. Erst in den 80er Jahren kann man von einer breiteren Forschung reden, die zunehmend auch den Weg in die Öffentlichkeit fand. Und trotzdem sind es eher Zufälle, wie die Verhinderung der Vernichtung von Akten bei den Schweizer Banken durch einen Angestellten, die letztendlich auch hier zu einer Diskussion um die Entschädigung von ehemaligen ZwangsarbeiterInnen geführt haben. Gerade einmal 55 Jahre nach dem Ende der Nazizeit! Über die skandalösen Umstände der Entschädigung ist in dieser Zeitung schon des öfteren berichtet wurden.

In der schäbigen Diskussion kam jedoch auch die Verstrickung der gesamten Wirtschaft und Landwirtschaft in die Ausbeutung der ZwangsarbeiterInnen in die öffentliche Diskussion. Wenn im Jahre1944 allein in Düsseldorf etwa 40% der arbeitenden Bevölkerung aus ZwangsarbeiterInnen bestand, ist es zwangsläufig, das jeder von den Zwangs-arbeiterInnen wusste. Die kollektive Verdrängung der eigenen Verantwortung funktioniert bis heute gut. Man ist verführt worden und deshalb als Opfer von jeglicher persönlicher Schuld enthoben. Das vorliegende Buch hilft da etwas auf die Sprünge. In dieser Sammlung werden zahlreiche Unrechtsstätten in NRW aufgelistet und, soweit bekannt, beschrieben. Es erhebt dabei nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Nach über 50 Jahren Verdrängung sind viele Stätten nicht mehr bekannt. Gleichzeitig wird die Schwierigkeit der Katalogisierung der verschieden Lagerformen beschrieben. Es werden die verschiedenen Lagertypen vorgestellt und es wird versucht einen Einblick in Struktur und Zustände in den Lagern zu geben. Dies geschieht nicht sonderlich tiefgehend, ist allerdings auch nicht der Anspruch des Buches. Trotzdem schaffen es die Autoren, im knappen Text prägnant einen Einblick zu verschaffen. Kurze Texte zu den einzelnen Stätten geben Ort, Name, Geschlecht der Insassen und Nationalität, Arbeitgeber und historische Daten wieder, in denen bspw. auch widerlich zynische Gerichtsentscheidungen über Entschädigung ehemaliger Insassen wiedergegeben werden, was einen guten Eindruck der Nachkriegszeit vermittelt. Fotos, Karten, ein Ortsregister und ein umfangreiches Literaturverzeichnis vervollständigen das beeindruckende Werk.

MEIKEL F

NS- Unrechtsstätten in NRW - Stefan Kraus - Klartext