Tauglichkeitsmachung für den Arbeitsmarkt

Zur Neuausgabe von Freerk Huiskens „Erziehung im Kapitalismus“

Um in der Marktwirtschaftsgesellschaft den Lebensunterhalt verdienen zu können, müsse man sich als junger Mensch in den pädagogischen Lehranstalten zu „Humankapital“ verdinglichen lassen, das die Damen und Herren Unternehmer für die Profitmaximierung mittels Warenproduktion in den unterschiedlichen Berufen vernutzen können.

Das ist die Quintessenz der Schulkritik, die der Pädagogikprofessor Freerk Huisken in seiner Schrift „Erziehung im Kapitalismus“ detailliert darlegt. Da kürzlich eine überarbeitete und erweiterte Neuausgabe des Buchs erschienen ist, könnte deren Lektüre zu einer Radikalisierung der üblichen Schulkritik beitragen. Die erschöpft sich nämlich bislang darin, die Ungerechtigkeit des deutschen Bildungssystems anzuprangern: Weil es in den hiesigen Bildungsinstitutionen eine außerordentlich hohe soziale Selektivität gebe, seien Arbeiter*innenkinder an den Hochschulen eine Seltenheit. Infolgedessen komme es zu einem Rekrutierungskreislauf, in dem Menschen, die als Arbeiter*innenkind geboren werden, ihr Leben in der Regel als Arbeiter*in bestreiten müssen.

Wie schlapp die Schulkritik der Kämpfer*in­nen für Gerechtigkeit ist, zeigt ein Gedankenexperiment. Gesetzt den Fall, die Arbeiter*innenkinder würden pädagogisch dergestalt gefördert, dass viele von ihnen die Bildungsbarrieren des Schulsystems überwinden, sodass sie an den Hochschulen nicht mehr signifikant unterrepräsentiert sind – dann wären die bürgerlichen Lehranstalten noch immer die Selektionsinstanz für die Hierarchie der Berufe. Intensiver wäre allerdings die Konkurrenz um die lukrativen Berufe, für die ein Hochschulzertifikat vonnöten ist.

Hilfreich für die Auflösung dieses Dilemmas könnte das konzentrierte Studium der umfangreichen Schrift des mittlerweile im Ruhestand befindlichen Hochschullehrers Huisken sein, dessen Schwerpunkt nämlich die „Politische Ökonomie des Ausbildungssektors“ ist. Von ihm lässt sich lernen, dass die Schule als große Selektionsmaschine erst dann abgeschafft werden kann, wenn das kapitalistische Marktwirtschaftssystem überwunden wird. Denn die Marktwirtschaftsgesellschaft ist eine Gesellschaftsformation, in welcher „der Produktionsprozess die Menschen, der Mensch noch nicht den Produktionsprozess bemeistert“ (Karl Marx, MEW 23, Seite 95).

FRANZ ANGER

Freerk Huisken: Erziehung im Kapitalismus. Von den Grundlügen der Pädagogik und dem unbestreitbaren Nutzen der bürgerlichen Lehranstalten. Überarbeitete und erweiterte Neuausgabe, VSA, Hamburg 2016, 469 Seiten, 29,80 Euro