Hauptsache weg

Im letzten Jahr verkündete die CDU, die städtischen Notunterkünfte für Wohnungslose würden aufgelöst und die Menschen in richtigen Wohnungen untergebracht. Im Mai diesen Jahres mussten die ersten der rund 150 Bewohner der Notunterkunft am Walbert in Unterrath umziehen. Von eigenen Wohnungen ist allerdings keine Rede mehr.

Vor mehr als fünf Jahren siedelte die Stadt am Walbert in mehreren Wohnblocks Obdachlose an. Sicherlich hatte die Konzentration von Menschen mit enormen sozialen Problemen in einer Straße auch seine Nachteile. Für viele war es aber erst mal eine Chance, überhaupt von der Straße zu kommen, besonders für Menschen mit Hunden und anderen Haustieren.

“In den nächsten Tagen werden Sie durch die Verwalter eine Ordnungsverfügung erhalten, in der Ihnen Ihre neue Unterkunft und der Tag, bis zu dem der Umzug spätestens zu erfolgen hat, mitgeteilt wird. Den Schritt der Ordnungsverfügung habe ich gewählt, um die Räumung des Objekts termingerecht abschließen zu können”, so ein Vertreter der Stadt Düsseldorf in einem Schreiben an die Bewohner des Walberts. Der Ton macht die Musik. In Düsseldorf muss die Stadt Wohnungslosen, die es geschafft haben von der Straße weg zu kommen, ihren Umzug mit der Androhung von Ordnungsverfügungen mitteilen.

Die Menschen vom Walbert werden jetzt in einer anderen Notunterkunft an der Dorotheenstraße in Flingern untergebracht. Die ehemalige ZAST diente in letzter Zeit nur noch als Überlauf, wenn das neue Obdachlosenasyl in der Harkortstrasse mit über 40 Betten belegt war. Ein Teil des Gebäudekomplexes ist jetzt renoviert worden. Die Vermittlung in eine eigene Wohnung ist für die Stadt im Moment kein Thema mehr. Konzepte und besondere Hilfestellung für die Betroffenen scheinen von Stadtseite aus überhaupt nicht geplant gewesen zu sein. Bei der Fachstelle für Wohnungsnotfälle heißt in einem Gespräch mit Sozialarbeitern, die Leute müssten sich halt fit machen, um auf dem Wohnungsmarkt konkurrenzfähig zu sein. Ein bisschen Druck täte denen mal ganz gut.

Bewohner des Walberts, die Haustiere haben, können nicht in die Dorotheenstraße umziehen, das Halten von Haustieren ist nämlich wie in allen anderen städtischen Notunterkünften verboten. Die zuständige Verwaltungsbehörde sieht sich auf Anfrage auch nur für die Unterbringung von Menschen zuständig und nicht von Tieren. Das gerade Tiere es sind, die ihre BesitzerInnen oft psychisch stabilisiert haben, interessiert hier nicht. Mal abgesehen davon, dass viele einfach an ihren Tieren hängen und nicht bereit sind, sie für einen Umzug in die Dorotheen­straße abzugeben. “Dann mach ich wieder Platte”, war die durchgängige Antwort der Betroffenen.

Am Walbert hat die Stadt jetzt eine hochmoderne Stellwand aufstellen lassen. “Hier entstehen neue Wohnungen, ihr Oberbürgermeister Joachim Erwin”, steht da geschrieben.

Eine Stadt räumt auf

Es wird Frühling, auch in Düsseldorf. In den letzten Jahren gab es für Wohnungslose mit Beginn der wärmeren Jahreszeit und nach dem Hochwasser am Sandstrand hinter der Fußgängerbrücke am Hafen, die Möglichkeit ihr Zelt aufzubauen. Für viele war es eine bessere und sicherere Alternative als irgendwo in der Stadt Platte zu machen. Damit ist jetzt Schluß. Die Düsseldorfer Straßenordnung hat auch die Uferböschung des Rheins erreicht, und die verbietet ja bekanntlich das öffentliche Lagern. Zur Durchsetzung sind wie immer die Ordnungshüter vom OSD mit morgendlichen Kontrollen und Verhängung von Ordnungsgeldern zur Stelle. Allein letzten Sommer zählten StreetworkerInnen der Wohnungslosenhilfe an einem Tag an die 70 Zelte unterhalb der Bremerstraße bis hinter den Golfplatz, die von Wohnungslosen genutzt wurden. Nicht mitgerechnet die ganzen Wochenendcamper. Auch für Familien mit wenig Kohle war das Zelten am Rhein in den Ferien die einzige Art, überhaupt ein bisschen Urlaub zu machen. Einen konkreten Anlass, dass die Zelte nicht mehr geduldet werden, gibt es laut OSD nicht. Massive Beschwerden im letzten Jahr hätten dazu geführt, dass die Straßenordnung jetzt auch dort durchgesetzt wird.

Auch das Gerücht, nachdem dem von Wohnungslosen selbstverwalteten Bauwagenplatz das Aus droht, hält sich eisern. Über ein dutzend Bauwägen stehen seit mehreren Jahren an der Bremerstraße und wurden bisher dort geduldet.

Staatsanwaltschaft gegen FiftyFifty

Eine Vorladung zu staatsanwaltschaftlichen Vernehmung als Zeuge bekam der streetworker des Straßenmagazins fifty­fifty, Oliver Ongaro, letzten Monat zugestellt. Er soll den Namen einer Person mit einer bestimmten Verkaufsausweisnummer preisgeben. Alle fiftyfifty-Verkäufer bekommen vom Straßenmagazin einen Ausweis mit einer Nummer und Passfoto ausgestellt. Bei fiftyfifty gibt es zu den jeweiligen Nummern die entsprechenden Namen, Geburtsort und -datum in einer Kartei. Und eine Behörde, die sich wahnsinnig dafür interessiert: die Polizei. Nicht eine Woche vergeht, ohne dass wild entschlossene BeamtInnen der Düsseldorfer Polizei anrufen und z.B. einen Andreas suchen. Dieser Andreas hat dann eventuell im Zusammenhang mit seiner Heroinsucht gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen. Und soll vielleicht auch mal die fifty verkauft haben. Also könnte man doch mal eben alle Andrease, die jemals fifty verkauft haben, mit Foto samt allen personenbezogenen Daten dem anrufenden Beamten zu kommen lassen. Wenn der Sozialarbeiter des Straßenmagazins dem dann nicht nachkommt, wird der Beamte richtig böse. Ob er denn überhaupt wisse, was Heroinhandel und -konsum für die Menschen bedeute. Soweit reicht der Horizont einiger Düsseldorfer Polizeibeamter.

Dass gerade die Menschen, die ein Obdach­losen­magazin wie fiftyfifty verkaufen, aufgrund ihre materiellen Armut und Suchtkrankheit schneller mit dem Gesetz in Konflikt kommen, liegt in der Natur der Sache. In dem betreffenden Fall geht es um Ladendiebstahl.

Fiftyfifty versteht sich als Lobbyorgani­sation für Wohnungslose, die ansonsten überhaupt keine Lobby haben. In der alltäglichen Arbeit erzählen Menschen dem fiftyfifty-Team oft Dinge, die strafrechtlich relevant sein könnten, allein schon wegen ihrer Suchtkrankheit. Viele Gespräche werden sehr vertraulich geführt, um überhaupt einen Ansatz für Wege aus der Sucht, weg von der Straße zu finden. Dass die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft jetzt die Sozialarbeit des Straßenmagazins kriminalisiert, in dem sie Vorladungen wegen vergleichsweise minderschweren Tatvorwürfen wie Ladendiebstahl verschickt, macht überhaupt keinen Sinn. Sondern zerstört nur Vertrauen von Menschen, die oft eh schon das Vertrauen in diese Gesellschaft verloren haben.