„Europa der Vaterländer“ supported by Congress Center Düsseldorf

Mitte Februar trafen sich Akteure und Claqeure der „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR), der Rechtsaußenfraktion im Brüsseler EU-Parlament, auf Einladung der Alternative für Deutschland (AfD) in Nord­rhein-Westfalen in Düsseldorf zur kollektiven Selbstbestätigung. Etwa 700 Teilnehmer und Teilnehmerinnen fanden den Weg ins Congress Center Düsseldorf, das den Rechtspopulist*innen und Neofaschist*innen von AfD und Konsorten die Räumlichkeiten per Saalmiete zur Verfügung gestellt hatte. Derweil brachten auf der Straße vor dem Messe-Center einige Hundert Menschen ihren Protest über die Veranstaltung zum Ausdruck. Robin Dullinge, See red und die TERZ berichten und wettern.

Für Samstag, 13. Februar 2016 organisierte Marcus Pretzell, Landesvorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD) in NRW, eine Veranstaltung im Congress Center Düsseldorf (CCD). Unter dem Titel „Europäische Visionen – Visionen für Europa“ lud er Heinz-Christian Strache, Bundespartei-Obmann der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), und den slowakischen EU-Abgeordneten Richard Sulík, Vorsitzender der „liberalen“ Partei Sloboda a Solidarita (SaS) [„Freiheit und Solidarität“], als Referenten ein. Heinz-Christian Strache, oft „HC“ Strache genannt, war bereits vor seiner Karriere als Politiker in neonazistischen Strukturen aktiv, von schlagenden Schülerverbindungen über die Wiking-Jugend bis hin zu Kontakten zur DVU und NPD. Richard Sulík ist als EU-Abgeordneter mit der AfD in der rechtspopulistischen, EU-kritischen EKR-Fraktion aktiv, der rechtsaußen-Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer“ im Europa-Parlament, in der die starken rechtspopulistischen und rechtskonservativen Parteien der polnischen „Prawo i Sprawiedliwość“ (PiS) [„Recht und Gerechtigkeit“] und der britischen Conservative Party auch nach extrem rechts offene oder offen extrem rechte Hardliner wie die belgische Nieuw-Vlaamse Alliantie (NV-A) oder die dänische Dansk Folkeparti (DF) vertreten sind.

Die AfD bittet zum Plausch

Der Kongress der AfD begann mit reichlich Verspätung. Am Einlass wurde deutlich, dass bei AfD und FPÖ strikte Hierarchien herrschen. Es gab diverse Bändchen für Parteimitglieder und Nicht-Mitglieder, für den exklusiven Bühnenzugang und für Pressevertreterinnen und Pressevertreter. Stets in Begleitung von Ordnungskräften waren Frauke Petry und „HC“ Strache, der nach seiner Ankunft im Saal erst einmal Dutzende Fotos mit Mitgliedern der Jungen Alternative (JA) machte. Moderator der Veranstaltung war Sven Tritschler, einer von zwei Bundesvorsitzenden der Jugendorganisation der AfD, der mit Marcus Pretzell den ersten Redner ankündigte. Der AfD-Landessprecher erläuterte die Visionen seiner Partei für die EU und für Europa. Diese beinhalten für Pretzell nicht nur eine Auflösung der aktuellen EU, sondern auch eine neue Konstellation von drei verschiedenen europäischen Bündnissen, orientiert an den von Pretzell großzügig interpretierten geographischen Lagen der einzelnen nationalen Akteure: Zunächst ein nordeuropäisches mit Deutschland, Schweden, Dänemark, Österreich, Großbritannien, Finnland und den Niederlanden. Dazu sollen noch die Schweiz und Norwegen kommen, bei denen Pretzell vermutet, dass diese an einer solchen Allianz interessiert sein könnten. Ein osteuropäisches Bündnis mit Polen, Tschechien, Rumänien, Slowakei, Ungarn, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kroatien, Albanien, Kosovo und Montenegro decke „den Osten“ ab. Das letzte Teilbündnis sollte Südeuropa umfassen und aus Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, Portugal, Belgien und aus Luxemburg bestehen.

Diese Bündnisse ergäben sich aus der Sicht der AfD vor allem wegen „unterschiedlicher nationaler Interessen“ und wirtschaftlich verschieden starken Kräften. Es solle auch dort ein Schengen-Abkommen möglich sein, die nationalen Identitäten und Interesse seien hier jedoch in den Vordergrund zu stellen und zu berücksichtigen. Die nationalen Grenzen sollten mehr Gewicht bekommen und der Euro durch „starke“ nationale Währungen ersetzt werden. Dann würde „Griechenland nicht mehr kommen, um Geld zu fordern“. Es brauche ein Europa, das sich auf das Wesentliche konzentriere, also freien Handel, weniger Standardisierung und die Interessen der europäischen Völker.

Nach Pretzell sollte eigentlich Richard Sulík sprechen. In einem Nebensatz wurde erwähnt, dass der EU-Parlamentarier und Wirtschaftsunternehmer wegen der Äußerungen der AfD, an Europas Grenzen auf Geflüchtete schießen zu lassen, kurzfristig abgesagt habe. Ohne weiteres Aufhebens um Sulíks Fernbleiben zu machen, wurde der EU-Fraktionskollege kurzerhand durch einen FPÖ-Abgeordneten ersetzt, Harald Vilimsky. Dieser nahm sich als erster der aktuellen Themen rechtspopulistischer bis rechtsradikaler Parteien an. Er sprach von Hetze und Diffamierungen gegen rechte Parteien durch linken Journalismus, von Gegendemonstrationen und widrigen Altparteien, distanzierte sich darauf von allen radikalen Inhalten und bezeichnete die FPÖ als „die Partei der Mitte“ – nur um anschließend die „Diktatur der Konzerne“, „künstlich geschaffene Milliarden“ und „kriminelle, illegale Einwanderer aus Osteuropa“ zu „kritisieren“. Als Lösung aller Probleme forderte er Volksentscheide nach dem Vorbild der Schweiz und direkte Demokratie zur Kontrolle der Parlamente.

Deutschland sucht den Superstar

Nach einer kurzen Pause kündigte die Pressesprecherin der AfD NRW, Kerstin Garbracht, den vorletzten Redner, „HC“ Strache, an. Beim Betreten der Bühne erntete dieser von den Zuhörerinnen und Zuhörern bereits Standing Ovations. Er servierte den anwesenden Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten das, was sie hören wollten. Seine Ausführungen im (An-)Führer-Ton glichen dabei durchaus einer Rede, die sonst in neonazistischen Spektren zu hören ist. Wie David Köckert, NPD-Mitglied im Stadtrat der thüringischen Kreisstadt Greiz und „ThügIdA“-Organisator, bereits beim Neonaziaufmarsch durch die Leipziger Südvorstadt am 12. Dezember 2015, sagte jetzt auch Strache: „Patriotische Meinungen werden in Europa kriminalisiert!“. Linke seien die Faschisten der Neuzeit, die etablierten Parteien verträten Denkverbote, er aber stehe um so mehr für „ein Europa der Vaterländer, ein Europa des christlichen Abendlandes und mehr Europa für europäische Völker.“ Nach jeder seiner Ausführungen brandete im Saal Applaus auf, was seinen Höhepunkt darin fand, dass der FPÖ-Obmann im Stakkato behauptete, dass im NATO-Bündnis alleine nach geostrategischen Interessen der USA gehandelt werde, dass die EU nur eine billige Kopie der USA sei, dass Geflüchtete in den meisten Fällen gar keine „echten“ Geflüchteten wären, er für den traditionellen Erhalt der Familie und gegen „Genderwahn“ kämpfe. Wie im Vorbeigehen sprach Strache dann noch von „Invasoren“ und quittierte seinen selbsternannten „Fünf Punkte Plan“ mit dem offenkundig aufreizenden Satz „Merkel muss weg!“. Danach skandierten die insgesamt 715 Zuhörerinnen und Zuhörer unisono und quälend ausgiebig ihre „Merkel muss weg!“-Bestätigung. Dieser rhythmisch und vielstimmig leicht intonierbare Schlachtruf war auch den aus diversen Teilen Europas angereisten Rechten bestens bekannt, chorisches Mitrufen war also kein Problem. Mit der Forderung einer „Rückführungskultur“ beendete Strache unter Beifall der Anwesenden seine Rede und überließ Frauke Petry das Feld.

Sie, vom Saal bereits als neue Bundeskanzlerin gehandelt, drückte sich deutlich gemäßigter aus, forderte jedoch die Abschaffung des Asylrechts und dass legislative Entscheidungen, die in der EU gefällt werden, auf nationale Ebenen zurückgeholt werden müssten. Sie hielt eine kurze Rede, wiederholte nicht das, was der Bundesparteiobmann der FPÖ bereits gesagt hatte, wurde jedoch ebenso frenetisch gefeiert.

Nach einer weiteren Pause wurde die Bühne zu einem Podium umgebaut, auf dem die Rednerinnen und Redner erneut Platz nahmen. Aus dem Publikum waren zuvor Fragen eingereicht worden, die von der Moderation, dem Landesvorsitzenden der AfD in Bayern, Petr Bystron, vorher ausgewählt und nun vorgelesen wurden. Es wiederholte sich nun aber nur, was bereits vorher schon gesagt wurde: Forderungen nach „kultureller und nationaler Identität“, nach „freiem Handel“ und „direkter Demokratie“. Das letzte Wort der Veranstaltung hatte Petr Bystron mit einer treffenden Zusammenfassung der „Visionen für Europa“ von rechts: „Wir wollen ein Europa, das aus Vater, Mutter und Kind besteht!“.

Und eine rechtspopulistische und radikal rechte Familie hält zusammen – so die Botschaft des Nachmittages. Wer, um im familienpolitischen Duktus der Anwesenden zu bleiben, in der großen europäischen Rechtsaußen-Familie ‚die Hosen‘ anhat, wird sich indes noch zeigen müssen. Mit Petry und Strache haben sich zweifellos bereits zwei Oberhäupter im Clan gefunden.

ROBIN DULLINGE