Getreu bis in den Tod

Ein etwas reisserischer Titel, der nur wenig mit dem Krimi von Frank Goyke zu tun hat. Sein Krimi spielt in Rostock. Zehn Jahre ist es her, daß der Mob wütete und Asylbewerber und ausländische Vertragsarbeiter angriff, während die Polizei erst drei Tage später eingriff. Ganz vergessen ist der Vorfall immer noch nicht, da brennt wiederum ein Asylbewerberheim. Sieben Menschen, darunter zwei Kinder, verbrennen. Ein sehr ungünstiger Zeitpunkt für die Honoratioren der Stadt, die doch so bemüht sind, das ramponierte Image aufzupolieren. Bundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt werden eingeschaltet. Die BKA- Kommissare Wolf Winkelmann, ein smarter Dandy und die übergewichtige und ständig Bier in sich rein schüttende Barbara Riedbiester machen sich auf in die Ostseestadt. Sie finden heraus, dass jede Menge Leute Gründe für ein Attentat haben. Doch es ist gar nicht so einfach in diesem Geflecht aus alten DDR Geschichten, neuem Neid, Intrigen und Kleinstadtkorruption sich zurecht zu finden. Waren es die Neonazis der Kameradschaft, der Eigentümer der heruntergekommenen Unterkunft, war es gar der Rostocker Kriminaloberkommissar?

Goyke gibt interessante Einblicke in die Abgründe ostdeutscher kommunaler Gesellschaft, deren Verhältnisse auch zehn Jahre nach der Übernahme noch lange nicht normalisiert sind. Ein spannender Krimi, der zuletzt aber leider recht banal endet. Der Krimi zeigt jedoch auch auf, daß es vielfältige Interessen und Gründe gibt, die hinter solchen Anschlägen stehen, so daß jeder der Verdächtigen auch der Täter hätte sein können. Damit kommt er der Realität sehr nahe.

Frank Goyke - Verlag Das neue Berlin - 12,90 DM für 224 Seiten


Agenten, Terror, Staatskomplott

Gerhard Feldbauer trägt dick auf. 22 Jahre nach dem Tod des Führers der Christdemokratischen Partei Italiens, Aldo Moro, gibt es noch jede Menge offener Fragen. Von Anfang an gab es Gerüchte, daß hinter der Entführung ein Komplott steckt, daß die CIA dahintersteckt, etc. Daran knüpft Gerhard Feldbauer an. Viele Bücher (leider nur wenige auf deutsch) behandeln das Thema und bestätigen die These oder verwerfen sie. So ist vieles eher eine Glaubensfrage als durch Tatsachen belegt.

Ein kurzer Blick zurück. In Italien der 70er Jahre gärt es. Der staatlichen "Strategie der Spannung" fallen hunderte von Menschen zu Opfer; 1973 kommt es fast zu einem Militärputsch, 400.000 Menschen sind in faschistischen Parteien organisiert, während auf der anderen Seite die Linke den militanten Massenkampf organisiert, viele in den Untergrund zu den "Roten Brigaden" oder zu anderen kleineren Organisationen gehen. Opfer der Roten Brigaden werden Staatsanwälte, Politiker, Polizisten, Richter. Die Kommunistische Partei Italiens (über 30% der Stimmen) hat 1978 fast ihr Wunschziel erreicht, an der Regierung beteiligt zu werden. Aldo Moro ist der Wortführer der Christdemokratischen Partei für die Aufnahme der KPI in die Regierungsverantwortung. In dieser aufgeheizten Situation wird er entführt und später umgebracht. Wenige Jahre später wird eine gigantische Verschwörung aufgedeckt. In der Loge P2 sind Militärs, Geheimdienstler, Politiker, Witschaftsmogule vereint. Insgesamt 2.500 Personen die jahrzehntelang die Politik Italiens bestimmten. Ausführendes Organ ist die kurz darauf aufgedeckte geheime Natogruppe "Gladio". Eigentlich aufgebaut als "Stay behind" Gruppe, die nach einem Überfall der Sowjetunion in ihrem Rücken kämpfen soll. Insbesondere in Italien wird sie zu einem innenpolitischen Instrument. Geschätzte 15.000 Gladiokämpfer in ihren Reihen verüben Anschläge die den Linken in die Schuhe geschoben werden, schleusen sich in linke Gruppen ein, als Agents Provocateurs, verüben Anschläge und bringen reihenweise Menschen um, alles innerhalb der "Strategie der Spannung", einer Nato Doktrin zur Destabilisierung eines Staates und einem darauffolgenden Rechtsrutsch oder gar Putsch. Für die USA ist Kontrolle über das Mittelmeer von strategisch wichtiger Bedeutung, deshalb haben sie ein Interesse an den innenpolitischen Verhältnissen in Italien.

Also insgesamt genug Stoff für Verschwörungstheorien. Immer noch sind die meisten Dokumente geheim. Noch lange nicht sind alle Geheimnisse über die P2 und Gladio gelüftet. Es kursieren jede Menge Wahrheiten, Halbwahrheiten, Lügen und Desinformationen über diese bleiernden Jahre. Nun aber hinzugehen und zu behaupten, alles sei ein Komplott gewesen, scheint dick aufgetragen zu sein. Feldbauer sucht sich fast ausschließlich die Fakten heraus, die seine These belegen. Dabei geht der Historiker und Journalist sehr unwissenschaftlich heran, in dem er sehr viel zitiert und Bezüge heranzieht, aber meist die Quellen nicht angibt. Auch Aussagen von Beteiligten und Beschuldigten sind normalerweise mit Vorsicht zu genießen, da sie natürlich auch eigene Interessen verfolgen und dementsprechend aussagen. So zieht er auch fast keine Argumente und Aussagen heran, die seiner These widersprechen. Dafür kommt die Kommunistische Partei Italiens überwiegend sehr gut weg. In ihrem opportunistischen Bemühen endlich an der Regierungsmacht beteiligt zu werden, hatte sie sich den Zorn vieler Linker zugezogen. In ihrem Bemühen auf dem Boden der staatlichen Ordnung zu stehen, hetzte sie in ihren Parteizeitungen nicht nur gegen die Roten Brigaden, sondern gegen alle links von ihr stehenden Personen und Gruppen, die nicht bereit waren, den Schmusekurs mit der staatlichen Macht mitzumachen. Insofern gab es auch durchaus viele Leute von links, die der Entführung Aldo Moros guthießen. Dass die Enführung und der später erfolgte Tod Moros, eher dem gesamten rechten staatlichen Lager, sowie den USA gelegen kam, müsste in der Analyse auch den damaligen Kommandanten aufgefallen sein. Dazu schweigen sie aber weitestgehend bis heute. Genauso mysteriös ist das nur rudimentär aufgetauchte "Verhörprotokoll" Aldo Moros, dessen wenige bekannt gewordenen Seiten für gehörigen innenpolitischen Zündstoff gesorgt hatten. Insofern sind viele Fragen, die das vorliegende Buch aufwirft, durchaus richtig. Insgesamt betrachtet, ist es positiv zu bewerten, daß überhaupt jemand dieses brisante Thema mit den vielen ungelösten Fragen aufgreift und zur Diskussion stellt. Ein Thema, das bis heute Nachwirkungen hat. Eine umfangreiche Literaturliste gibt genügend Tips für weitere Lektüre zu diesem Thema, die auch dringend angeraten wird, denn der Weisheit letzter Schluss ist dieses Buch sicherlich nicht.

MEIKEL F

Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA

Gerhard Feldbauer - Papyrossa Verlag 28 DM für 222 Seiten


Das Herz der Finsternis

Politisch links orientierten Menschen sind in der Regel die großen und bösen Blutmänner der Geschichte besser bekannt als vielen anderen. Hitler, Himmler, Heydrich kann man einordnen. Daß das imperialistische System ein verbrecherisches war (und natürlich immer noch ist, wobei die meisten lieber in der Vergangenheit denken, denn die schläft nun mal) ist auch noch bekannt (Wobei ich nicht Tibet und die Freiheit des Dalai Lama meine. Vorsicht vor Neppern!). Bei Stalin und Pol Pot wird es schon schwieriger, Jeschow und Berija sind hierzulande nahezu unbekannt. Gleichzeitig ist ebenfalls bekannt, daß fast ganz Afrika die Hölle ist und eines der am meisten mißhandelten Länder der Erde der Kongo, das ehemalige Zaitre ist. Aber wie fing das alles an?

Als ich ein kleiner Junge war, habe ich ein Buch gelesen von Professor Bernhard Grzimek, das mir jetzt wieder einfiel. Der gute deutsche Professor bereiste den damals noch belgischen Kongo in den frühen fünfziger Jahren. Er interessierte sich sehr für Tiere, leider kaum für Menschen. Jedenfalls hat er ganz bestimmt nicht mit Einheimischen über die jüngste Geschichte ihres Landes gesprochen, sonst hätte er niemals einen Unfug geschrieben wie: "23 Jahre lang war Leopold II unabhängiger Souverän dieses großen Gebietes gewesen. In dieser Zeit waren die Sklaverei ausgerottet, der Kannibalismus und die Menschenopfer unterdrückt...(worden)". Ansonsten wird die gar abenteuerliche Geschichte des großen Entdeckers Sir Henry Morton Stanley kindergerecht und unwahr erzählt.

Die Geschichte der Belgier und ihrer afrikanischen Opfer kann man nun in einem wahrhaft bedrückenden und fesselnden Buch nachlesen und zwar in "Schatten über dem Kongo: Die Geschichte eines der großen, fast vergessenen Menschheitsverbrechen" von Adam Hochschild. Dies hier ist etwas Seltenes. Ein historisch fundiertes Buch, das die Verbrechen, die Brutalität, die Profitgier usw. benennt, ohne in Grausamkeiten oder unlesbaren Systemanalysen zu schwelgen. Und dabei ist es noch ein Stück sehr gut geschriebener Literaturgeschichte.

Einer, der zwei Generationen vor Grzimek im Kongo war, und gesehen hat was dort passierte, war der damals 32jährige Dampferschiffskaptän Josef Korzeniowski. Er gab an, vorher "noch nie richtig gedacht" zu haben. Vielleicht hatte er,der aus Polen her Unterdrückung kannte, einfach etwas mehr Herz als andere, jedenfalls schrieb er Jahre später unter dem Namen Joseph Conrad die seltsame und beunruhigende Erzählung: "Das Herz der Finsternis", die 1911 erschien. In Deutschland ist sie nie so bekannt geworden wie in England. Die Story mögen viele aus Francis Ford Coppolas Verfilmung "Apocalypse now" kennen, der allerdings, gar nicht dumm, die Geschichte nach Vietnam während des US Einsatzes verlegt hat. Ein Boot mit wenigen Leuten an Bord fährt in eine für Europäer unerträgliche Natur (nahezu jeder zweite Europäer starb innerhalb von vier Jahren in Afrika. Wer überlebte, konnte steinreich werden und war in dem Land, in dem "die zehn Gebote nicht gelten") und sucht einen Kolonialbeamten (im Film Marlon Brando als Offizier), der ein krankes und grausames Privatregime errichtet hat und seinen, keinen Deut besseren Herren nicht mehr gehorcht, indem er das heiß begehrte Elfenbein nicht mehr liefert. Die Fahrt wird zur Reise in das Innere der menschlichen Seele. Man kann in dem Buch von Hochschild nachlesen, was für einen Terror Kapitän Conrad, der in einem kleinen Dampfer den Kongo Fluß befuhr, gesehen haben muß. Sensationell durch Brief und Tagebuchfund belegt ist allerdings, daß die beschriebenen Dinge keine Metaphern Conrads sind, sondern es sie tatsächlich gab und er Beamte wie den Kurtz seiner Erzählung persönlich kennenlernte. Hochschild stellt einige Kandidaten als Vorbild vor, darunter einen Offizier, der seinen Gartenzaun mit Menschenköpfen verzierte, damit die Schwarzen wüßten, mit wem sie es zu tun hätten....

Noch etwas habe ich bei der Lektüre gelernt: Buchhalter verändern die Welt (ab und an wenigstens): Damals waren , bei allen vorhandenen Verbrechen, die Menschen noch nicht so abgestumpft wie heute. Als die ersten Berichte über die Greuel nach Europa gelangten, entwickelte sich eine Massenbewegung gegen diese Herrschaftspraktiken. Dies geschah, weil ein Kontorist, ein Buchhalter, der für die Reederei arbeitete, die das Handelsmonopol mit dem Kongo innehatte, nach-rechnete: Wieviel waren die Waren wert, die aus Afrika kamen und wieviel waren die wert, die da hin gingen? "Nur mit Zwangsarbeit in einer ganz schrecklichen und kontinuierlich betriebenen Form ließen sich diese ungeheuren Profite erklären (...) Ich war auf eine Geheimgesell-schaft von Mördern mit einem König als Oberhalunken gestoßen." Der das schrieb, war E.D. Morel, später Weltkriegsgegner und linker Labour Abgeordneter. Offiziell gab es natürlich keine Sklaverei im Freistaat Kongo. Der Einsatz einer Protestbewegung und die ebenfalls ausführlich gewürdigten mutigen Proteste einiger weniger schwarzer Aktivisten und Zeugen beendeten wenigstens die schlimmsten Auswüchse des Regimes.

Noch in den achtziger Jahren waren die Dokumente, auf denen dieses Buch basiert, in Belgien Geheimsache. Die wenigen Aussagen von Afrikanern z.B. durften noch 2-3 Generationen später nicht veröffentlicht werden. Warum? Vielleicht, weil einem hier deutlich gemacht wird, wer letztlich für die Zustände in Afrika verantwortlich ist und warum die allgemeine Auffassung, daß der schwarze Asylant ein unwillkommener Schnorrer ist, so nicht funktioniert. Im Gegenteil: Wieviel Geld schuldet die westliche Welt diesen Menschen?

Also: Direkt zwei Tips auf einmal: Joseph Conrad lesen (auch die anderen Sachen) und Adam Hochschilds Buch.

FEHRI

Hochschild, Adam: Schatten über dem Kongo,Klett Cotta, 2000