Jeder Tag ist Büdchentag

Noch vor seinem Auftritt beim Unternehmertag NRW 2023 in Düsseldorf lässt es sich Olaf Scholz nicht nehmen, anlässlich des Büdchentages auf Tuchfühlung mit der Düsseldorfer Bevölkerung zu gehen. Einer der vielen volksnahen Auftritte, mit denen der Kanzler medienwirksam durch das Sommerloch geistert.

Das Bachplätzchen in Unterbilk rund um das Büdchen Bedri‘s Island wird frühzeitig und weiträumig abgesperrt, das Büdchen mit Spürhunden nach Sprengstoff durchsucht, Helikopter kreisen, reichlich Personenschutz in erkennbarem Zivil.

Hunderte von Schaulustigen haben so null Chance auf ein erhofftes Selfie mit Olaf. Das dreimal siebenminütige Speeddating an drei Biertischen vor dem Büdchen mit den Organisatoren des Büdchentages bleibt für das interessierte Publikum in unerreichbarer Ferne.

Aber auch lautstarker Protest hat sich angesagt: „Scholz muss weg!“ Die nicht näher definierbare, aber doch sehr überschaubare Gruppe skandiert weiter: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ Nicht etwa, um mit der zweiten Zeile auf „Karl Liebknecht“ zu enden, sondern: „Wer war mit dabei? Die grüne Partei!“

An einem Laternenmast hängt etwas verloren eine Fahne mit einer Friedenstaube. Neben mir steht jemand mit einem T-Shirt, auf dem „Lauterbach vor ein Impf-Tribunal!“ gefordert wird – die Farben der Reichsflagge wurden nicht gesichtet.

Text und Foto (siehe Druckausgabe): Michael Flascha


Jeder Mensch – eine Celebrity?

„Jeder Mensch ist ein Künstler“ wurde uns vor zwei Jahren landauf landab eingetrichtert, als der 100. Geburtstag des Filzhutmanns mit über 100 Ausstellungen, Projekten, Events in ganz NRW abgefeiert wurde. Der Kunstpalast (respektive NRW-Forum) überrascht uns jetzt mit der Botschaft: „Auch Celebrities sind Menschen“, denn auch diese machen Kunst. Werke von eineinhalb Dutzend Celebrities sind dort aktuell zu sehen, unter anderm auch Werke der Tochter Wolfgang Niedeckens. Merke: Der Erbmonarchie ist nun das Erb-Celebritytum an die Seite gestellt. Die Blutsverwandtschaft mit einer Celebrity reicht aus, um selbst zur Celebrity zu werden. Nix gegen die Werke der Ausstellenden. Sie mögen gut oder schlecht sein. Aber welchen geistigen Nährwert hat für uns die Erkenntnis, dass Celebrities auch Menschen und folglich Künstler*innen sind? Während Christopher Nolan, ein Heroe des Blockbuster-Action-Kinos, mit „Oppenheimer“ sich Seriöserem widmet (siehe die Rezension S. 17-19), biedert sich der Kunstpalast in alberner Weise an den Mainstream an. Sicher werden die Celebrities ein Publikumserfolg. Glückwunsch an den Kunstpalast!


Kitaplätze fehlen weiter in Düsseldorf

„Die anvisierte Zahl von insgesamt 29.000 Kita-Plätzen ist mit rund 28.000 Kita-Plätzen bislang nicht erreicht worden. Und so bleibt es auch in diesem Jahr bei einer Unterdeckung von bis zu 1000 Plätzen“, stellt das Düsseldorfer Bündnis für eine gerechte Gesellschaft fest.

Das breite Düsseldorfer Bündnis für eine gerechte Gesellschaft und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordern nun einen höheren Gewerbesteuer-Hebesatz für Düsseldorf. Zugute kommen soll das zusätzlich eingenommene Geld den Düsseldorfer Kitas. Damit sollen die Bildungsarbeit verbessert und dringend benötigte Fachkräfte angeworben werden.

Silke Steingräber, Vorsitzende des Personalrats der allgemeinen Stadtverwaltung, weist auch auf die Überlastung der Mitarbeiter*innen durch den zunehmenden Mangel an pädagogischen Fachkräften hin. Die Erzieher*innen und Kinderpfleger*innen seien überlastet. Burn-out-Diagnosen nehmen zu.

Für Familien, die auf eine verlässliche Betreuung angewiesen sind, hat das Folgen. „Betreuungszeiten müssen von 45 auf 35 Stunden reduziert oder Öffnungszeiten eingeschränkt werden“, sagt Steingräber. „Kommt das Recht der Kinder auf frühe Bildung weiterhin zu kurz, befinden wir uns bald auf dem Weg zu Verwahranstalten.“

-mf-

https://buendnis-gerechtigkeit-duesseldorf.de


Nachruf

Am 15. August verstarb der ehemalige TERZ-Mitarbeiter Marcus Maida im Alter von 59 Jahren. Marcus, der bereits seit längerem an einer Herzschwäche litt, hat lange Jahre eine regelmäßige Musikkolumne geschrieben, erst unter dem Titel „Spare Parts“, dann unter „made my day“. Noch als er schon längst nicht mehr in Düsseldorf lebte, hielt er der TERZ die Treue. Wann es genau mit ihm bei uns anfing, wusste Marcus in seinem Verabschiedungstext vor fast genau zehn Jahren selbst nicht mehr recht zu sagen: so um 1998 herum. Über das kurzlebige Düsseldorfer Musikmagazin SEVEN war Marcus zu uns gestoßen und machte neben seiner Kolumne von Zeit zu Zeit auch Interviews wie z. B. mit den Goldenen Zitronen oder Cat Power, und verfasste Buchkritiken.

Die Redaktion war meist schon stolz, wenn sie in „made my day“ auf ein oder zwei Namen stieß, die ihr etwas sagten. Aber Chlorgeschlecht, Nobukazu Takemura, Lexaunculpt, Herpes ö Deluxe, Kpt.MichiGan, Oren Ambarchi, Doron Sadja et. al. – um mal ein beliebiges Beispiel aus dem Juni-Heft 2003 zu nehmen – das stieß auf taube Ohren.

Marcus’ Hauptinteresse galt sehr avancierter Musik. Er blieb jedoch auch alten Tönen gegenüber immer offen und verblüffte ab und an mit lobenden Worten für Folk-Bard*innen oder Garagenrocker*innen aus dem Ruhrpott. Aber mit den neuen Tönen verband sich immer auch eine ästhetische Vorstellung von unkommerzieller, unkonventioneller Musik ohne feste Struktur und mit gleichberechtigtem Ensemble, was eben auch eine politische Vorstellung war. Er wusste genau, warum er in der TERZ schrieb, wenn ihm auch manches, was er dort zu lesen fand, wohl ähnlich befremdlich vorkam wie uns seine jeweiligen Monatslieblinge. Den Graben zwischen linken Kulturarbeiter*innen und der reinen Polit-Fraktion zuzuschütten, war in der aktiven Zeit von Marcus eine ewige Baustelle. Heute ist sie verwaist. Für das Nachdenken über die möglichen politischen Implikationen von Popkultur, das Marcus zusammen mit Brüdern im Geiste wie Günther Jacob und dem ebenfalls schon verstorbenen Martin Büsser betrieb, gibt es auch keinen geeigneten Ort mehr.

Mit „The Final Curtain“ überschrieb Marcus seine letzte „made my day“-Kolumne im September 2013. Der Zeit- und Arbeitsaufwand war ihm zu hoch. Als prekärer Poplinker konnte er sich ihn nicht mehr leisten. Aber er fand auch irgendwie, dass es genug sei und hoffte auf Jüngere, „die über neue Musik berichten, sie schön kaputt- und hochschreiben und damit hoffentlich auch ein Quantum politisches Bewusstsein vermitteln können“. Marcus’ Schlusswort damals war ein Dankeswort an alle, die mit ihm in einen Austausch getreten sind über „eines der lebenswertesten Dinge, die das Leben ausmachen:

Musik.“

So im Orginalumbruch, mit dem Marcus seiner Leidenschaft ein Alleinstellungsmerkmal verschaffte. Ich finde jetzt kein Schlusswort und kann nur sagen: Alle in der Redaktion, die ihn noch kannten, sind sehr traurig.