Mittenwald reloaded

Zum 48. Mal haben sich Pfingsten die Gebirgsjäger der ehemaligen Wehrmacht im bayerischen Mittenwald versammelt um ihre Toten zu betrauern. Die Gebirgsjäger haben schwerste Verbrechen begangen, für die jedoch bis heute niemand verurteilt wurde. Mittendrin in der Versammlung - die Bundeswehr. Zum vierten Mal mit dabei auch viele GegendemonstrantInnen. Und sie werden von Jahr zu Jahr mehr.

Mit allen Mitteln hatte die Gemeinde Mittenwald versucht, die Gegenaktivitäten zu verhindern. Im Vorfeld wurden sämtliche Räumlichkeiten für Veranstaltungen mit fadenscheinigen Begründungen verweigert. Das Treffen mit den Zeitzeugen musste in einem Zelt auf dem abgelegenen Parkplatz des Bahnhofsvorplatz stattfinden.

Unter den Zeitzeugen war auch Maurice Cling aus Paris, der als Jugendlicher ins KZ Dachau kam. In den letzten Tagen des Krieges wurde er von dort aus auf den so genannten Todesmarsch geschickt und in Mittenwald von den US-amerikanischen Soldaten befreit. Sehr bewegend berichtete er von diesen Tagen.

Die Gemeinde Mittenwald sah sich nicht veran­lasst, ihm zumindest einen kleinen Empfang zu bereiten. Während überall Gedenkfeiern zum 60. Jahrestages des Endes des Nazireiches stattfanden und es mittlerweile zum guten Ton gehört, selbst bei CDU Bürgermeistern, Überlebende des Holocausts in ihre jeweiligen Heimatstädte einzuladen, will Mittenwald von diesem Teil der Geschichte nichts wissen. Auch in Mittenwald lebten jüdische Bewohner, die umgebracht wurden. Auf dem kleine Friedhof ist eine Ecke zum Gedenken an die Toten von Mittenwald. An die jüdischen Mittenwälder wird nirgends erinnert. Recherchen haben ergeben, dass unter den dort Erinnerten auch Juden liegen, auf die nicht nur nichts hindeutet, sonder die kurzerhand zu Christen gemacht wurden. Nicht angekündigt war die Kranzniederlegung von Maurice Cling, um an diese Ungeheuerlichkeit zu erinnern.

Die Gebirgsjäger selber machten sich rar. Nur knapp 1.000 Menschen, inklusive Familienangehörige und Bundeswehrsoldaten waren dieses Jahr auf dem Gipfel des Hohen Brendten um ihrer Toten zu gedenken. Dankenswerter Weise hatte die Bundeswehr einen Fahrdienst eingerichtet und spielte auch den einen oder anderen Wehrmachtssong. Einträchtig lag der Kranz von Verteidigungsminister Struck neben dem der einstigen Führerelite, den Ritterkreuzträgern. Proteste an der Fahrtstrecke gab es diesmal kaum, da eine früher dazu benutzte Wiese diesmal den DemonstrantInnen verweigert wurde. Dafür wurde die dort hinführende Bundesstraße kurzzeitig blockiert, bis das bayerische USK (entspricht dem hiesigen SEK – Sondereinsatzkommando), die Demonstration einkesselte. Von einzelnen brutalen Übergriffen der Polizei abgesehen war sie jedoch diesmal wesentlich vorsichtiger, wohl wegen der großen Anzahl der anwesenden PressevertreterInnen. Von Brutalität konnten sich diese allerdings bei einer Hetzjagd auf einen Demonstranten ein Bild machen, die während eines Gottesdienstes im Zentrum Mittenwalds zelebriert wurde.

Bis zum Beginn war es unklar, ob dieser Gottesdienst für die Opfer der Gebirgsjäger nicht doch unterbunden würde. Aber das war den Verantwortlichen dann doch zu heikel. So konnte unter freiem Himmel eine der skuril­sten Veranstaltungen gegen die Gebirgsjäger stattfinden. Solch ein Publikum hat ein Gottesdienst sicherlich selten gehabt. Die Mit­ten­walder ignorierten auch diese Veranstaltung und das lag sicherlich nicht nur daran, das es evangelische Pastoren waren die den Gottesdienst im tiefkatholischen Bayern hielten.

Insgesamt konnte der Widerstand gegen die Gebirgsjäger weiter ausgebaut werden. Das Konzept der dezentralen Aktionen hat sich bewährt. Die Anzahl der Demonstranten ist auf knapp 700 angestiegen; die Gebirgsjäger werden weniger. Übernachteten sonst viele von ihnen in Mittenwald, blieben dieses Jahr viele Zimmer frei. Die Angst, dass der Fremdenverkehr leidet, nimmt zu. Die Einheitsfront der Mittenwalder beginnt zu bröckeln.

Im Vorfeld hat der Tourismusbeauftragte der Gemeinde eine Umverlegung der Gebirgsjägerveranstaltung angeregt. Mit der immer größeren Bekanntheit der Verbrechen der Gebirgsjäger und dem Umgang Mittenwalds mit seiner Geschichte meiden immer mehr ausländische Gäste die Gegend. Doch sollte man weder nur auf diese Schmutzkampagne setzen noch auf die biologische Lösung des Gebirgsjägerproblems warten. Bis heute ist der bayerische Ministerpräsident Stoiber Mitglied dieser verbrecherischen Vereinigung, bis heute bezieht sich die Bundeswehr auf die Gebirgsjäger. Gerade jetzt wird das Sonderkommando der Bundeswehr, das KSK, indem auch Gebirgsjäger sind, in Afghanistan eingesetzt. So heißt es auch nächstes Jahr: Auf nach Mittenwald gegen alte und neue Gebirgsjäger.

Eine Reise, die sich lohnt!