Rheinmetall im Reputationsrausch

Krieg macht Leute

Vom Schmuddelkind zu Everybody’s Darling: Im Zuge des Ukraine-Kriegs wurde die Düsseldorfer Waffenschmiede plötzlich system-relevant und erhält für ihre Rüstungsgüter nicht nur Millionen, sondern auch noch jede Menge Sympathie-Punkte.

„Kriegsgewinnler“ Rheinmetall – ach, woher denn! „Wir sind Krisenhelfer“, meint der Vorstandsvorsitzende Armin Papperger. Auch betrachtet das Unternehmen sich gern „als Teil der nationalen und der europäischen Sicherheitsvorsorge“, das „zur Wehrhaftigkeit der freiheitlich-demokratischen Werteordnung“ beiträgt.

Im Zuge der Zeitenwende scheinen immer mehr Menschen diese Ansicht zu teilen und das Treiben der Rüstungsschmiede als eine Art besser bezahlte Care-Arbeit zu betrachten. „Wir wurden lange politisch in Deutschland ins Abseits gestellt, aber da bewegt sich gerade eine ganze Menge“, konstatierte der Konzern-Chef schon im letzten Jahr. Sogar in den exklusiven Club der DAX-Unternehmen wurde Rheinmetall am 20. März aufgenommen. Zur Feier des Tages durfte Papperger da den Aktienhandelsbeginn in Frankfurt mit der Börsen-Glocke einläuten, wobei er laut FAZ „eine gewisse Ergriffenheit nicht verbergen“ konnte. Die Pressemeldung zu dem Ereignis gab sich ebenfalls salbungsvoll. „Wir freuen uns, dass nicht nur die Kapitalmärkte uns eine deutlich gewachsene Bedeutung beimessen. Auch weite Teile der Gesellschaft sehen heute die Notwendigkeit, die Streitkräfte schnell und zuverlässig mit moderner Ausrüstung und Bewaffnung auszustatten, um Menschen, Institutionen und vulnerable Infrastrukturen zu schützen“, hieß es darin. Viele wollen dabei jetzt auch selbst mittun. „Wir werden im Augenblick geflutet mit Bewerbungen, wir haben das Thema nicht, dass wir keine Arbeitskräfte bekommen können“, bekundete der Manager. 74.000 Jobanfragen zählte die Firma im letzten Jahr, das sie mit Rekord-Zahlen beendete. Einen Umsatz von 6,4 Milliarden Euro und ein Ergebnis von 754 Millionen Euro verzeichnete der Konzern 2022. Und es soll noch besser kommen: Heuer rechnet er mit Einnahmen in einem Volumen von 7,4 bis 7,6 Milliarden Euro.

Vor allem das Panzer-Geschäft läuft gut. In die Ukraine liefert Rheinmetall 40 Marder-Panzer; Tschechien bekommt im Rahmen des Ringtausch-Programms 14 Leopard und einen Büffel. Die Bundeswehr orderte derweil 600.000 Schuss Mittelkaliber-Munition für ihre Puma-Panzer. Und auch an den US-amerikanischen F-35-Kampfjets der Firma Lockheed verdient das „Systemhaus der Verteidigungsindustrie“ mit, denn es darf Rumpfteile für das Flugzeug herstellen. Das gehörte zu dem Deal, den die Bundesregierung abschloss. Ohne ein bisschen Wirtschaftsförderung gehen solche Transaktionen nämlich nicht über die Bühne. „Bei Aufträgen dieser Größe ist es üblich, dass die Industrie des Besteller-Landes einen Teil des Volumens als Zulieferer erhält“, weiß die Rheinische Post. Als verlässliche Kunden erweisen sich zudem die diversen Scheichtümer. So baut der Rüstungsproduzent in Qatar mit einheimischen Firmen über ein gemeinsam mit Barzan Holdings gegründetes Joint Venture eine Munitionsfabrik auf. Darüber hinaus bestückt er das Emirat mit unbemannten Landfahrzeugen und rüstet dessen Marine mit Laser-Systemen aus. Neben dieser Hardware schlug das Unternehmen zusätzlich noch Software wie etwa eine Simulationstechnologie zum Trainieren von Häuserkämpfen los.

Dabei bringt ein einzelner Panzer schon Millionen ein. Der Puma etwa schlägt – je nach Ausstattung – mit bis zu 17 Millionen Euro zu Buche. Dazu addieren sich dann noch Service-Leistungen für Wartung, Instandhaltung und Aufrüstungen. Solche Dienste bietet Rheinmetall über die gemeinsam mit Krauss-Maffei Wegmann (KMW) betriebene „Projekt System & Management GmbH“ (PSM) an. Die entsprechenden Verträge sind praktischerweise oft schon eingetütet, bevor überhaupt der erste Panzer aus der Fabrik rollt. So dauerte das bei den 350 Pumas für die Bundeswehr bis Ende 2020, während die 721 Millionen Euro schwere Vereinbarung über das Aufpimpen von 41 dieser Schützenpanzer sowie einige Zusatz-Leistungen bereits ein Jahr vorher ausverhandelt wurde.

Munitionsgeschäft boomt

Das Munitionsgeschäft erweist sich ebenfalls als „margenstark“. 600.000 Schuss Kleinkaliber-Munition für den Puma kosteten den Staat nicht weniger als 576 Millionen Euro. Nicht zuletzt deshalb erweitert das Unternehmen dieses Geschäftsfeld rasant. Im November 2022 erwarb es für 1,2 Milliarden Euro den spanischen Hersteller Expal. Zudem erweitert Rheinmetall die Produktion in Ungarn und baut am niedersächsischen Standort Unterlüß ein neues Werk. Damit nicht genug, planen Papperger & Co. in Sachsen eine Pulverfabrik. Für dieses Engagement strich die Firma ein dickes Lob von Düsseldorfs Wehrertüchtigerin Marie-Luise Strack-Zimmermann ein. „Ich bin sehr erleichtert darüber, dass die Industrie so schnell reagiert hat“, sagte sie und fuhr fort: „Angesichts der sicherheitspolitischen Lage ist es von immenser Bedeutung, dass Deutschland gemeinsam mit den NATO-Partnern bei der Herstellung von Munition unabhängiger wird.“

Allerdings stößt Rheinmetall nach eigenem Bekunden mit der Eigeninitiative trotz der prall gefüllten Kassen an Grenzen. „Das lässt sich rein betriebswirtschaftlich nicht darstellen“, meint Papperger. „Und unsere Shareholder wären auch nicht glücklich darüber“, gibt er zu bedenken. Darum verweist der Vorstandsvorsitzende auf die USA, wo die Regierung solche Vorhaben mit bis zu einer Milliarde Dollar subventioniert. Für die avisierte Panzer-Fertigung in der Ukraine schwebt ihm derweil als Modell eine Art umgekehrte Public-Private-Partnership vor: Die Regierung Selenskyj errichtet das Werk und Rheinmetall mietet es dann an.

Auch weiß sich der Firmen-Chef mit Strack-Zimmermann einig darüber, dass es in Sachen „Beschaffung“ zu langsam vorangeht. Hatte die FDP-Politikerin für die Bundeswehr jüngst Ergebnisse in „LNG-Geschwindigkeit“ gefordert, so mahnt Papperger ebenfalls mehr Tempo an. Im Hinblick auf die für Rüstungsausgaben bereitgestellten 100 Milliarden Euro monierte er: „Die Umsetzung ist bisher viel zu schleppend.“ Der Manager hingegen hob schon ein paar Tage nachdem die Bundesregierung sich auf das Sondervermögen geeinigt hatte, die Hand und wollte für genau 42 Milliarden liefern. Leopard- und Puma-Panzer, Waffenträger für Militär-Fahrzeuge, Fuchs-Fahrzeuge, Flugabwehr-Türme und Helme hatte er im Angebot. Verwandte Felder hat der 59-Jährige ähnlich schnell durchgerechnet. „[E]ine­ voll ausgestattete Bundeswehr“ braucht seiner Meinung nach in den nächsten zehn Jahren 300 Milliarden Euro und der Verteidigungsetat per anno 70 Milliarden. Nur bei der Frage, wie viele Panzer die Ukraine genau für einen Sieg über Russland benötigt, wagt Papperger keine so präzise Angabe. 600 bis 800 müssten es ihm zufolge sein.

Für seine Geschäftstüchtigkeit will er sich am 9. Mai auf der – virtuell abgehaltenen – Hauptversammlung des Konzern feiern lassen. Es besteht aber die berechtigte Hoffnung, dass sich wieder einige finden werden, die ihm diesen Spaß ganz real verderben wollen und dazu Proteste organisieren.

Jan