Der Krieg und die Linke

Der in der Juni-TERZ veröffentliche Artikel „Das Friedensbündnis NRW – „Querfront“-Bestrebungen in Düsseldorf?“ hat einige Kontroversen ausgelöst. In diesem Zusammenhang erreichte die Redaktion ein Statement, das wir im Folgenden abdrucken. Überdies haben wir uns entschlossen, die Zuschrift mit weiteren Beiträgen zu Krieg und Frieden zu rahmen.

Vorab nur eine Bemerkung: Die TERZ versteht sich als Forum für Diskussion und Streitkultur, wie auch im Impressum steht, und stellt die Ausgaben unter dieser Prämisse zusammen. Das bedeutet zwangsläufig, dass wir nicht automatisch jede Position unserer Autor*innen teilen. Uns müssen ihre Anliegen nur wichtig und durchdacht genug erscheinen, um publiziert zu werden. Und manchmal fragen wir zudem gezielt nach Artikeln zu einem bestimmten Thema. Vorgaben zur Ausrichtung machen wir dabei nicht.

Diese Stellungnahme zum Artikel in der TERZ 6/2023 Das ‚Friedensbündnis NRW’ - ‚Querfront‘-Bestrebungen in Düsseldorf drucken wir als Leserbrief ab. Die Autorin sieht das ‚Friedensbündnis’ als Opfer einer breiten Denunziationskampagne, für die die TERZ sich als Kronzeuge bemühen ließe.

Von der Schwierigkeit, in diesen Zeiten (Friedens-)Politik zu machen - ein Leserbrief

Ein bisschen (und wahrscheinlich nicht zufällig) erinnert mich der Artikel an düstere Coronazeiten. Wer damals skeptisch war gegenüber den Maßnahmen oder auch dem neuen MRNA-basierten Impfstoff, wurde mit sofortiger Wirkung gebashed, galt als rechtsoffen oder schlimmer als radikaler Rechter, als Schwurbler, Verschwörungstheoretiker, Wissenschaftsfeind u.v.a. mehr. Erinnert sei zum Beispiel an die Initiative #allesdichtmachen von Dietrich Brüggemann, in deren Gefolge es Forderungen gab, die Mitwirkenden (z. B. Jan-Josef Liefers oder Nena) von den Bildschirmen und Bühnen zu verbannen. Das Bashing wirkt immer noch nach. Bei letzteren beiden ist es allerdings nicht gelungen, sie in der Versenkung verschwinden zu lassen. Was nun hat das Friedensthema mit dem Corona-Thema gemeinsam?

Gemeinsam ist beiden, dass der Meinungskorridor zu den Themen extrem eingeschränkt ist und Kritiker immer – bevor sie auf die Details kommen – bestimmte Sätze vorausschicken müssen wie „Ich bin nicht gegen die Impfungen, aber ...“ oder „Wir verurteilen den brutalen russischen Angriffskrieg, aber .... Alles, was nach dem „aber“ kommt, findet keine Zuhörer mehr.

Wer darauf hinweist, dass jeden Tag in diesem mörderischen Stellungskrieg Hunderte junge Menschen sterben, holt sich sofort einen Kommentar ab wie „Aber soll Putin damit durchkommen?“ Als ob nicht auch schon früher Kriege durch Verhandlungen beendet worden wären.

Was die beiden Themen noch so gemeinsam haben ist der Umstand, dass es parlamentarisch keine wählbare Opposition gab. Das erinnert ein bisschen an den Krieg gegen Jugoslawien, an dem die Bundesregierung (rot-grün) aktiv beteiligt war und uranangereicherte Munition in Form von Streumunition verschossen hat. Der Effekt ist, dass die Bevölkerung bis heute eine hohe Krebsrate aufweist. Auch damals schon wurde der Krieg mit angeblich moralischer Überlegenheit begründet.

Dass zur Legitimation einfach mal ein paar gut platzierte Lügen verbreitet wurden (das Massaker von Racak, der Hufeisenplan) habe ich im Kopf, wenn die Mär verbreitet wird, dass Russland die Nordstream-Pipelines zerstört haben soll, die eigenen Kriegsgefangenen eliminiert haben soll oder den Kachowa-Stausee kaputtbombardiert haben soll.

Auch gegen den Jugoslawienkrieg war das Friedensforum Düsseldorf einsam auf der Straße. Und das ist auch jetzt wieder so. Wir glauben, dass dieser Krieg in der Ukraine das Zeug hat, zu einem Weltenbrand zu werden.

Die Bundesregierung ist der zweitgrößte Finanzier des Ukrainekrieges von westlicher Seite nach den USA. Auf deutschem Boden gibt es das Hauptatomwaffenarsenal von Nato und USA, das Logistikzentrum in Kalkar und vieles andere mehr. Wir werden in einem dritten Weltkrieg quasi automatisch der Austragungsort sein. Soll niemand sagen, er habe es nicht gewusst.

All diese – aus unserer Sicht nachvollziehbare – Besorgnis scheint den Autor des Artikels über das Friedensbündnis NRW kalt zu lassen. Er unterstützt die Regierung, indem er die wenigen, die sich noch auf die Straße bewegen, diffamiert, auch mit ihrem Klarnamen. Umgekehrt dürfen wir allerdings den Namen des Organisators der „Gegendemonstrationen“ nicht nennen. Es heißt, so die Terz, er sei ja Antifa und deshalb schützenswert. Außerdem könne sie bei Nennung des Namens verklagt werden.

Aber was ist mit denen, die der Autor (Tom Burkhardt; mit Sicherheit ein Pseudonym) namentlich benennt? Will er Menschen wie Jürgen Schuh und Hermann Kopp, die seit Jahrzehnten bei der VVN mitarbeiten und für ihr Engagement mit Berufsverbot und Repressalien aller Art bedacht worden sind, ihre antifaschistische Gesinnung aberkennen, sie denunzieren? Oder will er einfach nur die einschüchtern, die auf die Straße gehen oder mit dem Gedanken spielen, es zu tun? Jedenfalls liefert der Autor des Artikels außer Vermutungen und vielen Gänsefüßchen eigentlich nichts Brauchbares ab.

Unterstellt wird, dass die Hauptinitiatoren einfach die Themen getauscht hätten. Das ist leicht widerlegbar. Die Hauptforderungen bei den Corona-Demonstrationen waren „Frieden-Freiheit-Selbstbestimmung“. Selbst wenn ein Mitglied in rechten Bewegungen aufgefallen ist: Wer glaubt ernsthaft, dass Einzelne die Botschaft für den Frieden schmälern können. Denn – wie eine Erklärung der traditionell Friedensbewegten argumentiert – die Friedensbewegung ist nicht rechtsoffen. Und wer Antworten will, kann ja die Person selbst fragen. Vielleicht bekommt er/sie ja auch eine Antwort. ohne gleich alle Demonstranten nach Kontaktschuldmanier zu diskreditieren.

Es gibt gerade in der Tat eine breite Reihe aller möglichen Organisationen, von der DFG-VK über die VVN bis hin zu ATTAC, die ihr Nichtstun gegen den Krieg vor allem mit der Rechtsoffenheit des Friedensbündnisses NRW begründen. Und die Terz wird mit ihren Artikeln in die Kronzeugenrolle katapultiert. Das ist das wirklich Neue.

All das macht unser Engagement für den Frieden nicht einfacher, aber immer unverzichtbarer. Und – wie in den 80ern, als wir auch schon diffamiert wurden – werden wir weiterhin auf die Straße gehen für Frieden und Abrüstung. Einfach, weil wir nicht ruhig weiterschlafen können wie die vielen, bis die irgendwann erstaunt aufwachen, wenn der Krieg auch hier noch spürbarer angekommen ist. Die wirtschaftlichen Probleme erreichen uns ja schon jetzt. Das Ermutigende ist, dass unser Protest bunter wird, dass sich viele Friedensinitiativen mittlerweile angeschlossen haben.

So manch eine/r glaubt den Diffamierungen nicht mehr. Das kann jeder Person, die von ganzem Herzen für den Frieden ist und der Losung anhängt „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“ anempfohlen werden. Machen Sie sich selbst ein Bild von unserem Protest. Fragen Sie die Initiatoren einmal, ob sie irgendetwas mit rechts zu tun haben wollen! Trauen Sie sich!

Maggi Winkler

Die Redaktion teilt nicht den Begründungszusammenhang, dass der Kampf gegen Krieg mit der Kritik an Corona-Maßnahmen ursächlich zu verbinden ist.