enrico markuszewski ist tot

„In unserer Erinnerung verbleibt er als ein engagierter Mensch, der sich in der Arbeitslosenberatung und auch beim Mittwochsfrühstück für die Belange anderer Erwerbsloser einsetzte“, heißt es in der Todesanzeige von drei Engagierten des Mittwochsfrühstücks, die Enrico in seinen letzten schweren Wochen begleitet haben. Am Abend des 1.Januar ist er verstorben. Zum Kreis der Engagierten zählte er bereits seit der „ARGE Zeiten“-Veranstaltung des Sozialforums von Januar 2006. Die Aktionen gegen den Arbeitsplatzvernichter Ein-Eurojobs begleitete er stets mit seinem Fotoapparat – Fotografieren zählte zu seinen größten Hobbys. Beim Mittwochsfrühstück der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten gab er später Tipps zum Umgang mit dem Jobcenter. Nachdem er vom Jobcenter in eine Maßnahme bei der SWT („Service Weiterbildung Transfer“) gezwungen worden war, wusste er viel über dortige Interna zu berichten. Als Hartmut Lohse aus gesundheitlichen Gründen seine monatliche Stunde im Bürgerfunk aufgeben musste, führte Enrico diese fort und deckte so zahlreiche Jobcenterschweinereien auf. Bei den bundesweiten Aktionstagen stand er stets mit auf der Straße und vor den Jobcentern. Er engagierte sich zudem bei ver.di, war dort für einige Jahre stellvertretender Vorsitzender des Erwerbslosenausschusses. Seine Meinung vertrat er bestimmt und mit Nachdruck, scheute auch vor Kontroversen nicht zurück. Neben seinem Engagement pflegte er vielfältige persönliche Kontakte zu Mitbetroffenen. Lange sonntägliche Spaziergänge sind vielen in Erinnerung geblieben. In der Beratungsstelle für Langzeitarbeitslose bot er zudem Englischkurse an und wurde sehr bald zu einem zuverlässigen Wegweiser durch die Parallelwelt, in der Hartz-IV-Abhängige gezwungen sind, zu leben: Bei Fahrradtouren, die er fürs Mittwochsfrühstück organisierte, wusste er stets, wo ein Biergarten zu finden war, in dem es frisch Gezapftes zu erschwinglichen Preisen gab. Lebensqualität stand für ihn ganz oben. Selbst nach seiner tödlichen Diagnose ließ er sich, obwohl der Arzt ihm dringend davon abriet, seinen geliebten Espresso nicht nehmen.
„Enrico war erfolgreicher Streiter für die sozialen Rechte seiner Mitmenschen. Zahlreich die Menschen, die er zuverlässig zur Wahrnehmung ihrer Rechte begleitete. Enrico wird für uns bleiben, was er war, ein Vorbild an gelebter Solidarität“ (aus einer Zuschrift eines „Unabhängigen Arbeitslosen“).

drei jahre knast für nichts

Am 24. Januar verurteilte der Staatsschutzsenat des Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf den kurdischen Politiker Ahmet Çelik zu drei Jahren Knast (siehe auch TERZ 06.2016 und 11.2016). Die Anklage beschuldigte ihn der Mitgliedschaft in einer „terroristischen“ Vereinigung im Ausland (§§129a/b StGB). Er habe unter dem Namen „Kerim“ von Anfang Juni bis Anfang Juli 2014 – in der Phase des Friedensprozesses zwischen kurdischer Bewegung und türkischem Staat – den PKK-Sektor „Mitte“ in Deutschland verantwortlich geleitet, so der Vorwurf. Deshalb verlangte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von vier Jahren. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch und verwies darauf, dass Ahmet Çelik nichts Verbotenes gemacht habe. Çelik betonte in seiner Schlussrede zum Prozess, dass er zu keiner Zeit Gewalt angewendet noch je dazu aufgerufen habe. Er habe lediglich seine Aufgabe als Kurde in der Diaspora wahrgenommen und verantwortungsvoll gehandelt. Für ihn sei es schmerzlich, dass seine Arbeit als terroristisch gebrandmarkt werde. Noch schlimmer sei aber, wenn man ihn als „türkischen Terroristen“ diskriminiere. Es sei dringend erforderlich, politische Lösungswege zu suchen und zu finden, wozu auch die Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots gehöre. Denn, so Çelik: „Wer ein Problem erkennt und nichts unternimmt, ist wahrscheinlich Teil des Problems.“ Er wolle die Hoffnung auf eine friedliche und gerechte Welt nicht aufgeben. Das Gericht ging zwar auf die Begründung der Verteidigung ein und blieb mit drei Jahren Knast unter der Forderung der Bundesstaatsanwaltschaft, zeigte aber andrerseits, dass die Verurteilung nichts anderes als Gesinnungsjustiz ist.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

bitte melde dich!

Wir sind verunsichert. Und irritiert. Und auf der Suche! Wo ist er hin, wohin hat er sich verkrochen? Und vor allem: Warum so ohne jede Ankündigung, ohne ein Wort, ohne einen einzigen Hinweis auf eine Wiederkehr. Kein „Au Revoir“, kein „Chiao“, „Tschüssi“ und „bis denne“. So was haben wir nicht erwartet!
Kein Lebenszeichen haben wir Normalsterblichen seit dem 9. Dezember 2016 vom Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) des nordrhein-westfälischen Landtages zum sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“. Die Ausschuss-Mitglieder der Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Piraten wollen die Ermittlungsarbeit von Polizei und Justiz, die Geheimdienstkenntnisse und Widersprüche und letztlich auch das strukturelle Versagen oder (bewusste?) Fehlverhalten all jener Sicherheits- und Strafermittlungsorgane untersuchen, die mit der Aufklärung der Morde und Anschläge, die heute dem NSU zugerechnet werden, betraut waren. Das haben sie versprochen, als sie vor mehr als zwei Jahren zum ersten Mal zusammengekommen sind. Sie wollten auch den Betroffenen und Überlebenden des Nazi-Terrors zuhören. Auch über Neonazi-Netzwerke und rechte Gewalt in NRW wollten sie sich austauschen und vielleicht Neues zu Tage fördern. Schließlich wollten sie ebenfalls bis heute ungelöste ‚Fälle‘ in den Blick nehmen: Welche unaufgeklärten Gewaltverbrechen sind es, bei denen die Ermittlungsbehörden rechte oder rassistische Motive nicht erkannten oder nicht erkennen wollten. Was hat es mit strukturellem oder institutionellem Rassismus auf sich und was hat dieser z.B. mit der verpassten und verpatzten Aufklärung in polizeilicher oder geheimdienstlicher Arbeit zu tun?
Und was – das schrieb sich der Untersuchungsausschuss in seinem Einsetzungsbeschluss vom 28.10.2014 selbst ins 23-seitige Aufgabenheft – hat der sogenannte „Wehrhahn-Anschlag“ mit rechtem Terror zu tun? Was wissen die Behörden, was haben sie ermittelt? Im Einsetzungsbeschluss heißt es hierzu: „Welche Hinweise liegen über mögliche Verbindungen der Täterinnen und Täter des Sprengstoffanschlags am 27. Juli 2000 auf den S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn und dem NSU vor? Welche Ermittlungen haben dazu seit dem 4. November 2011 stattgefunden? Ist man bei den damaligen Ermittlungen von einem rechtsradikalen Hintergrund ausgegangen? Welche konkreten Ermittlungen wurden in Richtung rechtsradikale Szene unternommen? Gab es dazu einen Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz? Wann wurde das Verfahren eingestellt und warum?“
Bis heute hat der PUA die Untersuchung zum Wehrhahn-Anschlag nicht aufgenommen! Warum? Wir erfahren nichts! Auch wissen wir nichts darüber, wie der aktuelle Stand der Ausschuss-Arbeit ist. Am 10. Januar 2017 hat die letzte, nicht-öffentliche Sitzung des Ausschusses stattgefunden. Von weiteren Terminen, oder gar der Bekundung, die Auseinandersetzung mit dem Wehrhahn-Anschlag nicht hintenüber fallen zu lassen, fehlt jede Spur! Es scheint sich zu bewahrheiten, was NSU-Watch NRW schon im letzten September befürchtet hat: „Es bleibt der Verdacht, dass behördlicherseits kein Interesse an einer eingehenden Beschäftigung mit dem Thema besteht – zumindest nicht in öffentlichen Sitzungen.“
Wir schließen uns der Forderung von NSU-Watch NRW darum umso dringlicher an: Was ist los mit den Ermittlungen zum Wehrhahn-Anschlag?
PUA – bitte melde Dich!
Denn Du weißt ja: We are watching you!

Zum Weiterfragen: https://nrw.nsu-watch.info/nsu-watch-nrw-fordert-oeffentliche-thematisierung-des-wehrhahn-anschlags-im-nsu-untersuchungsausschuss

christdemokratische abendlandretter*innen

In Düsseldorf haben eine Handvoll Christdemokrat*innen den „Konservativen Dialog“ gegründet. „Wir sind ein Zusammenschluss von Bürgerinnen und Bürgern mit dem Ziel, konservative Inhalte in der CDU zu stärken und den Linkstrend zu stoppen“, erklären Stefan Koch, Berit Zalbertus und Ulrich Wensel. Um zu verhindern „dass Leute zur AfD wechseln“, will das Trio ihre Partei mit der AfD verwechselbarer machen. So stellt der „Konservative Dialog“ entweder rhetorische Fragen wie „Herrscht in Belgrad gerade Krieg und Terror? Oder kann es sein, dass die serbischen Sozialleistungen deutlich unterhalb der deutschen liegen“ oder solche, die er nur im Zusammenhang zu beantworten weiß. „Wie sicher fühlen sich Frauen in Düsseldorf“ und „Wie gut sind Muslime in die deutsche Gesellschaft integriert? – darüber haben die Rechtsausleger*innen am 31. Januar (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) in der Freizeitstätte Garath mit anderen selbsternannten Abendlandretter*innen dialogisiert. Mitstreiter*innen bei dem Unterfangen, die rote Zora Angela Merkel in die Schranken zu weisen, finden die Düsseldorfer*innen leider auch andernorts, beispielsweise in Krefeld oder den neuen Bundesländern, wo sich der rechte christdemokratische Rand in ähnlicher Weise formiert.

security übergriffig

Montag, 23. Januar, 20:17 Uhr, Hauptbahnhof, Durchgang zur Bahnhofsmission. Ich kannte das bisher nur aus dem Film. In „Clockwork Orange“ verbreiten zwei aus Alex‘ ehemaliger Ultrabrutalo-Gang, in Uniformen gesteckt, weiter ihre Horrorshow. Jetzt sehe ich aber ganz real, wie fünf Security-Leute einen Angetrunkenen bedrängen. Der Kräftigste ergreift ihn plötzlich, wirft ihn zu Boden, kniet sich auf ihn. „Wir sind hier nicht in Amerika!“ rufe ich laut, blicke mich um. „Das geht gar nicht“, schüttelt eine Schwarze den Kopf. „Ich hab das auch gesehen“, kommt nun jemand aus Richtung der Fahrkarten-Automaten auf mich zu. Der Security ist die Aufmerksamkeit sichtlich unangenehm. Sie lassen den Angetrunkenen wieder aufstehen, per Handy verständigen sie die Polizei. Wir drei schreiben schon mal unsere Adressen auf. Die eingetroffenen Polizisten hören sich zunächst die Version der Security an. Wir stellen klar, was wirklich passiert ist, und wollen dem Angetrunkenen den Zettel mit unseren Adressen geben. Der lehnt dankend ab. Nein, er wolle keine Anzeige erstatten. Kopfschüttelnd gehen wir drei wieder unserer Wege ...

die „unabhängigen arbeitslosen im v6“

So nennt sich eine Gruppe von Erwerbslosen in Düsseldorf, die es seit Ende des Jahres 2012 gibt und im Organisationsbüro der Düsseldorfer Freien Arbeiter*innen Union (FAU) in der Volmerswertherstraße 6 „beheimatet“ ist. Sie legt Wert darauf, „unabhängig von Parteien, Kirchen und DGB-Gewerkschaften“ zu sein und betrachtet sich als eine Form der Selbsthilfe und des Widerstandes gegen die Hartz-Gesetze vor Ort. Entstanden ist die Gruppe vor dem Hintergrund der Einführung der erwerbslosenfeindlichen und unsozialen Hartz-Gesetzgebung zu Beginn des Jahrzehnts. Ein Teil der hier tätigen Erwerbslosen-Aktivist*innen hatte schon vor der Gründung der „Unabhängigen Arbeitslosen im V6“, Erfahrungen bei der Arbeitsloseninitiative Düsseldorf gesammelt, von der sie sich aus internen Gründen getrennt hatten. In den dreieinhalb Jahren ihres Bestehens hat die Gruppe einige Erfolge zu verzeichnen gehabt, was die Beratung von hilfesuchenden Menschen betrifft, welche z. B. unter schickanösen Behandlungen durch Mitarbeiter*innen der Jobcenter in Düsseldorf zu leiden hatten und leiden. Die Durchführung von Infoständen vor den verschiedenen Jobcentern in Düsseldorf gehörte und gehört von Anbeginn der Aktivitäten der Gruppe ebenso dazu, wie die Begleitung von Erwerbslosen zu den Jobcentern. Dass solche Aktivitäten berechtigt sind, zeigt die allgemeine Situation der Erwerbslosen und die alltägliche Praxis der Jobcenter (Sanktionen gegen Leistungsbezieher*innen, Bespitzelung von Erwerbslosen, das Hinausdrängen von Erwerbslosen aus dem Leistungsbezug, Ein-Euro-Jobs, Begleitung zu Sozial- und Arbeitsgerichten und so weiter) ihnen gegenüber nur allzu deutlich: Widerstand ist angemessen. Ganz nach dem Motto: „Dass du dich wehren musst, wenn du nicht untergehen willst, das wirst du ja wohl noch verstehen!“ Diese Einsicht mag wohl nun Allgemeingut unter jenen sein, die in der Vergangenheit einschlägige Erfahrung mit dem Terror der Jobcenter-Besatzungen gemacht haben, aber die menschenfeindliche Praxis „von Staats wegen“ wird ja in Zukunft noch mehr Menschen treffen. Schließlich ist nicht zu erwarten, dass diese Praxis ein absehbares Ende finden wird. Wer nämlich glaubt, dass die Betroffenen es mit „Menschenfreund*innen“ zu tun haben würden, wird tagtäglich widerlegt. Dass sind die Jobcenter-Mitarbeiter*innen und ihre politischen Hintermänner- und frauen sicherlich nicht. Einmal mehr wird sich das zeigen, wenn im Jahre 2017 geflüchtete Menschen bei den Jobcentern „auf der Matte stehen“ werden. Bei den „Unabhängigen Arbeitslosen“ wird man sich darauf vorbereiten. Wenn Betroffene vorbei kommen, wird Hilfe bereit stehen. Leute, die über arabische, persische und englische Sprachkenntnisse verfügen, gibt es in der Gruppe. Wer sich als Hartz-IV-betroffener Mensch auf den Weg zu den „Unabhängigen Arbeitslosen“ macht, um sich im Kampf gegen die „praktizierenden Menschenfeinde“ in den Jobcentern helfen zu lassen und sich gegen sie zu organisieren, ist mit Sicherheit gut beraten. Er oder Sie haben Rechte! Und: Widerstand tut not.
Arbeitslosen-Beratung und mehr: Jeden Mittwoch, 11 bis 14 Uhr, Volmerswerther Straße 6. Kommt vorbei! Denn allein machen sie DICH ein!