was kostet die welt

Es sind andere Hausnummern als, sagen wir, beim Flughafen Berlin-Brandenburg, aber auch in Düsseldorf hat der Bund der Steuerzahler in seinem Schwarzbuch ein paar schöne Stories festgehalten. Trotz Wohnungsnot stand in der Theodorstraße in Rath beispielsweise 16 Jahre lang ein Haus leer. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft ließ es verrotten, freilich fielen drumherum u.a. Sicherungsmaßnahmen und Grünzeug-Bearbeitung an, über die Jahre kamen dafür über 50.000 Euro zusammen. Nun wird das Haus abgerissen und für 1,2 Millionen ein neues hingebaut. Ganz so teuer kommt es die Düsseldorfer*innen im Falle der Rheinbahn nicht zu stehen: Die neue Wehrhahnlinie wurde mit Haltestellen-Schildern ausgestattet, die wohl Adleraugen erfordern: kleine weiße Schrift auf rotem Grund. Werden in Bälde für einen „vierstelligen Betrag“ ausgetauscht. Naja, passiert halt. Die landeseigene Casino-Betreiberin WestSpiel, Tochter der NRW Bank, machte ja schon länger Verluste und von sich reden, als 2014 zwei Warhol-Bilder für 120 Millionen verkauft wurden, um Casinos zu sanieren. Möglicherweise waren die Mitarbeiter*innen der WestSpiel ja deswegen so betrübt, dass nur eine dicke Party die „Verbesserung des Betriebsklimas“ und ein „stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl“ bringen konnte? Für 77.000 Euro wurden die Beschäftigten zum Betriebsfest auf den Ausflugsdampfer geladen. Nichts gegen üppige Feiern mit reichlich Schampus, aber erst landeseigene Kunst verhökern und dann darauf abfeiern?

willkommenskultur können die anderen machen

Viele Düsseldorfer*innen scheinen eine Armada an Argumenten bereit zu haben, um zu erklären, warum Unterkünfte für Geflüchtete in der eigenen Nachbar*innenschaft ganz ungünstig sind. Die Anrainer*innen der Bergischen Kaserne in Ludenberg/Hubbelrath hatten sich von Anfang an gegen eine „konzentrierte“ Unterbringungen von Geflüchteten in ihrem Viertel gewehrt, weil das der Integration und Willkommenskultur schade, es sei außerdem zu ländlich (= wenig Mobilität und Freizeitangebot für diesen Zweck) – und die Immobilienpreise sänken durch die Pläne der Stadt in den Keller (TERZ 03.15). Auch auf das Argument der Steuerverschwendung wird sowohl vom Bürger*innenverein Bergisches Viertel als auch von der CDU-Ratsfraktion immer wieder verwiesen: In anderen NRW-Kommunen seien doch leerstehende Unterkünfte vorhanden, warum dann die Bergische Kaserne in Betracht ziehen?! Die Flüchtlingsbeauftragte Miriam Koch erinnert daran, dass die vorgeschlagenen Einrichtungen in Nicht-Düsseldorf solche ohne Selbstversorgungsmöglichkeiten seien, Verpflegung der Geflüchteten dann also extern und entsprechend teuer erfolgen müsse. Jedenfalls werden an der Bergischen Kaserne jetzt erst einmal Leichtbauhallen für 390 Asylbewerber*innen installiert. Anderer Stadtteil, ähnliche Szenen: Zwischen Volmerswerther und Völklingerstraße baut die Stadt, die pro Woche 60 neue Geflüchtete unterbringen muss, eine zweigeschossige Unterkunft für 320 Menschen. Die Anwohner*innen fürchten, dass ihnen dadurch die Sicht, das Licht und die Ruhe genommen werde und plädieren für eine eingeschossige Bebauung mit 20-m-Abstand zu ihren Grundstücken.

froh zu sein bedarf es wenig ...

Mitte Oktober wurde der neue bundesweite „Glücksatlas“ vorgestellt. Die tatsächliche Aussagefähigkeit solcher Statistiken ist fragwürdig, interessant sind sie aber trotzdem. So ist die Zufriedenheit der Deutschen 2016 beispielsweise „spürbar angestiegen“, angeblich wegen der guten Wirtschafts- und Arbeitslage. (Übrigens wird dabei immer eingeworfen, dass das Glücksniveau TROTZ der „Flüchtlingskrise“ gestiegen sei). Der „Glücksabstand“ zwischen Ost und West hat sich jedoch vergrößert. NRW ist im Vergleich geht so-glücklich und die Kölner*innen sind glücklicher als die Düsseldorfer*innen. Indikatoren für geringere Zufriedenheit sind z. B. Arbeitslosenquote, Mietpreise, Armut. Wenn wir uns einige Anfragen der LINKEN-Ratsfraktion anschauen, finden wir diese Unzufriedenheitsindikatoren wieder: Die Sanktionen gegen Düsseldorfer Hartz IV-Bezieher*innen haben sich innerhalb von fünf Jahren weitaus mehr als verdoppelt (5.912 Sanktionen 2010, 15.341Sanktionen 2015). Die meisten Kürzungen oder Streichungen werden wegen „Konflikten um Meldetermine“ verhängt. Im letzten Jahr wurde die zentrale Fachstelle für Wohnungsnotfälle 2.369 Mal wegen drohender Zwangsräumungen zurate gezogen. Nach Einschätzung der LINKEN geraten immer mehr Arbeitslose, Minijober*innen und alleinerziehende Mütter in eine Mietschuldenfalle. Nicht nur die Miete kann nicht aufgebracht werden, auch für Strom, Gas, Wasser und Fernwärme ist dann kein Geld da. Die Stadtwerke Düsseldorf haben vergangenes Jahr 6.838 mal Strom, 841 mal Gas, 173 Wasser und vier Mal Fernwärme gesperrt.

türkiye, açık cezaevi

Am 7.10. fand auf dem Schadowplatz eine Kundgebung des Vereins „Lächelnde Frauen“ statt, die auf die Verhaftungen, Entlassungen und Verurteilungen von Türk*innen und Kurd*innen nach dem gescheiterten Militärputsch aufmerksam gemacht hat. Unter dem Motto „Türkei - ein offenes Gefängnis / Türkiye, Açık Cezaevi“ protestierten ca. 50 Personen gegen die Kriminalisierung von Oppositionellen und thematisierten, dass besonders Frauen, wegen ihrer politische Gesinnung, ihrer Lebensweise oder in ihrem Job, zum Schweigen gebracht werden. Mit einer kleinen szenischen Darstellung verdeutlichten die Veranstalter*innen, dass eben nicht nur politische Aktivist*innen und Journalist*innen, sondern auch Kulturschaffende, Studierende und Lehrer*innen unrechtmäßigerweise verurteilt werden. Von den verwunderten Blicken einiger Passant*innen abgesehen, gelang es den Organisator*innen, das Interesse der Menschen für den Zerfall der türkischen Demokratie zu wecken und für Diskurs zu sorgen. Die Protestaktion hat ebenfalls bewirkt, dass eigentlich mit dem Konsum beschäftigte Leute für eine kurze Zeit mit der Politik der manchmal so fern wirkenden Türkei konfrontiert wurden.

grüne ohne mumm

In ihrem Programm für die nordrhein-westfälische Landtagswahl im nächsten Jahr traten die Grünen ursprünglich dafür ein, das Versammlungsrecht zu ändern und Sitzblockaden und Vermummungsdelikte weniger streng zu bestrafen. Sie wollten diese Verstöße nur noch als Ordnungswidrigkeiten geahndet wissen, um Polizei und Justiz zu entlasten. Es brach aber sofort ein Sturm der Entrüstung über diese Pläne los. „Straffreiheit für illegale Sitzblockaden? Bagatellisierung des vermummten Schwarzen Blocks bei Krawall-Demos“ – das durfte nach Ansicht der WAZ nicht sein. Die Rheinische Post machte „vermummte Krawallmacher“ derweil als „eine ernsthafte Gefahr für die Polizei“ aus und witterte in der Initiative der Partei sogar einen Verfassungsbruch. Sie wusste aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen auch gleich, wer da Hand an den Rechtsstaat zu legen beabsichtigte: „Insider berichten, die Grüne Jugend habe die Forderung im Programm-Entwurf platziert.“ Nach der Empörungswelle ruderten Löhrmann & Co. umgehend zurück. Sie sprachen von einer „Redigier-Panne“ und strichen den Passus. Dabei hätten sie sich bei ihrem Vorstoß auch auf das Bundesverfassungsgericht stützen können. 2011 etwa sprach es einen Sitzblockierer, der sich bei Frankfurt US-amerikanischen Militär-Fahrzeugen entgegengestellt hatte, vom Vorwurf der Nötigung frei und hob damit ein Landgerichtsurteil auf. Die Entscheidung hatte den Angeklagten nach Meinung der Richter*innen in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt. „Dass die Aktion die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für bestimmte politische Belange bezweckte, lässt den Schutz der Versammlungsfreiheit nicht entfallen, sondern macht die gemeinsame Sitzblockade, die somit der öffentlichen Meinungsbildung galt, erst zu einer Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG“, hieß es in dem Votum.

dicke luft in düsseldorf

Seit Jahren überschreitet Düsseldorf an verkehrsreichen Straßen die Grenzwerte für Stickstoffdioxid-Emissionen, welche die Europäische Union 2010 erlassen hat. An der Corneliusstraße zeigten die Meßgeräte 2015 im Jahresdurchschnitt statt der noch erlaubten 40 Mikrogramm/m3 stattliche 59 Mikrogramm/m3 an. In ganz Nordrhein-Westfalen kam nur Düren auf noch höhere Werte. Anfang Oktober bestätigte eine Studie, die das Heidelberger Institut für Umweltphysik im Auftrag von Greenpeace durchführte, den alarmierenden Befund. „Generell ist auf ein sehr hohes und großflächiges Gesundheitsrisiko in Düsseldorf zu schließen, das an den Hauptverkehrsstraßen noch einmal deutlich höher liegt“, konstatierten die Wissenschaftler*innen. Bereits im Frühjahr hatte die Deutsche Umwelthilfe die Stadt deshalb verklagt – und auch Recht bekommen. Die Richter*innen sahen es als eine staatliche Verpflichtung an, die Gesundheit der Bürger*innen zu schützen, und ordneten an: „Die Bezirksregierung Düsseldorf muss den seit Anfang 2013 geltenden Luftreinhalteplan Düsseldorf so ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwertes für das gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid in Düsseldorf enthält.“ Und die Jurist*innen sprachen sogar schon eine Empfehlung aus: ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge.

armes düsseldorf

In Düsseldorf sind 21,6 Prozent der Bevölkerung arm. Das ergab eine Studie des „Instituts der deutschen Wirtschaft“, die auch die Kaufkraft-Unterschiede in den jeweiligen Städten berücksichtigt und so ein Einkommen von 1.013 Euro als Armutsgrenze ermittelt hat. Gegenüber 2014 ging die Zahl geringfügig um 1,1 Prozent zurück. Besonders Rentner*innen kommen mit ihrem Geld nicht aus, wie Statistiken der „Bundesagentur für Arbeit“ und der Stadt Düsseldorf belegen. 8.742 Rentner*innen mussten in der Landeshauptstadt Grundsicherung beantragen - das sind 7,3 Prozent aller Menschen über 65 Jahre. Von allen Großstädten darbten nur in Köln, Hannover und Frankfurt mehr Senior*innen. Und was macht die Leute so arm? Der Reichtum der anderen. „[N]icht trotz, sondern gerade wegen ihrer großen Wirtschaftskraft“ macht ihnen Düsseldorf nach den Worten von Sozialdezernent Burkhard Hintzsche das Leben schwer. „Städte mit hoher Wertschöpfung, zunehmender Erwerbstätigkeit, starker Einkommensentwicklung und niedriger Arbeitslosigkeit bieten zwar gute Voraussetzungen, um hohe Renten-Ansprüche zu erwerben, sind aber keine guten Orte zum Leben für Rentner“, so Hintzsche mit Verweis auf die hohen Lebenshaltungskosten in unserer „Boomtown“.