Schwestern in Waffen, Schulter an Schulter

Am 2. Mai 1979 war es die Filiale eines Sexshop-Versandhandelsgeschäfts in Düsseldorf, die die Kraft feministischer Militanz zu spüren bekam – die Gruppe „Zornige Frauen“ hatte das Beate Uhse-Geschäft mit einem Brandsatz angegriffen, gepfeffert mit der entsprechenden Stellungnahme. Nur eine Randnotiz? Das Buch „Sisters in Arms“ der Historikern Katharina Karcher gibt erstmals einen Überblick zum Thema.

„Sisters in Arms“ ist die erste weiterreichende Studie zum militanten westdeutschen Feminismus der 1970er und der nachfolgenden Jahre. Für die Zeitgeschichtsforschung war dieser bislang kein Thema, und auch in der Geschichtsschreibung der feministischen Bewegung ist die Geschichte feministischer Militanz unterbelichtet, wenn sie nicht sogar regelrecht ignoriert worden ist. Was nicht zuletzt seine Ursache auch darin haben dürfte, dass zum einen die Überlieferungs- und Quellenlage schwierig ist und zum anderen diese Aktionen und Denkweisen traditionell als „terroristisch“ stigmatisiert werden. Katharina Karcher, die ihre Doktorarbeit an der Universität in Oxford unter dem Titel „Sisters in Arms“ im Mai 2017 im renommierten „Berghahn-Books“-Verlag in New York veröffentlichen konnte, machte sich trotzdem auf den Weg, in der Quellenauswertung und mit Interviews diese fast vergessenen Schwerpunkte feministischer Bewegungsgeschichte zu erschließen. Dabei ist es wohl vor allem auch ihre Blickrichtung auf den Begriff der Militanz, die eine historische Auseinandersetzung aus der Stigma-Ecke herausholt. Denn Karcher definiert Militanz nicht als deckungsgleich mit „Gewalt“ und weist darüber hinaus immer wieder darauf hin, dass Frauen, die sich militant organisierten, entweder als im Verhältnis zu Männern passiv, oder, genauso falsch, als hysterisch und irrational dargestellt, wahrgenommen und beschrieben wurden.

Am 5. März 1975 erfolgte der erste Anschlag mit feministischer Begründung – Ziel war das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Hier setzt „Sisters in Arms“ dann auch einen Startpunkt. Karcher geht es in ihrer Studie aber glücklicherweise nicht um eine Nacherzählung der Geschichte der militanten Gruppen (RAF, Bewegung 2. Juni, Revolutionäre Zellen[RZ]). Vielmehr prüft sie, inwiefern von diesen Gruppen eine feministische Agenda verfolgt wurde, bzw. inwieweit Frauen innerhalb dieser Gruppen feministisch dachten und handelten. Im Fokus stehen dabei neben den Revolutionären Zellen, der RAF und der Bewegung 2. Juni vor allem die Frauengruppen der „Roten Zora“ die sich zuerst innerhalb der RZ organisieren und sich dann zusehends von den RZ abspalten und unter eigenem Namen agieren. Von 1973 bis 1993 verüben allein die Revolutionären Zellen, so Karcher, ungefähr 180 Anschläge.

Karchers Studie ist in fünf Kapitel unterteilt. Im ersten erzählt sie die Entstehung der Neuen Linken und der neuen Frauenbewegung aus den (Folgen der) Ereignisse der Jahre 1967/68. Hier wird einmal mehr deutlich, dass die Eskalation der Gewalt vom Staat ausging.

Im zweiten Kapitel geht sie auf die drei genannten Gruppierungen näher ein und stellt sie vor. In den nächsten widmet sie sich in chronologischer Reihenfolge drei Kampagnenthemen der Frauenbewegung, die auch von militanten Gruppen, hier vor allem der Roten Zora, aufgegriffen wurden: dem Kampf gegen das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, dem Kampf gegen männliche Gewalt und ihre Bagatellisierung (auch durch linke Anwälte, die Vergewaltiger verteidigten) und schließlich der internationalistischen Solidarität mit Sexarbeiterinnen einerseits und dem Kampf gegen den Textilkonzern Adler und für Textil­arbeiterinnen in Korea andererseits.

Zusammenfassend stellt Karcher fest, dass die Bewegung 2. Juni und auch die RAF, obwohl dort, was schon seinerzeit ein großes Thema war, sehr viele Frauen organisiert waren, keine feministische Agenda verfolgten.

Karchers Buch ist für den Assoziation A-Verlag nun ins Deutsche übersetzt worden. Aber natürlich fällt dennoch auf, dass die ursprünglich englischsprachige Forschungsarbeit zu einem großen Teil auf Literatur in englischer Sprache verweist. Dennoch ist ihre Beschreibung des militanten Feminismus in Westdeutschland für die zwei Jahrzehnte von 1968 bis 1989 reich an Beispielen und Quellen. Nicht zuletzt ist Karchers Buch ein absolut lesenswerter, längst fälliger Beitrag zur Zeitgeschichte, zur Geschichte sozialer Bewegungen und zur Debatte um Moral und Ziele politischen Protestes. Wenn Schwestern in Waffen Seite an Seite kämpfen, bleiben Strategiefragen nicht blass.

Bernd Hüttner

Katharina Karcher: Sisters in Arms - Militanter Feminismus in Westdeutschland seit 1968
Verlag Assoziation A
Hamburg/Berlin 2018
240 Seiten, 19,80 EUR
https://assoziation-a.de/buch/Sisters_in_Arms