Dann mach doch die Bluse zu!

Anna Schiff setzt sich in einer Broschüre der Rosa Luxemburg Stiftung mit Alltag, Definition, Struktur und Ausprägungen von Sexismus auseinander

„Hab‘ gehört, dass du jetzt mit zwei jungen Frauen zusammenarbeitest. Wo kriegst du die nur immer her, hähähä“, sagte ein mittelalter Mann augenzwinkernd zu einem anderen mittelalten Mann und sorgte am Rande einer Tagung für ein herzliches Lachen in der Runde. Als eine der „zwei jungen Frauen, hähähä“ fand ich das nicht soo lustig, sondern eher peinlich und eklig, gelangte jedoch außer einem ambitionslosen Mundwinkel-Nach-Unten-Ziehen plus „Jaja“ zu keinem Konter. Wäre es nicht auch albern gewesen, den beiden, die schon „für die Sache der Frauen“ auf die Straße gegangen sind, als ich noch im Urschlamm unterwegs war, vorzuwerfen, dass das „irgendwie“ daneben war? Und ohnehin völlig sinnlos, weil die sich doch als aufgeklärte Anti-Sexisten verstehen? War das überhaupt sexistisch? (Aber mal ehrlich, es ist im Grunde nicht lustig, mit zwei jungen Frauen zu arbeiten, „lustig“ wird es erst mit Subtext und „Hintergedanken“). Der Umgang mit den wohldosierten harmlosen Alltagssexismen ist angesichts direkter Abwertung aufgrund des Geschlechts oder angesichts sexueller Gewalt anstrengend und führt zu Loyalitätskonflikten. Anna Schiff setzt sich in der kleinen Broschüre „Ist doch ein Kompliment ... Behauptungen und Fakten zu Sexismus“ für die Rosa Luxemburg Stiftung mit dem Einmaleins der Sexismen auseinander:

Es geht um Lohnunterschiede, Schuldübertragung („Dann mach doch die Bluse zu!“), die Political-Correctness-Debatte, rassistische Narrative und den ganzen traurigen Rest. Schiff macht das in einer nüchternen Sprache, was bei dem Aufreger-Thema wohltuend ist. Sie beackert das Minenfeld sehr dialektisch: Nimmt verschiedene Perspektiven ein, entwirft sexistische Szenarien (oder entnimmt diese einfach der Realität, gibt‘s ja genug), kommt der zugrundeliegenden Denke auf die Schliche, um dann anti-sexistische Alternativen zu formulieren. Das ist so gelungen, weil andernorts Diskussionen über Sexismus oft mit Verweis auf die Definitionsmacht enden: Was sexistisch ist, entscheiden halt die Betroffenen selbst. Die eigene Wahrnehmung ist ja auch prioritär, dennoch braucht es zusätzlich fixe Marker, die in der Auseinandersetzung mit dem Außen unterstützen, sexistische Strukturen anzuklagen – und letztlich auch helfen, die Ansicht zu entkräften, das, was Einzelne als sexistisch erleben, sei nun mal „Geschmackssache“, aber kein „echter“ Sexismus. Schiff ihrerseits weist darauf hin, dass die Grenzen zwischen Sexismus und Nicht-Sexismus zwar fließend, aber nie beliebig sind – „immer geht es um Ungleichbehandlung und -bewertung aufgrund von Geschlechterstereotypen.“ Sexismus betrifft auch Männer und andere Geschlechter, und es kommt auf den Kontext und das Machtgefälle an. In folgenden Szenarien hätte der Witz in oben genannter Anekdote zum Beispiel nicht funktioniert, und die Situation wäre nicht so unangenehm gewesen: Es hätte sich um eine reine Frauengruppe gehandelt; der Altersunterschied hätte nicht 30 Jahre umfasst; es wäre nicht das Verhältnis Chef-Mitarbeiterin gewesen; der Spruch wäre ohne das anzügliche Augenzwinkern und „Hähähä“ ausgekommen... Hätte hätte Fahrradkette. Schiff macht klar, dass auch Menschen mit antisexistischem Selbstverständnis sexistisch handeln. Eine Lektüre lohnt also.

Die Broschüre gibt es kostenlos, auch als PDF online abrufbar bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.