es trifft einzelne, gemeint sind wir alle!

Am Morgen des 15. und am Mittag des 21. Januar kam es in Düsseldorf und Grevenbroich zu polizeilichen Hausdurchsuchungen bei Antifaschist*innen. Ein Aktivist wird verdächtigt, gemeinsam mit anderen, im Sommer letzten Jahres rechte Burschenschaftler der schlagenden Düsseldorfer Studentenverbindung Rhenania Salingia vor deren Haus angegriffen zu haben. Bei der Auseinandersetzung sollen mehrere Burschenschaftler verletzt worden sein. Die Burschis behaupteten später gegenüber der Polizei, den Genossen auf Instagram erkannt zu haben. Das reichte den Ermittlungsbehörden als Anlass für die Durchsuchung. Der zweite Antifaschist wird beschuldigt, während der Großdemonstration von Coronaleugner*innen und rechten Hooligans an Nikolaus, dem 6. Dezember des vergangenen Jahres, eine gefährliche Körperverletzung begangen zu haben. Genaueres ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt. Bei beiden Razzien waren Kleidungsstücke und Mobiltelefone im Fokus der Kriminalpolizei. Bei dem Antifaschisten in Grevenbroich wurde das Handy nicht gefunden, dafür beschlagnahmten die Beamt*innen aber das Ersparte des Betroffenen. Nach Bekanntwerden der Geschehnisse gab es bereits Solidaritätsbekundungen von der Interventionistischen Linke Düsseldorf [see red!], der Düsseldorfer Ortsgruppe der Roten Hilfe und der lokalen Rechtshilfegruppe: „Schluss mit der Repression gegen engagierte Antifas! Wer zwei von uns angreift, greift uns alle an! Solidarität mit allen kriminalisierten Antifas!“ ³ Hintergrund-Info: Die Rhenania Salingia gehört dem extrem rechten Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) an. Während einige rechte Burschenschaften diesen Verband verließen, weil er selbst ihnen zu offen rassistisch wurde, positionierte sich die Rhenania-Salingia in internen Konflikten auf Seiten der am weitesten rechts stehenden Kräfte. Diese forderten schon einmal einen Arier-Nachweis als Voraussetzung für die burschenschaftliche Mitgliedschaft. Mehrere Mitglieder dieses Flügels der Burschenschaften beschimpften im August 2020 in einem Burschenschaftshaus in Heidelberg einen Verbindungsstudenten antisemitisch, bewarfen ihn mit Geld und schlugen ihn mit Gürteln. In ihr eigenes Burschenschaftshaus in der Reichsstraße lud die Rhenania Salingia Holocaust-Leugner, verurteilte faschistische Terroristen und Identitäre zu Veranstaltungen ein. Im Juni 2020 zeigte sie nach der antirassistischen Großdemonstration von Black Lives Matter in Düsseldorf an ihrem Haus ein Transparent mit der Aufschrift „Frat Lives Matter“ („Frat“ bedeutet Studentenverbindungsbruder) und verspottete die antirassistischen Proteste und das Andenken an George Floyd und alle anderen Opfer rassistischer Polizeigewalt.

taser für die düsseldorfer polizei

Seit Mitte Januar 2021 testet u.a. die Düsseldorfer Polizei sogenannte Taser. Umgangssprachlich heißen diese Waffen Elektroschocker. Sie schießen zwei Drähte in den Körper einer Zielperson und übertragen daraufhin eine Folge von extrem starken Stromimpulsen mit 50.000 Volt, was im „Ideal­fall“ unkontrollierte Muskelzuckungen auslöst, die zur vollkommenen Bewegungsunfähigkeit führen. Verbunden ist dies mit erheblichen Schmerzen im ganzen Körper.
Die Repressionsorgane bezeichnen Taser gerne als nicht-tödliche Distanzwaffen. Dies ist aber eine Verniedlichung und Verharmlosung. Es handelt sich um nichts anderes als ein potentielles Mordinstrument. In den USA starben allein 2018 mindestens 49 Menschen durch einen Taser-Einsatz der Polizei. Insgesamt beläuft sich die Zahl der in den Vereinigten Staaten so ums Leben gekommenen Personen Schätzungen zufolge auf weit über 1.000. Der Hersteller der Waffe und die Polizeibehörden betonen stets, dass bisher niemand durch den direkten Einsatz getötet wurde. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit, denn gerade Menschen mit Herz- oder Lungenproblemen oder unter Drogen oder Alkohol Stehende tragen ein hohes Risiko, die Taser-Attacke nicht zu überleben. Dieses Gefährdungspotenzial ignorieren die Ordnungskräfte jedoch willentlich.
Aber selbst gesunde Menschen können durch den Schock einen Herzstillstand erleiden. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass es in Folge des nicht mehr zu kontrollierenden Muskelapparats zu Stürzen kommt, die Verletzungen oder – im ungünstigsten Fall – den Tod verursachen. Somit werden Polizist*innen, die den Taser abfeuern, zu potentiellen Mörder*innen, da sie bewusst den möglichen Tod ihres Opfers in Kauf nehmen. Insofern müssen für solche Taten nicht nur die Schütz*innen zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch ihre Vorgesetzten wie aktuell der Düsseldorfer Polizeipräsident Wesseler und der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU).
Die niederländische Sektion von Amnesty International zog 2018 zum Test-Einsatz von Tasern in den Niederlanden dieses Resümee: „Meistens wurde er in Situationen genutzt, die keinen Schusswaffeneinsatz erlaubt hätten, und in 80 % der Fälle wurde der Taser sogar gegen Unbewaffnete eingesetzt. In anderen Fällen wurden Menschen getasert, denen bereits Handschellen angelegt waren, oder sie wurden mehrfach getasert, was ein schweres Gesundheitsrisiko darstellt.“ Genau dies ist nun auch in NRW zu befürchten.
Ein Jahr sollen die Taser nun in Düsseldorf, Gelsenkirchen, im Rhein-Erft-Kreis und in Dortmund getestet werden. Worum es Innenminister Reul vor allem geht, machte er schon in der Pressekonferenz zum Testversuch deutlich: Reul beklagte eine Zunahme von Respektlosigkeiten gegenüber Polizeibeamt*innen und sieht die Taser allen Ernstes als probates Mittel an, wieder für Respekt zu sorgen. Da ist die Einsatz-Schwelle ziemlich niedrig, denn beleidigt fühlen sich die Damen und Herren von der Polizei schnell.
Mehr zum Einsatz von und der Kritik an Tasern findet ihr unter https://amnesty-polizei.de

meinungsfreiheit beim zoll unbekannt

Die Beamt*innen des Düsseldorfer Zolls brauchen offensichtlich eine Nachschulung zum Thema „Meinungsfreiheit“. Wie erst vor kurzem bekannt wurde, hat der Düsseldorfer Zoll im Oktober 2020 die komplette arabischsprachige Auflage eines wissenschaftlichen Buches über Abdullah Öcalan und die kurdische Frage beschlagnahmt. 500 Exemplare des Werkes „Your Freedom and Mine: Abdullah Öcalan and the Kurdish Question in Erdogan’s Turkey“ zog er ein. Anlass bot ihm das Cover, das den in der Türkei inhaftierten Führer der kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, zeigt. Auch gegen den Empfänger der Sendung, das Kurdische Studienzentrum in Bochum, wurde ein Strafverfahren eingeleitet.
Das besagte Buch, das der Soziologiedozent Thomas Jeffrey Miley von der Universität Cambridge gemeinsam mit dem an der italienischen Universität Udine lehrenden Geografen Federico Venturini verfasst hat, erschien zuerst 2018 auf Englisch. Es besteht unter anderem aus einer Abhandlung zur kurdischen Frage sowie aus Dokumenten und Interviews mit Politiker*innen, Journalist*innen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zu Fragen der Menschenrechte in der Türkei. Die Beschlagnahmung stellt einen massiven Angriff auf die Freiheit der Literatur und der Wissenschaft dar. Es reiht sich ein in die Kriminalisierung alles Kurdischen in Deutschland. Schon 2018 und 2019 wurden beim Neuss­er Mir-Verlag tonnenweise Bücher und CDs beschlagnahmt (siehe TERZ 03.19). Darunter waren Übersetzungen von Weltliteratur ins Kurdische sowie Kinderbücher und ein gesamtes Musikstudio.
Der Kommunikationswissenschaftler Kerem Schamberger, der den Fall öffentlich machte, bringt es auf den Punkt: „Das Buch von zwei Wissenschaftlern wird eingezogen, weil den deutschen Repressionsbehörden das Cover nicht gefällt? In der langen Reihe der Verfolgung der Freiheitsbewegung ist dies der nächste Skandal in einem Land, das angeblich auf Presse- und Meinungsfreiheit so großen Wert legt. Mit Ausnahme der Türkei gibt es keinen anderen Staat, der derart repressiv gegenüber der kurdischen Bewegung auftritt.“