diskutieren war gestern, heute wird gehetzt

Die Düsseldorfer Journalistin und Kulturwissenschaftlerin Mithu M. Sanyal ist mit massiven Anfeindungen und (Vergewaltigungs-)Drohungen konfrontiert. Sanyal veröffentlichte im letzten Jahr ihr Buch „Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens“ (TERZ 11.2016), in dem sie sich mit dem sozialen Umgang mit Vergewaltigten, gesellschaftlichen Zuschreibungen und dem Traumatisierungsdiskurs auseinandersetzt. Im Februar diskutierte sie nun auf einer Veranstaltung in Berlin über die Bezeichnung von Menschen, die vergewaltigt wurden: Betroffene im Publikum äußerten ihr Unwohlsein darüber, „Opfer“ genannt zu werden und schlugen stattdessen „Erlebende sexualisierter Gewalt“ vor. Sanyal griff den Vorschlag gemeinsam mit einer Co-Autorin in einem taz-Artikel auf und setzte damit eine Diskussion in Gang – die zunächst so verlief, wie man sich Diskussionen halt so vorstellt: Menschen äußern ihre Meinung, warum sie den Vorschlag für richtig, für geht so oder für völlig daneben halten. Doch es wäre nicht das Internet im Jahr 2017, wenn das ohne persönliche Beleidigungen, Verkürzungen und falsche Zitate, übelste Hetze, Drohungen und die ganz große Systemkritik (Asyl-, Gender- und Gutmenschenwahn, linksgrünversiffte Medien und Politiker*innen...) auskäme. Die Kommentarspalten unter den diversen Artikeln, die inzwischen zu Sanyals Vorschlag erschienen sind, und ihre Facebook-Seite sind voll davon. Darin werden ihre Email und ihre Düsseldorfer Adresse geteilt, mit dem Aufruf, einen „Shitstorm“ über sie reinbrechen zu lassen. Sanyal selbst berichtet: „Zur Zeit erhalte ich nahezu sekündlich mails von Menschen, die mir wünschen, vergewaltigt zu werden [...]“. Besonders tragisch ist hierneben, dass die, euphemistisch ausgedrückt, unsachliche Diskussion mit einem Offenen Brief des feministischen Blogs „Die Störenfriedas“ und einer Reaktion der „Emma“ Fahrt aufgenommen hat. Im offenen Brief wird behauptet, Sanyal wolle den Begriff „Opfer“ durch „Erlebende“ flächendeckend austauschen. Sie verharmlose damit sexuelle Gewalt, indem die Tat in die Nähe eines (positiven) „Erlebnisses“ gerückt werde. Dabei schrieb Sanyal selbst ursprünglich: „Selbstverständlich soll ,Erlebende‘ andere Bezeichnungen nicht ersetzen. Wer sich als Opfer, Überlebende*r oder Betroffene*r wahrnimmt, hat jedes Recht sich auch so zu beschreiben!“ Es ging ihr also darum, „den Betroffenen selbst die Definitionsmacht zu überlassen.“ Lesen will gelernt sein. Möge der Shitstorm sich so schnell auflösen, wie er gekommen ist.

bestechung: rheinmetall wieder vor Gericht

Im Jahr 1998 hatte die Bremer Rüstungsschmiede STN Atlas vom griechischen Staat den Auftrag über die Lieferung des Flugabwehr-Systems Asrad erhalten. 2003 übernahm Rheinmetall die Firma – mitsamt ihrer Unternehmenskultur. Der Düsseldorfer Konzern akzeptierte die mit dem Asrad-Deal verbundenen Verpflichtungen zur Pflege der hellenischen politischen Landschaft und zahlte an Militärs und Beamt*innen des Verteidigungsministeriums weiter Bestechungsgelder. 3,3 Millionen Euro kamen da bis 2011 zusammen. Aber die Sache flog auf. Bereits Ende 2014 verurteilte die Staatsanwaltschaft Bremen das Unternehmen zu einer Strafe in Höhe von 37,1 Millionen Euro – 36,77 Millionen für den illegal erwirtschafteten Profit und 300.000 Euro Bußgeld. Aber wegen der Schwere des Falles ermittelten die Jurist*innen auch gegen die verantwortlichen Personen selber weiter und erhoben Ende Februar 2017 Anklage gegen fünf Rheinmetall-Manager.

dicke luft: eu vs. düsseldorf

Seit Jahren überschreitet Düsseldorf an verkehrsreichen Straßen die Grenzwerte für Stickstoffdioxid-Emissionen, welche die Europäische Union 2010 erlassen hat. An der Corneliusstraße zeigten die Messgeräte 2016 im Jahresdurchschnitt statt der noch erlaubten 40 Mikrogramm/m3 stattliche 58 Mikrogramm/m3 an. In ganz Nordrhein-Westfalen kam nur Köln auf noch höhere Werte. Seit Jahren schon fordert die EU Maßnahmen gegen den NO2-Ausstoß, der zu lebensbedrohlichen Gesundheitsschädigungen führt – nach Angaben Brüssels gingen allein im Jahr 2013 rund 70.000 Sterbefälle auf eine zu hohe Stickstoffdioxid-Konzentration in der Luft zurück. Die Städte handelten auch, aber mit Instrumenten wie der Einführung von Umweltzonen konnten sie die Umweltbelastung nicht essenziell reduzieren. Darum hat die Europäische Kommission jetzt ein verschärftes Verfahren gegen Deutschland eingeleitet. Binnen zwei Monaten müssen die Verwaltungen nun konkrete Pläne zur Senkung der NO2-Gehalte in der Luft vorlegen. Entsprechenden Druck hatte letztes Jahr schon ein Gericht nach einer Klage der Umwelthilfe gemacht. „Die Bezirksregierung Düsseldorf muss den seit Anfang 2013 geltenden Luftreinhalteplan Düsseldorf so ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwertes für das gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid in Düsseldorf enthält“, hieß es in dem Urteil. Und die Jurist*innen hatten sogar schon eine Empfehlung parat: ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge. Dagegen wehrt die Landeshauptstadt sich allerdings noch. Auf ihren Straßen bewegen sich nämlich nicht nur viele Pkw mit Diesel-Motor, auch der Fuhrpark der Awista, der Rheinbahn, der Feuerwehr, der Post und vieler Handwerksbetriebe besteht zu einem guten Teil aus Wagen mit Diesel-Antrieb. „Diesel-Verbot würde die Stadt lahmlegen“, titelte die Rheinische Post deshalb schon. Irgendetwas jedoch muss sich die Rathaus-Spitze einfallen lassen, und zwar schnell.

kein vergeben! kein vergessen! Vor 80 Jahren wurde Anton Rosinke ermordet

Am 14. Februar gedachte die Freie Arbeiter*innen Union (FAU) Düsseldorf des vor 80 Jahren durch die Gestapo im Düsseldorfer Polizeipräsidium ermordeten Anarchisten und Syndikalisten Anton Rosinke. Eine Handvoll Menschen fanden den Weg ins „V6“, um einer Lesung des Trios „Erinnern“ zu lauschen. Neben einer detailreichen Erzählung über das Leben und Wirken Antons wurden Briefe von Angehörigen vorgelesen. Besonders skurril wirkten die immer wieder eingestreuten Zitate aus den kaiserlichen Polizeiakten (Anarchistenkartei). Gleichzeitig waren gerade diese von erschreckender Aktualität – sowohl was den Sprachduktus, als auch was die Detailverliebtheit angeht. Alle, die schon mal die Gelegenheit hatten, einen Blick in „ihre“ Polizeiakte zu werfen, werden dies bestätigen können. Die FAU Düsseldorf umrahmte die Lesung und diskutierte, warum sie das Gedenken auch nach so langen Zeit noch immer für notwendig erachtet. Mit einem „Blick zurück nach vorne“ wird das am besten in diesem Zitat zusammengefasst:
„Zum geschlossenen Widerstand hat es 1933 nicht gereicht, und so mussten die besten Kräfte der Arbeiterbewegung in einem Kleinkrieg verzettelt werden. Wenn aber die Arbeiterschaft aus den Erfahrungen die Lehre zieht, dass die geschlossene Abwehr zur rechten Zeit die weitaus ökonomischere Kräfte­anwendung ist, dann sind diese Opfer nicht sinnlos gewesen.“ Antonie Binder gegenüber Ulrich Klan in dem Nachruf. Darüber hinaus freuen wir uns schon jetzt ankündigen zu können, dass am 07.07.2017 ein Stolperstein für Anton Rosinke an seinem letzten Wohnort gelegt wird. Die FAU Düsseldorf plant eine kleine Radtour zur Verlegung und anschließend ein kleines Picknick im nahen Wald, vielleicht sogar am Seeufer. Achtet auf Ankündigungen auf https://duesseldorf.fau.org

18. märz „tag der politischen gefangenen“ Warum gerade der 18. März?

Dieser Tag bezieht sich auf zwei Daten in der Geschichte des Klassenkampfes. Am 18. März 1848 gingen in Deutschland das Bürgertum und das gerade entstehende Proletariat für Freiheit und Demokratie auf die Barrikaden. Diese Revolution, auch März-Revolution genannt, wurde nach über einem Jahr erbitterter Kämpfe niedergeschlagen, es gab unzählige Opfer.
23 Jahre später, am 18. März 1871 kam es zum ersten Mal zur Umsetzung einer sozialistischen Utopie. An diesem Tag griffen die Pariser Arbeiterinnen und Arbeiter zu den Waffen. Sie schufen für einen kurzen Zeitraum eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die Pariser Commune. Doch nur nach 71 Tagen wurde der Aufstand niedergeschlagen. Die Reaktion übte nach ihrem Sieg blutige Rache an den Kommunard*innen. Mehr als 20.000 Männer und Frauen wurden getötet, mehr als 13.000 zu meist lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Und doch bleibt der sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen Bewegung die Geschichte der Commune nicht in erster Linie als eine Niederlage, sondern als die Geschichte eines Aufbruchs, der bis heute andauert und noch lange nicht an sein Ende gelangt ist, im Gedächtnis. Der 18. März wurde deshalb auch zunächst „Tag der Commune“ genannt.
1923 erklärte die Internationale Rote Hilfe (gegründet 1922) den Tag zum „Internationalen Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen“. An diesem Tag gingen in den 1920er Jahren in allen Ländern Menschen für die Opfer politischer Justiz auf die Straße, beispielsweise für die unschuldig in den USA zum Tode verurteilten Anarchisten Sacco und Vancetti. (Sie waren Einwanderer aus Italien, die des Raubmordes beschuldigt und am 23.8.1927 hingerichtet wurden. Es wurde nie geklärt, ob die beiden überhaupt was mit der Tat zu hatten. Sie selbst haben bis zuletzt ihre Unschuld beteuert).
Während des Faschismus war die Begehung des Tages verboten. Erst 1996 initiierte Libertad! (Initiative zur Unterstützung der politischen Gefangenen) zusammen mit der Roten Hilfe zum ersten Mal wieder einen Aktionstag für die Freiheit der politischen Gefangenen.
Seitdem wird an dem Tag die Öffentlichkeit mit vielfältigen Aktivitäten auf staatliche Unterdrückung und Repression aufmerksam gemacht. Es finden Infoveranstaltungen und Aktionen statt, um an die politischen Gefangenen und ihren Kampf zu erinnern.
Die Rote Hilfe gibt jährlich eine Sonderausgabe zum 18. März heraus, in der auf die aktuelle Situation der politischen Gefangenen weltweit eingegangen wird.
Rote Hilfe – OG Düsseldorf/Neuss
In diesem Jahr findet auch in Düsseldorf eine Veranstaltung statt:
Vortrag und Diskussion mit Monika Morres (AZADI) und Rechtsanwalt Frank Jasenski 17.3.2017 ab 19 Uhr im Hinterhof - Linkes Zentrum.