Antifaschistische Aktivitäten und Neues aus der Naziszene

Kurzberichte zusammengestellt von Pierre Briegert

Weitere Naziaufmärsche im Dezember

Nach den diesjährigen NRW-weiten Aufmärschen am 6.5. in Essen, am 21.10. in Dortmund und am 28.10. in Düsseldorf sollen im Dezember zwei weitere folgen. Die "Freien Kameradschaften" wollen am 9.12. in Köln für "Meinungsfreiheit auch für sog. 'Neonazis'" und am 16.12. in Dortmund gegen "Polizeiwillkür und Medienhetze" auf die Straße gehen. Beide Demonstration wurden von dem Führer der "Freien", Christian Worch, gemeinsam mit lokalen Kadern angemeldet. Über geplante Gegenaktionen informieren die Homepages der Antifa K (www.is-koeln.de/antifakoeln) und der Antifa Dortmund-Nord (www.free.de/antifa). Wer daran interessiert ist, gemeinsam mit Düsseldorfer Anti-fa-schistInnen eine Reise in die Kölsch- und Domstadt zu unternehmen, wende sich an die Telefon-Nr. 0172 / 211 13 11. Unter dieser Telefonnummer sind auch Ort und Zeit der Düsseldorfer Vorbereitungstreffen in Erfahrung zu bringen.

"Reflex": Auferstanden aus Walhalla

Nachdem es bereits 1992/1993 aus der "Freien Wählergemeinschaft" einen kläglich gescheiterten Versuch gab, eine extrem rechte Schülerzeitung in Düsseldorf zu etablieren, gehen Torsten Lemmer und Jan Zobel nun acht Jahre später ein zweites Mal an den Start. Wie nicht anders zu erwarten war, heißt das Blättchen erneut "Reflex", Untertitel "Schüler- und Jugendzeitung für Düsseldorf". Dreimonatlich soll das 12 Seiten umfassende "Sprachrohr junger Lokalpatrioten in Düsseldorf" erscheinen und an Schulen verteilt werden. Inhaltlich hat Reflex nicht viel zu bieten. Die übliche platte Hetze gegen "Linksextremisten" von SPD, Grüne, PDS, Antifa und "Toten Hosen", garniert mit den bekannten Verschwörungstheorien, CD-Kritiken und Werbung füllen einen Großteil des Blattes. Darüber hinaus wird versucht, stärker rechte Fortuna-Fans anzusprechen und neben Spielberichten mit dem Fan-Club "Altbierwikinger" auch direkt ein geeigneter Fan-Club empfohlen. Auch Bernd Buses Plattenladen "Power Station" ist mit Werbung für "harte Klänge aus der Heimat" vertreten. Auf der Rückseite von "Reflex" wirbt schlußendlich die Direktion für Ausbildung der Polizei NRW für eine Karriere in grün. Man sei über den Hintergrund im Unklaren gelassen und gezielt mißbraucht worden, wußte ein Sprecher der Düsseldorfer Polizei, die die Anzeigenvorlage an Reflex geschickt hatte, mitzuteilen. Ohne große Mühe war es zuvor einem Mitglied des "Jugend-oppositionstammtisches" und Schüler der Realschule "In der Lohe" gelungen, die Vorlage telefonisch anzufordern.

Wenngleich Reflex nicht gerade zu den Flaggschiffen der extrem rechten Publizistik zählt, erscheint es dennoch wichtig, die weitere Verbreitung an den Schulen zu verhindern. Für die Verteilung am Franz-Jürgens-Kolleg an der Färberstraße handelte sich bereits einer der Hauptaktivisten des "Jugendoppositionsstammtisches", Lemmers Vorkoster und Schattenspender Ferenc Szeplaki, der seit kurzem in der neuen Lemmer-Immobilie in der Richratherstr. 195 in Hilden lebt, eine Verwarnung ein.

Unterwegs für Deutschland

Ein besonders hartes Programm gaben sich nordrhein-westfälische "Freie Kameraden", darunter auch die "Kameradschaft Düsseldorf", vom 17. bis 19.11.2000. Gestartet wurde am Abend des 17.11. mit einer Feier in Dortmund anläßlich des 47. Geburtstag des Dortmunder Ex-FAP-Funktionärs Siegfried Borchardt. Das Ganze eskalierte, als Partygäste die wegen Ruhestörung herbeigerufene Polizei mit Kanthölzern und Flaschen angriffen und sich danach verbarrikadierten. Der folgende Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr, die den Weg in den Partykeller freispülte und -flexte, brachte 102 Neonazis zum Vorschein und anschließend in Polizeigewahrsam. Diese hatten bis zuletzt versucht, die Räumung zu verhindern. Hierbei wurden mehrere Polizisten verletzt. Weiter ging es am nächsten Tag in Freienohl im Hochsauerlandkreis. Hier gedachten die "Freien Kameraden" in einer Gaststätte dreier "Führungskameraden" aus Winterberg und Lüdenscheid, die 1997 bei einem angeblich "mysteriösen" Autounfall ums Leben gekommen waren. Die drei sind inzwischen Helden und Märtyrer der Szene und posthum zu "SA-Männern" befördert worden. Allerdings waren nicht zuletzt aufgrund des Vorfalls vom Vorabend nur 60 Neonazis erschienen. Diese mußten ihre Veranstaltung dann auch noch vorzeitig beenden, da sich der zunächst zögerliche Wirt aufgrund des großes Medieninteresses doch noch für einen Rausschmiß seiner braunen Gäste entschied. Am Sonntag, den 18.11. und damit Volkstrauertag, ging es in NRW an drei Orten weiter. Während sich die einen für einen Besuch der Gräber der gefallenen "SA-Männer" in Winterberg entschieden, zogen es andere unter der Führung der Duisburger "Kameradschaft Heinrich Bauschen" vor, unter starkem Polizeischutz auf dem Soldatenfriedhof Duisburg-Kaiserberg Kränze zu Ehren der "gefallenen Helden der Wehrmacht und Waffen-SS" niederzulegen. Eine dritte ca. 50-köpfige Gruppe wählte das von der "Artgemeinschaft" organisierte "Heldengedenken" auf dem Ehrenfriedhof am Niersenberg in Kamp-Lintfort. Hieran beteiligten sich neben "Freien Kameraden" u.a. auch die JN Duisburg und die "Gemeinschaft Nationales Deutschland" (GND) mit Sitz in Kempen. Antifaschistische Gegenaktivitäten gegen die Gedenkveranstaltungen waren nicht zu verzeichnen. Lediglich die JN Duisburg jammerte im Vorfeld über einen "Anschlag" auf das Denkmal auf dem Soldatenfriedhof am Kaiserberg.

Wuppertal: Prozeß gegen NPD'ler vor dem Landgericht eröffnet

"Wir wollten die nur erschrecken"
Nach gerade einmal zwei Stunden war am 23.11. der Prozeß gegen acht Neonazis aus Wuppertal, Schwelm und Duisburg vor der 1. großen Strafkammer des Landgericht Wuppertal bereits auf den zweiten Prozeßtag vertagt. Es sei nachermittelt worden und den Verteidigern die hierbei angelegten Akten noch nicht zugegangen, begründete Richter Keiluweit seinen Beschluß. Offenbar ganz im Sinne einiger Verteidiger, die von Beginn an keinen Zweifel daran ließen, daß ihnen an einer Verschleppung des Prozesses gelegen ist. Gleich zu Beginn stellte Rechtsanwalt Andre Picker den Antrag, einen der Schöffen wegen Befangenheit abzusetzen, da dieser in Wuppertal lebe und längere Zeit der "vorverurteilenden Berichterstattung" der lokalen Medien ausgesetzt gewesen sei. Die Angeklagten seien im Vorfeld geradezu "medial hingerichtet" worden. Seinem Mandanten Thomas Haarhaus (26) und den sieben anderen Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft Wuppertal vor, schweren Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung verübt zu haben. Gemeinsam mit mindestens fünf weiteren Personen aus Wuppertal, Duisburg und Moers, deren Verfahren aufgrund ihres jungendlichen Alters abgetrennt wurden, hätten sie am 9. Juli diesen Jahres TeilnehmerInnen einer Kundgebung am Mahnmal an der Gedenkstätte des ehemaligen KZ Kemna in Wuppertal mit Steinen, Knüppeln und Reizgas bewaffnet angegriffen und zwei Personen verletzt. Unter den vor dem Landgericht angeklagten Personen befinden sich mehrere Funktionsträger der NPD und deren Jugendorganisation JN, darunter das Landesvorstandsmitglied der NPD NRW, Thorsten Crämer (25), Mitglied des Stadtrats in Schwelm, der NPD-Kommunalwahlkandidat Norbert Wölk (24) aus Wuppertal und das JN-Landesvorstandsmitglied Nico Wedding (24) aus Duisburg. Mit dem Wuppertaler Maik Hilgert (25) befindet sich mindestens noch ein weiterer NPD-Aktivist unter den Angeklagten. Als Initiator und Organisator des Angriffs wertet die Staatsanwaltschaft Thorsten Crämer, der zum Zeitpunkt der Tat auch als JN-Landesvorsitzender fungierte. Grund genug für die von Verbot bedrohte NPD, für Crämer ihren besten Mann ins Rennen zu schicken: Rechtsanwalt Hans Günter Eisenecker, Mitglied des Bundesvorstands der NPD. Auch Norbert Wölk läßt sich von einem einschlägig bekannten Rechtsanwalt vertreten: Der ehemalige "Republikaner"- und "Deutsche Liga für Volk und Heimat"-Funktionär Markus Beisicht ist auch heute noch in der Kölner Region in der extremen Rechten aktiv.

Trotz Verzögerungstaktik reichte es nach der Ablehnung des Befangenheitsantrags immerhin noch zur Vernehmung des Angeklagten Frank Ronny Plexnies (21). Er sei da nur zufällig hineingeraten, wußte dieser mitzuteilen. Er habe sich auf Anfrage des Mitangeklagten Axel-Boris Hausweiler (26) als Fahrer zur Verfügung gestellt, im Glauben, es ginge darum, eine Versammlung von Autonomen aufzulösen, damit von dieser keine Aktionen gegen "Rechte" ausgehen können. Man hätte die Linken nur erschrecken wollen. So sei er mit einer Sturmhaube maskiert und mit einem Knüppel und CS-Gas bewaffnet als erster auf Kundgebungsteilnehmer gestoßen und habe sich gewundert, daß diese nicht das Weite suchten. Er sei hingefallen und habe das Bewußtsein verloren. An mehr könne er sich nicht erinnern, außer daran, daß es keinen "Anführer" bei der Aktion gegeben hätte. Die Frage nach dem "Anführer" wird im weiteren Verlauf ein wichtiger zu klärender Punkt sein. Die Vernehmungsprotokolle und bisherigen Verfahren gegen drei jugendliche bzw. heranwachsende Mittäter, die jeweils zu siebenmonatigen Haftstrafen verurteilt wurden, sprechen hier eine deutliche Sprache. Und auch Plexnies hatte kurz nach der Tat zu Protokoll gegeben, daß es Crämer war, der die Gruppe zum Ziel geführt und den Befehl zum Angriff gegeben hatte. Hiervon wollte er vor Gericht allerdings nichts mehr wissen. Die Partei, Crämer und die zur Beobachtung angereisten zwanzig "Kameraden", darunter diverse Kader der NPD und "Freien Kameradschaften" aus Witten, Bochum und Dortmund werden es ihm danken. Der Prozeß wird am 30.11., 6.12. und 15.12.2000 fortgesetzt. (rk)

"Ein bißchen konservativ"

Mit diesen Worten titelte Deutschlands zweitschlechtestes führendes Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner Ausgabe vom 20.11.2000 einen Artikel über unser aller Oberbürgermeister Joachim Erwin. Die Spiegel-RedakteurInnen Sven Röbel und Barbara Schmid haben sich tatsächlich die Arbeit gemacht, auch die TERZ-Ausgaben und sonstigen Veröffentlichungen des ANTIFA-KOK der letzten zwei Jahre in ihre Recherche mit einzubeziehen und all das nachzulesen, was dort über Erwin geschrieben steht, sowie die dort aufgeführten Informationen zu überprüfen. Ihr Ergebnis und Fazit: Erwin führt Düsseldorf "so stramm rechts, daß sich Neonazis in der NRW-Landeshauptstadt zu Hause fühlen können." Ob der zahlreichen Belege hierfür nicht gerade eine neue Erkenntnis, aber in dieser Deutlichkeit bisher erstmalig in der bürgerlichen Presse formuliert. Erwin indes tut das, was man von ihm erwartet: Er tobt, droht und sieht wie immer "das Ansehen der Landeshauptstadt gefährdet." Sogar den Presserat will er wegen des "infamen, miserabel recherchierten Artikels" einschalten, wenn der Spiegel nicht inhaltlich korrigiert. Man darf gespannt sein, was sich der schwarz/braune Jochen alles noch einfallen lassen wird. Als erste Reaktion auf den Spiegel-Artikel hat er jetzt Torsten Lemmer Hausverbot im Rathaus erteilt und hierzu sogar eine Pressekonferenz abgehalten. Offensichtlich ist da jemand in Bedrängnis geraten. Wie sonst ist es zu erklären, daß auf einmal ein Hausverbot möglich ist, was vorher angeblich juristisch nicht haltbar war? Eigentlich schade, im Rathaus konnte Lemmer wenigstens keinen Schaden anrichten. Dort ist zusammengewachsen, was zusammengehört.

PIERRE BRIEGERT