Grupellostraße Hausnummer 8

Studierende der Hochschule Düsseldorf recherchieren seit 2018 zur Geschichte der Menschen, die von 1939 an in Ghettohäusern leben mussten.

Knapp 40 Adressen kennen wir heute, Markierungen auf einem Stadtplan. Studierende der HSD haben sie ausfindig und für uns sichtbar gemacht. Entstanden ist eine interaktive Karte, auf der die sogenannten Ghettohäuser – auch „Judenhäuser“ genannt – verzeichnet sind. Die Recherchen der Studierenden sind Ergebnis eines Seminars, das Joachim Schröder, Leiter des Erinnerungsortes Alter Schlachthof an der HSD, und Alexander Flohé vom Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, im Sommersemester 2018 zum ersten Mal angeboten haben.

Ohne zu übertreiben lässt sich über die Recherche der Studierenden sagen: Sie ist eine Entdeckungsleistung. Das überrascht vielleicht. Die Geschichte der Ghettohäuser in Düsseldorf ist aber in der Tat bis heute noch kaum erforscht. Die Rekonstruktion der Geschichte der Menschen, die ab 1939 gezwungen waren, in ihnen zu wohnen, ist darum ein wichtiges Stück lokaler Spurensuche zur Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus in Düsseldorf. Die Rekonstruktionen der Studierenden zeigen, dass die Verfolgung und Ermordung von Jüd*innen in der Nachbarschaft begann – im Haus gegenüber, am Ende der Straße, vor dem eigenen Fenster.

Zu Hunderten mussten Düssel­dor­fer*innen, die nach den nationalsozialistischen „Rassegesetzen“ ab 1935 als jüdisch verfolgt wurden, ab 1939 in Ghettohäuser umziehen. Sie lebten dort in Zwangsgemeinschaften auf viel zu kleinem Raum, zahlten Miete dafür, dass sie sich sich Zimmer, Einrichtung, Toiletten, Kochstellen und Wärme mit Dutzenden Anderen teilen mussten.

Mit den „Judenhäusern“ etablierten die Akteur*innen der Verfolgungs- und Mordstrukturen des Nationalsozialismus mitten in der Stadt Orte, an denen sie die Zwangsbewohner*innen wie Gefangene überwachen konnten. Ausgangsperren, Anwesenheitskontrollen und der leichte Zugriff, den die Nazis auf die Menschen in den Häusern hatten, machten sie zu Miniatur-Ghettos, unsichtbar auf den ersten Blick, aber mitten in der Stadt. Von dort aus sollte es den NS-Akteur*innen leicht fallen, die unfreiwillligen Bewohner*innen leichter und möglichst ohne großes Aufsehen deportieren zu können.

In ihren Forschungen ermittelten die Studierenden die Namen der Menschen, die in den Häusern leben mussten. 50 Familien haben die Studierenden des Seminars etwa für das Haus in der Grupellostraße 8 recherchieren können, darunter auch die Zürndorfers und die Rheinheimers. Adolf und Elisabeth Zürndorfer wurden am 27. Oktober 1941 in das Ghetto Łodz deportiert. Dort starb der Verlagsleiter und Theaterkritiker Adolf Zürndorfer am 25. April 1942 mit 75 Jahren. Elisabeth wurde im Todeslager „Kulmhof“ (Chełmno) im Mai 1942 ermordet. In der Grupellostraße 8 hatten sie, zusammen mit ihrem Bruder und dessen Frau, Emanuel und Jenny Rheinheimer, ihre letzte – unfreiwillige – Wohnadresse. Die Rheinheimers wurden über den Schlachthof in Düsseldorf Derendorf am 21. Juli 1942 nach Theresienstadt verschleppt. Nur zwei Monate später deportieren die Nazis das Paar in das Mordlager Treblinka – sie starben wohl am Tag ihrer Ankunft.

Heute erinnert nichts in der Grupellostraße an die Geschichte der Bewohner*innen von Hausnummer 8. Das Projekt der Studierenden der HSD beginnt damit, daran etwas zu ändern.

Über das Projekt „Spurensuche – Nachbarschaft, Vertreibung, Erinnerung“ informiert die Homepage des Erinnerungsortes: https://www.erinnerungsort-duesseldorf.de. Die interaktive Karte ist unter http://steffiveenstra.de/judenhaeuser.html zu finden. Seit dem 17.11.2021 macht der WDR in seiner Sendung „Neugier genügt“ außerdem mit seinem Podcast „Erinnerung an die ehemaligen ‚Judenhäuser‘“ auf das Projekt aufmerksam, nachzuhören in der WDR5-Mediathek.


Der Antifa-AK an der HSD präsentiert als Mitveranstalter:

INPUT – antifaschistischer Themenabend in Düsseldorf

Dienstag, 25. Januar 2022, 19:30 Uhr – im Linken Zentrum Hinterhof, Corneliusstraße 108, Düsseldorf & online (Hybrid-Veranstaltung)

„Proud Boys“. Trumpismus und der Aufstieg ultranationalistischer Bruderschaften

Referent: Carl Kinsky (Freier Journalist und Buchautor)

Während der Präsidentschaft Donald Trumps nahm rechte Straßengewalt in den USA deutlich zu. Dabei stand insbesondere eine Gruppe immer wieder im Rampenlicht der medialen Berichterstattung: die „Proud Boys“, die sich von einem Männerstammtisch in New York zu einem USA-weit aufgestellten Netzwerk mit Kontakten ins politische Umfeld von Donald Trump entwickelt hatten. Bei der gewalttätigen Erstürmung des US-Kapitols am 6. Januar 2021 spielte sie eine Schlüsselrolle. Die kanadische Regierung stufte die Bruderschaft sogar als „terroristische Vereinigung“ ein.

Welche ideologischen Motive treiben die „Proud Boys“ an? Wie lässt sich ihre Politik im historischen Kontext der USA verstehen? Inwiefern ist ihre Organisationsform zukunftsweisend für extrem rechte Bewegungen auch über die USA hinaus? Und was hat es mit den „Proud Boys Deutschland“ auf sich?

Veranstalter: AG INPUT, Edelweißpiratenfestival Düsseldorf (ZAKK, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf und VVN-BdA Düsseldorf) und Antifa-AK an der HSD, in Kooperation mit dem Antirassistischen Bildungsforum Rheinland, dem Arbeitskreis Gedenkstättenfahrten, den Düsselfalken, dem Autonomen Bisexuellen- und Schwulen-Referat, Autonomen Frauenreferat sowie AStA-Projekt Erinnerungsort Alter Schlachthof an der HSD. Bitte behaltet für nähere Infos zum Coronaschutz-Regelwerk und zur Anmeldung zum Online-Format https://www.instagram.com/input_duesseldorf/ bzw. https://www.facebook.com/Input-Antifaschistischer-Themenabend-213910642030868 im Auge.