Immer mehr Immobilien-Firmen zahlungsunfähig

Die Blase platzt

Den Immobilienmarkt überzieht eine Insolvenz-Welle, die auch in Düsseldorf einstweilen Investitions­ruinen hinterlässt.

„In einer bunten Nachbarschaft mit internationalen Restaurants, gemütlichen Cafés und zahlreichen grünen Flächen entsteht Unser BILK – ein Neubau mit charmanten Eigentumswohnungen für Singles, Paare und Familien. Entdecken Sie Ihre Traumwohnung in zentrumsnaher Düsseldorfer Lage!“ – so bewerben die Project Immobilien ihr Objekt an der Fleher Straße auf der Internet-Seite. Einstweilen bleiben die Traumwohnungen für die Käufer*innen allerdings ein Traum, denn das Nürnberger Unternehmen hat für vier seiner Tochter-Gesellschaften Insolvenz angemeldet. Real ist nur das Geld, das diese bereits gezahlt haben; einen Betrag von mehr als einer Viertelmillion nannte ein Ehepaar der „Rheinischen Post“. Ganz verloren sind ihre Euros nicht, denn eine sogenannte Auflassungsvormerkung im Grundbuch verschafft den Singles, Paaren und Familien Eigentumsrechte. Ohne eine solche Auflassungsvormerkung dürften sie, wenn aus „Unser Bilk“ eine Investitionsruine würde, nur darauf hoffen, aus der Insolvenz-Masse Rückzahlungen zu erhalten. Die Entscheidung darüber obliegt dem Insolvenz-Verwalter Volker Böhm. Ein Weiterbau kommt für ihn nur in Frage, wenn er ihn mit Hilfe der noch zu erwartenden Raten finanzieren kann. Neue Schulden sind für Insolvenz-Verwaltungen nämlich tabu. Bei einem „Nein“ hätten die Käufer*innen dann noch die teure Möglichkeit, selbst als Bauträger einzuspringen und eigenmächtig Handwerker*innen für die noch ausstehenden Arbeiten zu beauftragen.

Die zweite große Gruppe der Geschädigten stellen die Handwerker*innen. Auf fast 500.000 Euro bezifferte ein Bau-Unternehmen, das für die Project-Gruppe am „Bilkster“ an der Bilker Allee werkelte, seine Außenstände. Eine Dachdecker-Firma, die außer auf dieser Baustelle noch an der Ludwighafener Straße für den Immobilien-Entwickler tätig war, kommt auf ca. 140.000 Euro. Beim vierten Project-Projekt in Düsseldorf – dem Appartement-Riegel „The Pulse“ am Worringer Platz mit 138 Wohneinheiten – ist hingegen der erste Spatenstich noch nicht erfolgt.

Project Immobilien hatte sich einst durch besondere Dreistigkeit ausgezeichnet. So hatte die Gruppe für das Bilkster die „Brause“, die Heimstätte des Kulturvereins Metzgerei Schnitzel, plattgemacht. Einen Verfahrenstrick nutzend, ließ sie trotz eines beantragten Denkmalschutzes die Bagger anrollen. Aber frech kommt eben nicht immer weiter.

Das Unternehmen ist längst nicht das einzige der Branche, das sich in den letzten Wochen für zahlungsunfähig erklären musste. Während die Adler Group inzwischen fast schon routiniert über dem Abgrund kreist, ohne unsanft zu landen, stürzten andere wie Centrum, Euroboden, die Gerschgroup, Development Partner und die Aka Group Insolvenz ab und meldeten Insolvenz an. Die Düsseldorfer Centrum-Gruppe, die aus nicht weniger als 100 Einzelgesellschaften besteht, hat unter anderem beim Ingenhoven-Tal und einer Top-Immobilie am Schadowplatz als Projektentwickler fungiert. Zuletzt stellte sie das spektakuläre Vorhaben, mehrere Geschäftshäuser an der Kö mit Hilfe eines Star-Architekten unter ein Dach zu bringen, vor: den Calatrava-Boulevard. Development Partner zeichnete für die Libeskind-Bauten verantwortlich, Euroboden war auf der Heye-Straße aktiv, die Aka Group auf der Lenné-Straße und die Gerschgroup steht unter anderem hinter dem Büro-Komplex „The Oval“ am Kennedydamm. Allein für den Wohnungsbau kam die „Rheinische Post“ in einer Aufstellung auf fünfzehn von der gegenwärtigen Krise betroffene Projekte.

Verwaiste Anlage-Objekte

Dazu haben viele Firmen mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Von „verlangsamter Vertriebsgeschwindigkeit“ für ihre 133 Eigentumswohnungen in der „Du!“-Anlage spricht BPD. Eine „mehrere Monate so gut wie nicht vorhanden“ gewesene Nachfrage von Käufer*innen für das „Max-frei“ auf der Ulmer Höh’ vermeldet Interboden, und Pandion kriegt seine Objekte an der Neusser Straße nicht los.

Auch die großen Wohnungsgesellschaften stehen vor Problemen. Weil die Immobilien-Preise fallen, mussten sie in ihren Bilanzen für das zweite Quartal des Jahres Wertberichtigungen vornehmen. Die LEG korrigierte um sieben Prozent nach unten und wies deshalb einen Verlust von 1,1 Milliarden Euro aus. Die TAG wertete ebenfalls um sieben Prozent ab und kam so auf ein Minus von 305 Millionen Euro. Bei der Vonovia beliefen sich die Abschreibungen auf 2,7 Milliarden, was zu einem negativen Saldo in Höhe von zwei Milliarden Euro führte.

Dabei beschränkt sich diese Entwicklung nicht auf Deutschland. In England laufen viele Hypotheken-Verträge aus, und neue bekommen die Häuslebauer*innen nur zu deutlich schlechteren Zins-Konditionen, was nicht wenige von ihnen vor finanzielle Probleme stellen dürfte. Besonders dramatisch aber stellt sich die Lage in China dar. Im August hat mit Evergrande der zweitgrößte Projektentwickler des Landes vor einem US-Gericht einen Insolvenzantrag gestellt. Um die Nr. 1 steht es ebenfalls nicht gut. Country Garden konnte jüngst keine Zinszahlungen mehr leisten, denn das Unternehmen kämpft mit einer großen Schuldenlast und Umsatz-Einbrüchen. Da die Branche ein enormes ökonomisches Gewicht hat – ein Drittel der Wirtschaftsleistung des Staates beruht auf ihr – und China wiederum für die Weltwirtschaft von großer Wichtigkeit ist, droht eine Kettenreaktion. „Chinas Immobilien-Branche gilt manchen aufgrund ihrer Bedeutung für China als die wichtigste Branche der Welt. Ihre Schwäche trifft die Volksrepublik. Und deren Wachstum sollte laut Internationalem Währungsfonds in diesem Jahr mehr als ein Drittel zum Wachstum beitragen“, schreibt die FAZ.

Vorkriegsschäden

Dem Adler-Vorstandsvorsitzenden Thierry Beaudemoulin zufolge steht der Sektor in einem „perfekten Sturm“. Ulrich Höller von der ABG Real Estate Group beschreibt die gegenwärtige Situation als die herausforderndste seit Jahrzehnten, und der Centrum-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz findet ähnlich drastische Worte. „Der Markt befindet sich gegenwärtig in einem toxischen Dreieck aus massiven Kostensteigerungen, höheren Zinsen und einem quasi zum Erliegen gekommenen Investment-Markt“, so Geiwitz. Angebahnt hatte sich das Ganze jedoch schon lange vor dem Ukraine-Krieg und dessen wirtschaftlichen Folgen wie z.B. gestiegenen Inflationsraten. Die Finanz-Krise von 2008, die im Kern auch schon eine Immobilien-Krise war, oder genauer der Umgang mit dem Crash machte den Weg frei zu den jetzigen Verwerfungen. Die Zentralbanken senkten damals die Zinsen massiv, und die Staatsanleihen gaben ebenfalls nichts mehr her, so dass die Investor*innen gar nicht mehr wussten, wohin mit dem vielen Geld. Es herrschte „Anlagenotstand“, bis das Monopoly-Spiel begann, in China zusätzlich von einem milliarden-schweren Konjunkturprogramm befeuert. Allein in Düsseldorf flossen von 2010 bis 2020 Jahr für Jahr ca. fünf Milliarden Euro in den Wohnungs- und Immobilienbereich (siehe letzte TERZ). Die Preise, die Renditen und die Mieten stiegen und stiegen. Die Deutsche Bundesbank warnte zwar regelmäßig vor einer Überhitzung des Marktes, weil die Kaufsummen nicht mehr den Fundamental-Daten entsprachen – Überbewertungen von bis zu 40 Prozent bei Wohn-Immobilien in den großen Städten konstatierte sie – aber diese Signale wollte niemand hören.

„Platzt gerade eine Immobilien-Blase?“, fragte die FAZ am 22. August, um die Leser*innen am Ende jedoch wieder zu beruhigen: „Es scheint (...), dass im Augenblick nur etwas Luft daraus entweicht.“ Die Ventil-Funktion hat dabei der Banken-Sektor inne. Wenn er standhält und die Immobilien-Krise nicht wie im Jahr 2008 auf ihn übergreift, bleibt es bei dem, was die Ökonom*innen wahlweise Markt-Bereinigungen, Preis-Korrekturen oder schöpferische Zerstörung nennen. Und zumindest für Deutschland sieht die Zeitung hier noch keine Gefahr: Keine Kreditausfälle und Zwangsversteigerungen in großer Zahl. Auch hätten Deutsche Bank & Co. bei den Finanzierungen Vorsicht walten lassen. Aber nicht umsonst erhöhen Landesbanken wie die Bayern-LB, die Immobilien-Kredite in Höhe von 67 Milliarden in ihren Büchern stehen hat, ihre Rückstellungen. Auch Immobilien-Banken wie Aareal und die „Deutsche Pfandbriefbank“ treffen bereits Vorsorge. Und im Juli begann die Europäische Zentralbank alle Geldhäuser auf Bonität zu prüfen, die dem Immobilien/Kaufhaus-Konzern Signa des Österreichers René Benko Geld geliehen hatten.

In den USA, wo Donald Trump einige der nach 2008 eingeführten strengeren Auflagen im Bankbereich wieder zurückgenommen hatte, gibt es bereits einige Wackel-Kandidaten. „Es wird mit einer Kreditausfall-Welle am US-Markt für Gewerbe-Immobilien gerechnet“, schreibt die FAZ. Die Rating-Agenturen haben inzwischen reagiert und an einige der in diesem Segment besonders aktiven Regionalbanken schlechtere Kreditwürdigkeitsnoten verteilt. In China zeigen sich nicht so sehr die Geldhäuser als vielmehr andere Finanzmarkt-Akteure verwundbar. Der Finanzdienstleister Zhongrong ist Kund*innen Geld schuldig geblieben, und auch die Anlage-Gesellschaft Zhongzhi hat Zahlungen nicht leisten können, was unlängst die chinesische Bankenaufsicht auf den Plan rief.

Und die Mieten, die in der Boom-Phase so stark anstiegen, sinken die jetzt in der Krise? Pustekuchen! Sie legen weiter zu, mit ihnen hoffen sich einige Unternehmen wieder zu sanieren, denn je höher die Mieten, desto mehr vermögen die Firmen für ihre Häuser zu verlangen. So macht Carsten Meier von der Düsseldorfer Dependance des „Ring Deutscher Makler“ das „nachweisbar extreme Anziehen auf dem Mietmarkt“ Hoffnung. Auch der Vonovia-Chef Rolf Buch sieht hier gute Chancen, da die zusätzlichen Mieteinnahmen die wachsenden Zins-Ausgaben ausgleichen. „Die Frage, die sich Investoren stellen sollten, ist: Kompensiert die künftige Miet-Entwicklung die künftige Zins-Entwicklung? Die ersten sechs Monate haben wir das offensichtlich hingekriegt“, sagt er. Für den Rest soll dann die Politik sorgen. Von besseren Abschreibungsmöglichkeiten und der Senkung der Grunderwerbssteuer über schnellere Baugenehmigungen sowie weniger Vorschriften für die energetische Sanierung und die Entsorgung von Bauschutt bis zur Ausweisung von mehr Bauland reichen die Forderungen, die bestimmt nicht alle unerfüllt bleiben.

Hohe Mieten also in guten und schlechten Zeiten für Project & Co. Da gilt das, was die TERZ bereits in der Sommer-Nummer schrieb: „Die private Immobilien- und Wohnungswirtschaft war in der Phase des Booms nicht in der Lage, eine ausreichende Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum sicherzustellen. In der jetzigen Krise ist das noch weniger zu erwarten. Wäre es da nicht an der Zeit, die Befriedigung des Grundbedürfnis Wohnen nicht länger dem Markt zu überlassen?“ In der Konkursmasse der Immobilien-Gesellschaften könnte der Staat so einige Schnäppchen für einen Neustart machen.

Jan