Die große Hitlerei

Manchmal wundert man sich über sich selber! Bin ich ein notorischer “Miesmacher”? Übrigens ein Begriff aus großer deutscher Zeit. Wenn man immer beklagt hat, wie unwissend sehr viele Menschen in diesem Land betreffend der jüngeren deutschen Geschichte sind, dann sollte man doch zufrieden sein, wenn so viel über das Ende des Dritten Reiches um den 08.05. herum im Fernsehn läuft. Was also stört mich nun schon wieder? Ich will versuchen, mein Unbehagen in Worte zu fassen.

Die Qualität der verschiedenen Programme ist unterschiedlich, aber es lief eine ganze Menge, was deutlich über dem Niveau des unsäglichen Guido Knopp liegt. Es geht auch nicht um die Kritik einzelner Sendungen. “Speer und Er” ist sicherlich keine Lobhudelei auf den ehemaligen Stararchitekten und Rüstungsminister. Die Schauspieler geben sich alle Mühe, ihren Rollen gerecht zu werden. In einer britischen Dokumentarreihe über Auschwitz ist noch nicht einmal das Schlimmste, dass ein alter SS-Mann sich als Zeitzeuge aufspielt, sondern, so denke ich, dass auch hier mit Schauspielern historische Momente nachgespielt werden und einem die Anlagen im Lager per Computersimulation gezeigt werden. Bruno Ganz hat in einem meiner Meinung nach sehr schlechtem Film wie “Der Untergang” sicherlich nicht als Darsteller versagt. Und so kommt man dem Kern meines Problems näher. Zeitgeschichte, wenn auch zumindest in den beiden ersteren Beispielen sicherlich gut gemeint, wird hier zunehmend mit den Mitteln der Unterhaltungsindustrie bearbeitet. Das ist aufregend. Das ist spannend. Das ist fast so gut wie “Tatort”. Natürlich gab es diese Tendenzen schon immer. Aber die Unterschied­lich­­keiten waren deutlich. Wenn Charles Chaplin den “Großen Diktator” mimt, (was er später angesicht der Schwere der deutschen Verbrechen bedauerte. Zu Unrecht, der Film lehrt mehr über Faschismus als alles von Knopp) so war das die erhellende Parodie auf ein zeitgleiches politisches und gefährliches Phänomen. Und wer bei Indiana Jones die “Bad Nazi Guys” ernst genommen hat, ist selber schuld. Aber wir haben es nun mit etwas Neuem zu tun: Hitler ist nicht mehr die Unperson, die man nicht auf die Bühne bringt, sondern eine Popfigur. Wo soll das enden? Wer sich den großartigen Peter Ustinov als Nero in “Quo Vadis” anschaut, will doch auch nichts über die Geschichte Roms erfahren. Man will Unterhaltung. Wenn nun in Deutschland einerseits der Rechtsextremismus wächst und gedeiht, andererseits das Medienangebot zum Thema so groß ist, dass man beinahe neben dem Kinderkanal auch einen Hitlerkanal installieren könnte, so besteht die Gefahr, dass mal wieder etwas in die ganz falsche Richtung läuft. Faschismus ist die brutalste Form der Herrschaft von Menschen über Menschen. Seine Vermarktung in der bundesdeutschen Medien­­land­schaft nimmt bedenkliche Züge an, die nur noch wenig mit Aufklärung zu tun hat. Auch Dracula hat ein historisches Vorbild, nämlich den rumänischen Fürsten Vlad Tepes, dessen Geschichte fast niemand kennt ....

Wenn man sehen will, wie eine andere Form von Auseinandersetzung mit der Geschichte ablaufen kann, dann erinnere ich an den höchst interessanten Vortrag von Bruno Kartheuser am 24.05.05 im Zakk. Es wurde deutlich, dass dieser Schriftsteller immer wieder von allen möglichen Seiten in seiner Arbeit behindert wird. Es wurde deutlich, dass die Geschichte (in diesem Fall deutsche Kriegsverbrechen in Südfrankreich) für die Überlebenden und ihre Nachfahren immer noch voller Schrecken ist. Und es wurde deutlich, dass sich außer älteren Genossen kaum jemand dafür interessiert. Ich bin 42 Jahre alt und war einer der jüngsten im Saal. Die jungen Leute kommen eher (was ich hier ausdrücklich nicht als Kritik meine) wenn z.B. Partisanen ihre Kriegserlebnisse erzählen, so wurde mir gesagt. Auch hier wieder der Aspekt, dass dies natürlich spannender und unterhaltsamer ist. Nun ist es natürlich vollkommen in Ordnung, Partisanen zuzuhören, aber ich möchte noch einmal betonen, dass die NS-Zeit nicht zu Unterhaltungszwecken taugt. Oder abschließend anders gesagt: Der Zuschauer sollte nachdenken, wer ihm was aus welchem Grund zeigt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Bilder im TV gesendet werden, die mit der realen Geschichte so viel zu tun haben wie John-Wayne-Filme mit der Geschichte der Indianer. Und der Geschichts­revisionismus ist beinahe überall angekommen, wie auch das Europaparlament zeigt, die in einer Resolution Stalinismus und NS Regime mehr oder weniger gleichsetzen. Vorsicht ist also geboten.

Fehri