Ein fiktiv ausgeglichener Haushalt

Das Milliarden-Paket

Mitte Dezember verabschiedete Schwarz-Grün den Haushalt für 2024. Auf den ersten Blick sieht alles gar nicht so schlecht aus. Drastische Einschnitte bleiben aus. Bei genauerer Betrachtung trübt sich das Bild allerdings.

„Krisen gab es schon immer. Aber in diesem Jahr scheinen die Krisen und ihre Bewältigung zu kulminieren“, mit diesen Worten begründete die „Gesellschaft für deutsche Sprache“ ihren Entschluss, „Krisenmodus“ zum Wort des Jahres gekürt zu haben. An Düsseldorf scheint das alles jedoch vorbeigegangen zu sein. Die Wirtschaft brummt, und die Gewerbesteuer-Einnahmen sprudeln nur so. Auf rund 1,5 Milliarden Euro beliefen sie sich im abgelaufenen Jahr. Und es waren längst nicht nur die Kriegsprofite von Rheinmetall, die die Kassen klingeln ließen. „Die inflationsbedingten Preis-Steigerungen haben zu steigenden Gewinnen bei den Unternehmen geführt“, sagte Stadtkämmerin Dorothée Schneider und meinte eigentlich das Gegenteil: Die Preis-Steigerungen waren nicht inflationsbedingt, denn sie haben mehr als nur ausgeglichen. Die Konzerne haben vielmehr die Ungunst der Stunde genutzt, um kräftig draufzuschlagen und die Krise der anderen zu Extra-Profiten zu nutzen – Gierflation.

Dank dessen blieb auch für die Finanzämter ein bisschen mehr übrig. Dementsprechend konnte die schwarz-grüne Rathaus-Mehrheit einen „fiktiv ausgeglichenen Haushalt für das Jahr 2024“ präsentieren. „Fiktiv“ deshalb, weil die Ausgaben mit 3,9 Milliarden Euro faktisch die kalkulierten Einnahmen von 3,6 Milliarden übersteigen und für ein Minus sorgen. Dieses fangen jedoch die dank der Gewerbesteuer-Zahlungen üppigen Rücklagen auf, weshalb die Stadt ihren Etat nicht wie lange befürchtet der Bezirksregierung zur Genehmigung vorlegen muss.

Aus dem Topf mit den 3,9 Milliarden gibt es für soziale Leistungen 768,4 Millionen Euro (2023: 732), für Kinder-, Jugend- und Familienhilfe 694,1 Millionen Euro (2023: 645) und für Kultur und Wissenschaft 204,5 Millionen Euro (2023: 191). Für den Posten „Verkehrsflächen und -anlagen; Öffentlicher Personennahverkehr“ setzt Schwarz-Grün 359 Millionen Euro an (2023: 353) und für OSD & Co. bzw. „Sicherheit und Ordnung“ 253 Millionen Euro (2023: 231). Auch beim Bauen legen Keller & Co. ‘ne Schippe drauf. „Das Investitionsvolumen erreicht im Haushaltsjahr 2024 mit 739,2 Millionen Euro ein Rekordniveau“, verkünden sie stolz und zählen unter anderem Schulen, Straßen, Radwege und den ÖPNV auf.

Minderbewilligungen

Also alles in Butter? Nicht wirklich. Zum einen fangen die Erhöhungen z. B. im Sozialbereich beileibe nicht den Mehrbedarf auf, der durch höhere Personal- und Stromkosten sowie durch die „inflationsbedingten Preissteigerungen“ entsteht, und zum anderen gibt es durchaus Kürzungen. So will die Stadt bei der Beratung von Geflüchteten in den Unterkünften sparen. Dies zeuge „von einer groben Verkennung der sozialen Lage der geflüchteten Menschen in den Unterkünften und einer Verletzung der staatlichen Fürsorgepflicht gegenüber allen Bürgern in der Stadt“, schrieben ehrenamtliche Betreuer*innen daraufhin in einem Offenen Brief an die Beigeordnete für Kultur und Integration, Miriam Koch. Zwei Millionen Euro plante die schwarz-grüne Koalition hier einzubehalten, was dem Schreiben zufolge den Wegfall von 25 Vollzeit-Stellen nach sich zöge. Am Ende hörten Keller & Co. die Signale und strichen hier „nur“ eine Million.

Andere hatten weniger Glück, wie die Fraktion der Partei „Die Linke“ kritisiert. So erhielt die Aids-Hilfe kein Geld für eine Erhöhung der Mittel zur Beratung geflüchteter queerer Männer, und ein arabisches Mütter-Café der Diakonie darf auch nicht sein. Andere Träger mussten drastische Einschnitte hinnehmen. Die Frauenberatungsstelle etwa bekam für ihr Projekt einer Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt nur 93.000 Euro statt der beantragten 172. und die Initiative für ein queeres Zentrum bloß 70.000 statt 208.000 Euro –„Minderbewilligungen“ heißt so etwas im Fachjargon. Auch bei den schon ausgesprochenen Förderzusagen des Jugendhilfe-Ausschusses setzten CDU und Grüne noch mal den Rotstift an, sitzen sie doch in dem Gremium nicht am Drücker. Dort dürfen nämlich Vertreter*innen von Jugendhilfe-Trägern mitentscheiden.

In anderen Segmenten sieht es ebenfalls dürftig aus. In Sachen „Wohnen“ brachte Schwarz-Grün lediglich fünf Millionen für den Ankauf von Baugrund und Planungsmittel in Höhe von 200.000 Euro für Gutachten, Rechtsberatung und die „Prüfung innovativer Konzepte zur Ermöglichung des Wohnungsbaus“ auf den Weg. Für Prestige-Objekte wie die Oper und den Ordnungs- und Servicedienst ist hingegen genug Geld da.

Die Partei „Die Linke“ kritisierten die Vorlage von CDU und Grünen deshalb scharf. „Im Entwurf des städtischen Haushalts für 2024 fehlen wichtige Investitionen in Soziales, Klimaschutz und die Verkehrswende. Es wird in Ordnungskräfte statt in den sozialen Frieden investiert. Geplante Kürzungen in der Flüchtlingsarbeit werden zu gesellschaftlichen Problemen führen. Mit dem Opern-Neubau wird ein Prestige-Projekt zulasten kommender Generationen eingeleitet“, resümierte Sigrid Lehmann in ihrer Rede. Draußen erhielt sie Unterstützung vom „Düsseldorfer Bündnis für eine gerechte Gesellschaft“, das vor dem Rathaus Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum, einer wirksamen Armutsbekämpfung und einer besseren Krankenhaus-Versorgung präsentierte – mitsamt einem Finanzierungsvorschlag: Erhöhung der Gewerbesteuer. „Wir haben im Düsseldorfer Haushalt ein krasses Einnahme-Problem“, konstatiert das Bündnis. Andreas Schmitz von der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf sieht das erwartungsgemäß anders. Er lobt die Stadt dafür, an die Abgaben für Unternehmen nicht herangegangen zu sein und mahnt stattdessen „[e]ndlich Gespräche und Vereinbarungen zu Sparrunden und strukturellen Änderungen an“.

Jan