DÜSSELDORF GEGEN RECHTS ?

Die extreme Rechte ist in unterschiedlichen Ausrichtungen aktiv in Düsseldorf. Am rechten Rand sind deutliche Vernetzungen sowie Anzeichen zu einer lokalpolitischen Offensive erkennbar. Die vielbeschworene "Zivilgesellschaft gegen Extremismus" dagegen ist eher eine Schimäre zur Gewissensberuhigung als ein machtvolles Pendant zum lokalpolitischen Rechtsruck. Anlass also zu grundsätzlichen Überlegungen...

Fascho-Offensiven

Entgegen den städtischen Verlautbarungen weist die lokale Faschisten-Szene ein gefährliches Organisations- und Handlungspotential auf. Grob vereinfacht sind dort fünf unterschiedliche Strömungen zu beachten, welche jeweils personelle und organisatorische Überschneidungen aufweisen. Gekennzeichnet sind diese Strömungen:

  1. durch einen offen nationalsozialistisch orientierten Flügel - präsentiert durch die neonazistische "Kameradschaft Düsseldorf",
  2. durch ein strömungsübergreifendes Kommu-nalbündnis nach FWG-Vorbild - präsentiert durch die Lemmer-Clique,
  3. durch die klassischen Parteien der extremen Rechten - hier in erster Linie durch die "Republikaner",
  4. durch neofaschistisch orientierte jugendliche Skinheadgruppen und Rechtsrock-Szenen in diversen Stadtteilen sowie
  5. durch den schwarz/braunen Sumpf aus dem Spektrum der sog. Vertriebenen- und Soldaten-Verbänden, Burschenschaften und ihren Brückenköpfen aus dem nationalkonservativen Flügel der etablierten Politik.

Einigendes Banner ist ein extremer Rassismus und Nationalismus sowie der Wille zu dessen organisatorischer Ausformung. Anhand von punktuellen Interventionen lassen sich daher von all den genannten Spektren organisationsübergreifende Offensiven feststellen. Dies kam beispielsweise in der lokalpolitischen Auseinandersetzung um die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" zum Ausdruck. Die neofaschistischen Aktivitäten im lokalpolitischen Raum sind zunehmend durch ein offensiveres Auftreten gekennzeichnet. Nicht nur die rassistische Militanz erfährt hierbei eine gefährliche Steigerung, sondern zudem der erklärte Wille, auch organisatorisch offen mit Aktivitäten politisches Terrain zu besetzen. Hierbei ist festzustellen, daß die Scheu vor Konfrontationen mit der viel beschworenen "zivilgesellschaftlichen Mitte" einem offensiven Auftreten gewichen ist, das bisher nur durch energisches antifaschistisches Engagement eingeschränkt werden konnte. Die militanten Neonazis der "Kameradschaft Düsseldorf" waren es, die eine Veranstaltung im Rahmen der Anne Frank-Ausstellung sprengten und dies auch bei der Diskussion um die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" in der Johannes-Kirche versuchten; der Kreis um Lemmer und Zobel war es, der eine Lesung von Jan Phillipp Reemtsma störte. Bei der peinlichen Kundgebung des "Düsseldorfer Appell" am 16.9. waren gar diverse Spektren der extremen Rechten zu sehen: Mitglieder der REPs, des sog. "Jugendoppositionsstammtisches" der Lemmer-Clique sowie der "Kameradschaft Düsseldorf" bewegten sich solange dreist auf der "Mut gegen Rechts"-Kundgebung, bis ihnen von antifaschistischer Seite die nötige Grenze aufgezeigt wurde. Während die direkte Auseinandersetzung mit der linken Antifa aufgrund berechtigter Scheu vor dem Echo noch gemieden wird, haben die Neonazis die Scheu vor Konfrontationen mit dem institutionellen Spektrum nahezu gänzlich verloren. Ankündigungen zu eigenen Aufmärschen zeigen, daß in diesem Spektrum das Bestreben wächst, sich die Straße für ein offenes Auftreten zu erobern.

"Mut gegen Rechts" ?

Die Kundgebung des "Düsseldorfer Appells" am Rathaus-Vorplatz war ein bildlicher Ausdruck des Zustandes der sog. "demokratischen Mitte" in ihren inhaltslosen Proklamationen gegen "Extremismus und Gewalt". Linken Gruppierungen wie dem Antifa-KOK wurde ein eigener Redebeitrag untersagt, um die CDU noch mit auf die Rednerliste zu bekommen. Da dies mißlang, blieben die SPD-Vertreter als Redner unter sich. Das Bestreben, zum Wohle des Stadtimages rassistische und neofaschistische Exzesse aus ihrem institutionellen Kontext herauszulösen und eine "Einigkeit der Demokraten" dagegen zu setzen, hat sich als Farce entpuppt. Der Vorwurf der Veranstalter und besonders der SPD als eigentlichem Träger der Kundgebung an die CDU, sie hätte durch ihr demonstratives Fernbleiben von dieser Betroffenheits-Show zum Mißlingen einer prestigeträchtigen Demonstration des anständigen Düsseldorfs beigetragen, offenbart die politische Misere eines solchen Agierens. Die CDU selbst kartet nach: Der Kreisparteivorsitzende Schulhoff wirft dem Appell nun vor, auf "einem Auge blind" zu sein, die CDU "in die rechte Ecke" zu stellen und daher nicht mehr "Sprachrohr aller Düsseldorfer" mehr sein zu können. Genau hier tritt die Wiedersprüchlichkeit rot/grüner Anti-Extremismus-Kampagnen offen zutage: Der proklamierte Mut "gegen Rechts" verlässt genau dort die Verkünder, wo deutlich Position gegen den etablierten Rechtsruck bezogen werden müßte. Leider lässt sich eine solche Mutlosigkeit auch im Umgang mit den Neonazis feststellen.

Vollends zur Farce wurde die "Mut gegen Rechts"-Veranstaltung nämlich zu dem Zeitpunkt, als Mitglieder der neonazistischen "Kameradschaft Düsseldorf" auf dem Rathausvorplatz auftauchten. Nachdem linke Antifaschisten den Reizgas versprühenden Neonazis die nötige Abreibung zuteilwerden ließen, nahm die Polizei neben den zwei Neonazis Udo Birr und Jörg Wagner auch drei Kundgebungsteilnehmer vorübergehend fest. Andere KundgebungsteilnehmerInnen, die gegen den unkontrollierten Polizeieinsatz protestierten, wurden von den Polizeibeamten in rüder Manier angegangen. Gegen das PDS-Ratsmitglied Frank Laubenburg, der gegen die willkürliche Festnahme eines jungen Kundgebungsteilnehmers protestierte, ist sogar ein Verfahren wegen angeblich versuchter Gefangenenbefreiung eingeleitet worden. Ihm und den vorübergehend festgenommenen antifaschistischen Kundgebungsteilnehmern sollte daher eine breite Unterstützung bei eventuellen Verfahren zuteil werden. Doch nach diesen Auseinandersetzungen versuchten die Veranstalter zunächst, Lautsprecher-Durchsagen zu diesen skandalösen Vorfällen zu unterbinden, um das Programm möglichst störungsfrei über die Bühne zu bringen - ein angesichts des Mottos wahrlich peinliches Verhalten. Weder die Veranstalter noch die Polizei waren dazu in der Lage, die Neonazis vom Platz fernzuhalten. Dies mag darin begründet sein, daß die lokale Neonazi-Szene in diesem Spektrum bisher weitestgehend unterschätzt oder lediglich als ein undefinierbares Abstraktum angesehen wird. Sollte der Anspruch des "Düsseldorfer Appells" in Zukunft an dem selbst gesetzten Motto der Kundgebung gemessen werden, so ist dort eine kritische Reflexion über die eigene Strategie und Praxis unumgänglich. Ein Anfang hierzu könnte zumindest die öffentliche Solidaritätsbekundung zu den vorübergehend festgenommenen antifaschistischen Kundgebungsteilnehmern sowie zu dem von Verfahren bedrohten PDS-Ratsmitglied sein.

"Pst!"

Die bürgerliche Mitte hat gegen "Rechts" nichts aufzubieten, weil sie die rassistischen und neofaschistischen Exzesse aus ihrem strukturellen Entstehungskontext herauslösen will, um von der eigenen Verantwortlichkeit für diese Entwicklung abzulenken. "Rechter Extremismus" erscheint dort als ein von "außen" kommendes Phänomen, daß mit staatlicher und polizeilicher Härte zu bekämpfen sei, so die lauthals verkündeten Strategien. In Düsseldorf prescht nun die Polizei mit Bekundungen zu "vorbeugenden Maßnahmen" heran. Die Abteilung "Polizeilicher Staatsschutz", - im Polizeijargon kurz "Pst" genannt soll dabei in die Rolle des "Aufklärers" rutschen. Dies bekundete der neue Staatsschutzleiter Göhmann. Politische Aufklärung als Polizeiarbeit - das bedeutet die analytische Reduktion auf die Instrumentarien der Straßenverkehrsordnung; ein Analyseinstrument, das der neue Staatsschutzchef als ehemaliger Leiter der Autobahnpolizei fehlerfrei beherrscht. Links- und Rechtsabbieger werden ordnungsgemäß gegeneinander verrechnet: Eine "intelligente Rechte" will der neue Staatsschutz-Analytiker Göhmann in Düsseldorf erkannt haben; die "Linksextremen"dagegen wiesen eine "exzessive Neigung zu Auseinandersetzungen" auf. Bei solch aussagekräftiger Analyse des lokalen sog. "Extremismus-Problems" wird die Orientierung einer solchen polizeilichen "Aufklärungsarbeit" deutlich: Die polizeiliche Staatsschutzabteilung , die jahrelang die Existenz der extremen Rechten heruntergespielt und gar geleugnet hat, kündigt nun ihren Angriff auf die Linke an.

Strategiefragen

Die radikale Linke in Düsseldorf steckt aktuell in einem Dilemma. Durch kontinuierliche antifaschistische Arbeit hat sie sich ein "know how" über die lokale Neonazi-Szene angeeignet, das allgemein anerkannt und sogar regelmäßig zur politischen Aufklärungsarbeit genutzt wird. Allerdings steht die linke Antifa in ihrem praktischen Kampf gegen den Neofaschismus allein auf weiter Flur. Sonstige zivilgesellschaftliche oder gar institutionelle Initiativen gegen die extreme Rechte, die über reine Proklamationen hinausgehen, sind in Düsseldorf schlicht nicht feststellbar. Zwar bekunden alle Parteien und Verbände im Zuge des aktuellen Medienhypes, echt schwer betroffen und um das Wohl der Stadt besorgt zu sein, konkrete Handlungsinitiativen gegen die extreme Rechte jedoch bleiben bisher auf Aktionen der Antifa beschränkt. Dieser Zustand ist untragbar, denn der Kampf gegen den aufkommenden Neofaschismus muß politisch übergreifend geführt werden. Trotz politischer Gegensätze zwischen der radikalen Linken und dem zivilgesellschaftlich-bürgerlichen Spektrum müssen übergreifende Handlungsmaßnahmen zur Eindämmung neofaschistischer Entwicklungen entfaltet werden. Der Antifa-KOK versucht diese Handlungsfähigkeit durch kontinuierliche Aufklärungsarbeit im lokalen Raum sowie durch öffentliche Mobilisierungen gegen neofaschistische Aktionsfelder zu erreichen. Diese Arbeit stößt jedoch dort an ihre Grenzen, wo übergreifende konkrete Handlungsmaßnahmen eingefordert werden. Mit den "Linksextremisten" wollen die Instanzen der Zivilgesellschaft nicht in Verbindung gebracht werden. Entgegen den regelmäßigen Zuschreibungen ist die antifaschistische Arbeit des Antifa-KOK jedoch nicht linksradikal, sondern lediglich Ausdruck engagierter linker Praxis gegen den aktuellen Rechtsruck. Denn der selbst proklamierte Anspruch der Antifa auf eine radikale, systemüberwindende politische Praxis findet in einem solchen antifaschistischen Engagement keinen Ausdruck: Konkretes Engagement gegen Neonazis und den etablierten Rassismus ist zwar dringend notwendig, jedoch an sich nicht revolutionär oder systemsprengend. Für die kleine Minderheit mit radikal-linken Ansprüchen ist dieses Dilemma jedoch nicht aufzuheben: Denn der Wunsch nach einem Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnung, nach emanzipativen Gesellschaftsstrukturen ohne Staat, Herrschaft und kapitalistischer Produktionsweise entbindet nicht von der Verpflichtung, sich dem neofaschistischen come back aktuell entgegenzustellen. Revolutionär ist das sicher nicht, aber notwendig. Deshalb stellt sich für die Düsseldorfer Linke nicht die Frage, ob, sondern wie sich dem aktuellen Rechtsruck wirksamer entgegengestellt werden kann. Den Luxus einer Debatte zu dieser Frage sollten wir uns leisten.