Wir sind alle Antifa – Wir sind alle LinX!

Zur bundesweiten Kampagne der Roten Hilfe gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus

Wir erleben in Düsseldorf und darüber hinaus seit geraumer Zeit zunehmende Repressionen gegen Antifaschist*innen, in unterschiedlicher Weise. Antifaschistische Gruppen und Initiativen rücken immer stärker in den Fokus von Polizei und Justiz. Dagegen setzten wir uns solidarisch zur Wehr, am 8. Mai mit einer kraftvollen Demonstration durch Düsseldorf!

Repression gegen Antifa

Die Liste der Repressionen, die jüngst gegen Antifas in Deutschland erfolgten, ist lang. Hier ein Einblick in die massivsten Kriminalisierungsversuche:

Im niedersächsischen Landtag wurde dem Thema Antifa höchste Priorität eingeräumt. Der dortige Innenminister Boris Pistorius (SPD) regte im Januar 2021 das Verbot antifaschistischer Gruppen an. Der krude Vorschlag verschwand fast so flott, wie er kam. In Sachsen sollen Jugendzentren ihre Förderung verlieren. In Leipzig-Connewitz und weiteren Städten razzten die Sicherheits- und Staatsschutzbehörden zahlreiche Wohnungen, die Auseinandersetzungen auf den Connewitzer Straßen zu Silvester 2020 waren hier ein willkommener Anlass, Durchsuchungen durchzuführen.

Auch in Düsseldorf waren zwei Aktivisten Anfang 2021 mit Hausdurchsuchungen konfrontiert, da lokale Burschenschaftler den Cops gegenüber angegeben hatten, Gewalt durch sie erfahren zu haben (siehe Terz 02.2021). In Stuttgart sind die Antifaschisten Jo und Dy wegen der angeblichen Beteiligung an einer Auseinandersetzung mit Faschist*innen angeklagt. Hausdurchsuchungen gegen Linke gehen in Dutzende, etwa im August 2020 in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und NRW. Die Inhaftierung der Antifaschistin Lina im November 2020 lässt sich ebenfalls in die Kriminalisierungsversuche gegenüber antifaschistischem Engagement einordnen. Am 14. November 2020 hat das Bündnis BlockZHG (in Aktion gegen das „Zentrale Heldengedenken“, also „ZHG“) in Remagen erfolgreich die Route eines Nazi-„Trauer“- und „Gedenkmarsches“ blockiert. Dort prügelte die Polizei auf die Teilnehmenden der Proteste gegen den Nazi-Aufmarsch ein, kesselte sie ein und verhinderte die Einhaltung des Corona-Abstandes.

Dies sind keine Einzelfälle. Repression gegen Antifaschismus hat in Deutschland System. In dem Land, das am 8. Mai 1945 vom Faschismus befreit wurde. Allein im Jahr 2020 hat die Rote Hilfe e.V. 221 Aktivist*innen finanziell unterstützt, die auf Grund antifaschistischer und antirassistischer Aktionen nach dem Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland strafrechtlich verfolgt wurden. Aktivist*innen, die sich gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft stark machen und sich gegen Rassismus zur Wehr setzen, werden kriminalisiert.

Erstarken der Rechten

All dies geschieht zu einer Zeit, in der Faschist*innen wieder Land gewinnen – ob auf den Straßen oder in den Parlamenten, in Deutschland und weltweit. Durch das Erstarken der AfD in vielen Kommunen wird Druck auf linke und (sozio-)kulturelle Einrichtungen ausgeübt. Nicht nur die Wahlerfolge der rechten Partei zeigen, dass die faschistische Gefahr wieder aktuell ist. Es ist noch nicht lange her, dass die Morde des NSU und die möglichen Anteile von Behörden wie dem Verfassungsschutz bekannt wurden. Knapp zehn Jahre später folgt der antisemitische Anschlag in Halle (Oktober 2019) – der Täter sitzt nun lebenslang in Haft. Kurz zuvor wurde von einem Rassisten ein CDU-Politiker in Kassel getötet (Juni 2019) – das Revisionsverfahren gegen den „Einzeltäter“ Stephan Ernst läuft noch. Am 19. Februar 2020 wurden in Hanau aus rassistischen Motiven neun Menschen getötet; willkürlich, weil sie dem rassistischen Täter nicht ins Deutschlandbild passten. Beinah täglich erreichen uns neue Meldungen über rechte Netzwerke innerhalb der Sicherheitsbehörden, parallel dazu verschwinden Waffen, Munition und Sprengstoff aus ihren Beständen. In rassistischen, antisemitischen, misogynen und LGBTIQ*-feindlichen Chatgruppen radikalisiert sich eine breiter werdende extreme Rechte für den Tag X. Mit dabei sind Reservisten, Beamt*innen der Kriminalpolizei und Angehörige von Spezialeinsatzkommandos. Rechte bewaffnete Gruppen entstehen allerorts und die Dunkelziffer derer, die nicht auffliegen, dürfte noch viel höher sein. Aktuell findet in Stuttgart Stammheim ein Prozess gegen die „Gruppe S“ statt, die im Verdacht steht, terroristische Anschläge geplant zu haben. Wahrscheinlich ist dort aber nur die „Spitze des Eisbergs“ angeklagt. Der Prozess gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgab und Anschläge plante, läuft aktuell.

Antifaschistische Reaktion und der §129

Als Reaktion auf die neuen rechten Bewegungen und das Erstarken faschistischer Strukturen steigen die antifaschistischen Aktivitäten. Der Staat reagiert mit Kriminalisierung und Verfolgung. Besonders in Sachsen: von Lothar König, den Ermittlungen gegen „Dresden Nazifrei“, über die Verfolgung linker Fußballfans der BSG Chemie Leipzig. Im November 2019 wurde eine „Soko Linx“ beim sächsischen LKA gegründet. Die Verhaftung der Antifaschistin Lina durch vermummte Polizisten und der anschließende Helikopterflug von Leipzig nach Karlsruhe sollten bewusst Bilder der Bedrohung durch vermeintlich linken Terror erzeugen. Auch in der bundesweiten Berichterstattung werden die Verhaftung und das Verfahren aufgeblasen. Dafür ließen die Generalbundesanwaltschaft sowie das LKA Sachsen bisher gezielt Informationen an die rechts-konservative Boulevardpresse durchsickern. Seit Jahrzehnten wird mithilfe der Konstruktion von §129 StGB-Verfahren (Bildung krimineller Vereinigungen) gegen Linke ermittelt. Diesen Paragrafen nutzen Staatsanwaltschaften und Polizei gern, um linke Gruppen zu bedrohen, schlimmstenfalls zu zerschlagen. Er ist ein Instrument, um Strukturen zu durchleuchten und sensible persönliche Daten zu sammeln. Zugleich können Gruppen und Einzelpersonen in der Öffentlichkeit als Kriminelle dargestellt und stigmatisiert werden. Ob sich der Vorwurf am Ende vor Gericht erhärten lässt, ist dabei zweitrangig. Der Tatvorwurf allein gibt die Handhabe für weitreichende Ermittlungen.

Bundesweite Kampagne: Wir sind alle Antifa! – Wir sind alle LinX!

Als Antwort auf diese Repressionen ruft die Rote Hilfe e.V. dazu auf, sich gegen diese strategische, auf extremismustheoretischen Ansätzen fußende Kriminalisierung von Antifaschismus zu stellen. Denn in diesen Zeiten braucht es einen starken zivilgesellschaftlichen Antifaschismus. Die Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald schworen bei der Befreiung des Lagers am 19. April 1945: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Ihre Losung ist die unsere.

Darum hat sich die Rote Hilfe mit den Gruppen, die sich aktuell lokal gegen Repression von Antifas einsetzen, zusammengeschlossen, um die lokalen Bündnisse zusammenzubringen und die gemeinsame Stärke zu fördern.

Am 18. März 2021 gingen einige Kampagnen an die Öffentlichkeit:

Die bundesweite Verbindung unter dem Slogan „Wir sind alle Antifa! -Wir sind alle LinX!“ beginnt gerade erst, sie hat noch viel vor! Die Kampagne ist ein Bekenntnis zu konsequentem Antifaschismus und sie fordert Freiheit für Lina und anderen gefangenen Antifaschist*innen.

Wir sind alle Antifa! Lokal in Düsseldorf

Den 8. Mai, dem Jahrestag zur Befreiung vom Faschismus, haben wir in Düsseldorf genutzt, um uns gegen die Kriminalisierung von Antifaschist*innen zur Wehr zu setzen. Dies war ein Tag, um an die zu erinnern, die Opfer des faschistischen Regimes wurden. Darum haben wir die Mahnwache der VVN-BdA am Denkmal für die Opfer des ehemaligen KZ-Außenlagers an der Kirchfeldstraße besucht zum gemeinsamen Gedenken. Wir haben im Anschluss gezeigt, dass wir immer noch als Antifaschist*innen Schulter an Schulter auf die Straße gehen: Mit einer kraftvollen Demonstration mit rund 500 Teilnehmenden sind wir durch Düsseldorf gezogen und haben unsere Forderungen deutlich gemacht: Solidarität ist unsere Antwort auf Repression. Wer sich Faschist*innen in den Weg stellt und damit Faschismus beenden will, für den*die ist der 8. Mai ein Tag, um auf die Straße zu gehen! „Am heutigen 8. Mai erinnern wir an die Befreiung vom Faschismus und die zahllosen Opfer der Nazis. Und wir richten unseren Blick nach vorne im Kampf gegen alte und neue Rechte, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind und denen wir uns im Heute entgegenstellen,“ so Henning von Stoltzenberg vom Bundesvorstand der Rote Hilfe e.V. in seinem Redebeitrag. Zudem gab es starke Redebeiträge von der VVN-BdA, dem SDS und [see red!] IL Düsseldorf sowie von den kurdischen Gruppen Azadî und Fed-Med. Der Demonstration haben sich viele kurdische Freund*innen angeschlossen, die gegen den Angriffskrieg auf Afrin und damit gegen das faschistische Regime in der Türkei auf die Straße gingen.

Kundgebung und Demo am 8. Mai zeigten eindrucksvoll: Als Antifaschist*innen stehen wir solidarisch zusammen! So begreift sich auch die Rote Hilfe: als Solidaritätsorganisation, die politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt. Unsere Solidarität gilt allen, die als Linke wegen ihres politischen Handelns, z. B. wegen presserechtlicher Verantwortlichkeit für staatsverunglimpfende Schriften, wegen Teilnahme an spontanen Streiks oder wegen Widerstand gegen polizeiliche Übergriffe ihren Arbeitsplatz verlieren, vor Gericht gestellt, verurteilt werden. Ebenso denen, die für ihr antifaschistisches Engagement Repressionen erfahren.

Wir fordern das Ende der Kriminalisierung von Antifaschismus, die Freilassung von allen Antifaschist*innen – für eine solidarische Gesellschaft!

Rote Hilfe – Ortsgruppe Düsseldorf-Neuss

Die kompletten Reden zur Demo sind hier nachzulesen:
https://rhduesseldorf.blackblogs.org
Lokale Kampagnen:
https://wirsindallelinx.com #wirsindallelinX
https://freiheitfuerlina.noblogs.org
https://notwendig.org
https://129antifa.net
Mehr Infos unter: https://rote-hilfe.de

Update vom 30. Mai 2021:
Am Freitag, den 28. Mai 2021 hat die Generalbundesanwaltschaft Anklage gegen Lina E. erhoben - wegen „Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Kriminellen Vereinigung“, wie es heißt. Sogar die bürgerliche Presse fragt sich inzwischen, ob die Justiz- und Ermittlungsbehörden „ein Exempel statuieren“ wollen.
Die Klageerhebung bedeutet aber auch, dass Lina in Haft bleiben wird. Unterstützung ist notwendig: https://freiheitfuerlina.noblogs.org/solidarity/