Wohn#träume

zwischen Obdachlosigkeit und Gentrifizierung

Am 19.3.2024 fanden am KAP 1 unter diesem Motto drei aufeinander folgende Aktionen statt, eingeladen ins FFT hatte die Friedrich-Ebert-Stiftung.

Als erstes trafen sich am Nachmittag etwa 40 interessierte Menschen zu einem Spaziergang, vom KAP 1 zunächst zum Worringer Platz. Helmut Schneider vom „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum Düsseldorf“ erläuterte dort die Taktiken von Immobilienfirmen und -Investor*innen und erklärte, welche Objekte für Spekulant*innen interessant sind, sprich: Wo sich am meisten Profit erwirtschaften lässt. Hauptbahnhofsnähe ist ein großer Vorteil. Weiter ging es zur Worringer Straße, zu einem seit einigen Jahren leer stehenden Altbau-Wohnhaus, das entmietet wurde. Diese brutale Methode, Mieter*innen loszuwerden, um das Haus anschließend teurer neu zu vermieten, wurde von Helmut Schneider sehr eindrucksvoll dargestellt. Den Mieter*innen werden aufwändige Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen angekündigt, vorzugsweise in der kalten Jahreszeit sollen Fenster, Heizung, Dämmarbeiten an Fassade und Dach durchgeführt werden. Zeitweise Unterbrechung der Strom-, Gas- und Wasserversorgung, Planungs- und Bauleute kommen und gehen in den Wohnungen. Und an den Kosten (im Fall des Hauses Worringer Straße 57 ca. 350.000 Euro) werden Mieter*innen beteiligt. Nach § 559 BGB darf der Vermieter 8 % der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen. Netterweise wird ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt: Mensch darf den Mietvertrag fristlos kündigen. Ganz im Sinne des Vermieters, der die bisherigen Mieter*innen so schnell wie möglich schassen will, um die Miete zukünftig kräftig zu erhöhen. Das Haus Worringer Straße 57 ist komplett entmietet. Sollte die Modernisierung des Hauses abgeschlossen sein, wird hier garantiert kein bezahlbarer Wohnraum entstehen – in Düsseldorf wie quer durch die Republik kein Einzelfall.

Weiter ging’s nach Oberbilk, zum „Grand Central”, Düsseldorfs ehemals größtem Wohnungsbauprojekt. Auf dem Gelände des ehemaligen Postverteilzentrums zwischen Erkrather-, Moskauer-, Kölner Straße und der Bahntrasse in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs sollte ein zukunftsweisendes Viertel entstehen. Dieses wurde von der Adler Group großspurig als „Masterplan Areal Düsseldorfer Hauptbahnhof zur Aufwertung des kompletten Gebietes rund um den Konrad-Adenauer-Platz” beworben. Auf der ca. 39.000 m² großen Fläche sei eine Mischnutzung aus Wohnen, Einzelhandel, Gastronomie, Fitnesscenter, Kita, Parkhaus und Tiefgarage geplant. „Rund 900 Wohnungen für alle Alters- und Einkommensklassen sollen für Vielfalt im Quartier sorgen, darunter freifinanzierte, öffentlich geförderte und preisgedämpfte Wohneinheiten.” So ist es immer noch auf der Website der Adler Group zu lesen.

Aber die Betrachter*innen finden eine Art Mondlandschaft vor, einen Ort, an dem schon viel passiert ist, aber seit Monaten Stillstand herrscht. Durch die faktische Pleite der Adler Group sind die Pläne zum Bau von tausenden Wohnungen für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt.

Zurück im FFT, fand das Plenum zum Thema Wohn#träume mit Expert*innen aus Politik und Forschung statt, welche die Problematik der Wohnsituation in Düsseldorf, NRW und ganz Deutschland erläuterten. Kernproblem ist und bleibt das Fehlen bezahlbaren Wohnraums. Dass Deutschland zu wenig gegen Armut und Wohnungsnot tut, wurde am selben Tag im Bericht des Europarats festgehalten (https://institut-fuer-menschenrechte.de). In Deutschland wachse die soziale Ungleichheit, die Bundesregierung wird aufgefordert, mehr dagegen zu unternehmen. Das forderten auch die Expert*innen auf dem FFT-Plenum wie Julia von Lindern von Housing First Düsseldorf und Prof. Anne van Rießen von der Hochschule Düsseldorf (HSD), die auch auf die von ihr mit erstellte Studie „Zugang verweigert” über Diskriminierung am Wohnungsmarkt hinwies (TERZ 03.24).

Im Anschluss wurde von FFT und iFuriosi die filmische Dokumentation „Ein Haus für alle” gezeigt, die eine Hausbesetzung im Frankfurter Gallusviertel schildert und beeindruckende Einblicke in das Projekt gibt. Anfang Dezember 2022 besetzte das Kollektiv „Freiräume statt Glaspaläste“ das viele Jahre leerstehende Haus als Zeichen gegen Spekulation mit Wohnraum, Verwaltung von Leerstand und die zunehmende Gentrifizierung der Stadt Frankfurt. Bis Ende April 2023 wurde nach harten Kämpfen eine Zwischennutzung genehmigt, die es dem Kollektiv gemeinsam mit den Initiativen Project.Shelter (politische Bewegung für mehr Solidarität und Teilhabe für alle Stadtbewohner*innen Frankfurts) und der AdA Kantine (solidarische Küche in Frankfurt) ermöglichte, Menschen unterzubringen und zu versorgen. Zu den Bewohner*innen zählten obdachlose, wohnungslose, geflüchtete und von Armut betroffene Menschen, die keine Aussicht auf Wohnraum in Frankfurt hatten. Inzwischen leben die Menschen von „Freiräume statt Glaspaläste” am Frankfurter Stadtrand, das Haus im Gallusviertel ist abgerissen.

Bei der anschließenden Diskussion im gut besetzten FFT, bei der auch zwei Aktivist*innen aus Frankfurt anwesend waren, kam u.a. die Frage auf, ob so ein Haus eine Möglichkeit für Düsseldorf darstellen könnte. Mensch fragt sich: Wie viel ertragen wir noch? Wann und wie wehren wir uns? Warum beispielsweise beleben wir die Düsseldorfer Aktion Wohnungsnot (AWN) nicht?

Absolut empfehlenswert: Die Lektüre der Geschichte der AWN, nachzulesen bei squat.net (https://archiv.squat.net/duesseldorf/Dipl_Int-3_1-3.html) „Die Geschichte der AWN e. V.“ von ca. 1970-1983.

Bezahlbarer Wohnraum wird in Düsseldorf und überall nicht durch Abwarten und Teetrinken entstehen.

Christine