Das „Friedensbündnis NRW“

„Querfront“-Bestrebungen in Düsseldorf?

Bereits 2014 fanden nach der Annexion der Krim sogenannte „Mahnwachen für den Frieden“ statt, die sich sowohl durch Rechtsoffenheit als auch durch Anschlussfähigkeit an linke und links-alternative Kreise auszeichneten. Mit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 besannen sich nun viele Pandemieleugner*innen auf ihre Wurzeln in dieser „Friedensbewegung 2.0“, um die es in den Jahren zuvor ruhig geworden war. Innerhalb der Friedensbewegung wurde der Konflikt erneut zu einem die Debatten bestimmenden Thema. Und erneut sind klare „Querfront“-Tendenzen erkennbar.

„Ihr seid dumm, dümmer Antifa!“ schallt es an einem Samstagnachmittag im März 2023 über den Düsseldorfer Corneliusplatz. Liedzeilen, die dem Repertoire der extrem rechten Musikerin Julia Nagele („Julia Juls“) entspringen und üblicherweise auf entsprechenden Veranstaltungen gespielt werden. Beobachter*innen und Passant*innen reagieren überrascht, dass nun auch das „Friedensbündnis NRW“ von diesem Liedgut Gebrauch macht. Der Adressat des Liedguts: der kleine antifaschistische Gegenprotest. Aufgepeitscht durch die Demo-Moderatorin Mona Aranea (dieBasis) entwickelt sich nach nur kurzer Zeit eine feindselige Stimmung.

Von der „freien Impfentscheidung“ zum „Frieden mit Russland“

Um diese Entwicklung nachvollziehen zu können, ist ein Blick auf die Organisator*innen des „Friedensbündnisses NRW“ nötig: Maßgeblich organisiert und gegründet wurde es von Akteur*innen und Unterstützer*innen der Pandemieleugner*innen und Impfgegner*innen von der „Außerparlamentarischen Opposition Düsseldorf (APO)“. Unterstützt wurden sie dabei zunächst vor allem durch verschwörungsideologische und rechtsoffene Gruppen aus dem „Querdenken“-Spektrum sowie den Kleinstparteien „dieBasis“ und „Team Todenhöfer“. Insgesamt gehören dem „Friedensbündnis NRW“ gegenwärtig 19 Gruppierungen an, unter anderem auch das „Friedensforum Düsseldorf“.

Als Stimme des Bündnisses fungiert eine ex-„Grüne“ und heutige „dieBasis“-Politikerin: die bereits erwähnte Mona Aranea aus Mönchengladbach. Sie moderierte schon im Jahr 2021 die Demos von „Querdenken211“ und der daraus hervorgegangenen APO. Beide Gruppierungen fielen immer wieder durch (extrem) rechte, verschwörungsideologische und antisemitische Inhalte bzw. Teilnehmer*innen aus den entsprechenden Milieus auf. Selbst offensive und teilweise auch aggressiv auftretende Personengruppen aus der extremen Rechten wurden nicht etwa ausgeschlossen, sondern lediglich von der Demospitze weiter nach hinten im jeweiligen Aufzug gebeten. Außerdem veranstaltete Aranea unter dem Label „MG Demo“ eigene rechtsoffene und verschwörungsideologische Demos in Mönchengladbach. Ende 2022 stellte sie diese dann ein und konzentriert sich seitdem auf überregionale Aktivitäten. Anmelder für „Querdenken211“, später in APO umbenannt, ist der im Rhein-Sieg-Kreis lebende Ingo Marks, der bereits vor Jahren in extrem rechten Zusammenhängen angetroffen wurde. So nahm er beispielsweise an Demonstrationen der „Patrioten NRW“, des „Frauenbündnisses Kandel“ sowie –am 3. Oktober 2019 in Berlin – des Bündnisses „Wir Für Deutschland“ teil. Nachdem er sich ab Frühjahr/Sommer 2020 zunächst als Chefordner der extrem rechten „Corona Rebellen Düsseldorf“ (CRD) betätigt hatte, gründete er anschließend mit anderen zusammen „Querdenken211“ und wandte sich aus strategischen Gründen und mit dem Ziel, breiter in die Bevölkerung zu wirken, von den CRD ab.

Als dritte Schlüsselfigur muss der ebenfalls aus Mönchengladbach stammende Rechtsanwalt Jürgen Schütte genannt werden. Schütte, der bereits 2022 mehrfach Reden auf Demos der APO hielt, stellt die Verbindung in die „klassische“ Friedensbewegung her. Er ist seit vielen Jahren im „Friedensbündnis Mönchengladbach“ aktiv und beteiligte sich 2022 an Araneas „MG Demos“, woraus dann wohl der Schulterschluss resultierte. Die Vernetzung mit der Friedensbewegung kam den APO-Oberen sehr gelegen, zumal das Thema „Corona“ immer weniger Teilnehmer*innen anzog. Schütte ermöglichte dem rechtsoffenen Lager der Pandemieleugner*innen und Impfgegner*innen den Zugang zu Personen und Gruppierungen, die sich selbst als links und friedensbewegt verstehen. Der im Herbst 2022 einsetzende Kurswechsel in Richtung des neuen Schwerpunkts „Frieden (mit Russland)“ war in kurzer Zeit vollzogen.

Die Rhetorik des neuen Bündnisses stieß schnell ins gleiche Horn wie die anderer „Querfront“-Bestrebungen und Akteur*innen der politischen Rechten: Der Angriffskrieg gegen die Ukraine wird relativiert und zu einem „NATO-Krieg gegen Russland“ umgedeutet. Fester Teil des Forderungskatalogs war von nun an, unter Fahnen mit Friedenstauben, aber mit altbekannten Bannern aus der „Querdenken“-Bewegung, für Friedensverhandlungen mit Russland zu trommeln. Nicht das Bild bestimmend, aber geduldet werden Personen, die Symbole wie das „Sankt-Georgs-Band“ oder Werbung für das extrem rechte, verschwörungsideologische und antisemitische „Compact Magazin“ präsentieren. Insbesondere das schwarz-orange gestreifte „Sankt-Georgs-Band“ wird seit Beginn des Ukrainekriegs verstärkt als Zeichen der Unterstützung des politischen Kurses Wladimir Putins eingesetzt. Schnell hatte das Bündnis auch seinen politische Hauptgegner gefunden: Die „Grünen“. Während in extrem rechten Kreisen dazu aufgerufen wird, „die Grünen aus dem Land zu jagen“, wird die Partei im Kontext des „Friedensbündnisses“ zum „Kriegstreiber“ erklärt und „Grüne an die Ostfront“ gefordert. Parolen wie „Schwerter zu Pflugscharen“ oder „Meine Söhne geb‘ ich nicht“ zeugen von einem Pazifismusverständnis der 1980er Jahre, als die „Grünen“ auch als Partei der Friedensbewegung in die Parlamente einzogen.

Mit der „Querfront“ auf der Straße

Um die Anschlussfähigkeit der „klassischen Friedensbewegung“ zu verstehen, lohnt ein Blick zurück in das Jahr 2014: Die prorussischen „Montagsmahnwachen für den Frieden“ zogen auch ein linksalternatives und friedensbewegtes Publikum an. Antiamerikanische, verschwörungsideologische und antisemitische Einstellungen waren ein gemeinsamer Boden für Teile der Rechten und Linken. Bereits auf der ersten Demonstration des „Friedensbündnisses NRW“ im Februar 2023 kam Reiner Braun zu Wort. Braun galt als Schlüsselfigur der „Montagsmahnwachen für den Frieden“ und solidarisierte sich öffentlich mit dem Verschwörungsideologen und Antisemiten Ken Jebsen. Er setzte sich 2014 explizit für die Verleihung eines Preises an Jebsen ein. „Auch Ihr seid die Mutigen, die sich gegen den Mainstream der Kriegspropaganda, der Kriegslüge und der Medienheuchelei stellen! Ihr seid die Aufrechten und Ihr seid der Beginn einer Massenbewegung in diesem Land, die diese Regierung zum Frieden zwingen wird!“, rief er am 11. Februar 2023 den Teilnehmer*innen der Demo zu. Die Ablehnung von „Mainstream-Medien“ und der Vorwurf der „Medienheuchelei“ spiegelt die generelle Ablehnung gegenüber denjenigen Medien wider, die nicht dem eigenen Meinungsspektrum entspringen. Ähnlich verhielt es sich bereits bei den erwähnten „Mahnwachen“, aber auch bei den Protesten der Pandemieleugner*innen.

Ebenfalls seit der ersten Demonstration dabei ist der Rechtsanwalt Michael Aggelidis, der auch als Redner des Bündnisses auftritt. Mit politischen Wurzeln bei der „Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG)“ und der Partei „Die Linke“, ist er mittlerweile Mitglied der verschwörungsideologischen Kleinstpartei „dieBasis“, für die er zuletzt auf Platz 9 der Landesliste NRW kandidierte. Im Landtagswahlkampf 2022 nannte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj während einer Wahlkampfveranstaltung in Düsseldorf „den koksenden Präsidenten“ – ganz im Stile Putins. Während einer Demonstration des „Friedensbündnisses NRW“ am 11. Februar 2023 hielt er eine Rede vor der Firmenzentrale des Düsseldorfer Rüstungskonzerns „Rheinmetall“. Dabei sprach er unter anderem von „unseren gleichgeschalteten Medien“ und setzte so die Medienlandschaft mit der in einer Diktatur gleich. Eine vor dem Firmensitz gehisste Flagge der USA bezeichnete er als „Herrschaftsflagge über Deutschland“.

Das „Friedensforum“, die VVN-BdA und „Die Linke“

Dem „Friedensbündnis NRW“ gelang es mit dem freundlichen Antlitz der Friedenstaube und dem konsequenten Ausblenden des Themas „Pandemie“, neue Anhänger*innen zu gewinnen. Besonders herauszuheben ist hier die Rolle des „Friedensforums Düsseldorf“, einer Gruppe aus der klassischen. „alten“ Friedensbewegung, die sich als links und pazifistisch versteht. Dem Beitritt zum rechtsoffenen „Friedensbündnis NRW“ ging eine Spaltung des „Friedensforums“ voraus, die maßgeblich von Hermann Kopp vorangetrieben wurde. Kopp fungiert seit vielen Jahren als Sprecher des „Friedensforums“ und ist auch Mitglied der Düsseldorfer DKP. Die Abspaltung um Hermann Kopp entstand, da ein anderer Teil des „Friedensforums“ nicht dem rechts-offenen „Friedensbündnis NRW“ beitreten wollte. In Folge der Spaltung wurde gegen den „Kopp-Flügel“ des „Friedensforums“ am 3. April 2023 durch das Kulturzentrum ZAKK ein Hausverbot ausgesprochen. Am Tag darauf versammelten sich Kopp und ein Teil seiner Anhänger*innenschaft vor dem ZAKK und demonstrierten gegen ihren Rauswurf. An der auch öffentlich vertretenen Haltung des ZAKK änderte das nichts. In Folge der Spaltung stehen sich Aktivist*innen des „Friedensforums“ nun bei Demonstrationen gegenüber: Die einen nehmen an Kundgebungen des rechtsoffenen „Friedensbündnisses“ teil, während die anderen auf der Seite des antifaschistischen Gegenprotests stehen. Erstaunlicherweise nicht beim antifaschistischen Gegenprotest, sondern auf der gegenüberliegenden Seite ist des weiteren auch der Kreissprecher der Düsseldorfer VVN-BdA, Jürgen Schuh, zu finden – sowie weitere Mitglieder des VVN-BdA-Kreisvorstands. War die Düsseldorfer VVN-BdA noch vor zwei Jahren Teil des antifaschistischen Protests gegen die rechtsoffenen bis extrem rechten Pandemieleugner*innen, stehen nun einige von ihnen mit eben diesen zusammen, um „für den Frieden“ zu kämpfen.

Erwähnenswert ist auch, dass die demonstrativen Aktionen des „Friedensbündnisses NRW“ mehrfach auch von einigen Politiker*innen der Partei „Die Linke“ unterstützt wurden: „Ami go, Ami go, Ami go home! Von Ramstein bis Rom singen wir: Ami go home!“ trällerte der ehemalige „Die Linke“-Bundestagsabgeordnete Dieter Dehm im März 2023 auf dem Corneliusplatz. Ein nicht unerheblicher Teil der Demoteilnehmer*innen zeigte sich textsicher und trällerte mit. Auch vor einem Interview mit dem „Compact Magazin“ schreckte Dehm zuletzt nicht zurück. Er kann ebenso wie der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko, der im April 2023 ein Gastspiel bei dem „Friedensbündnis“ gab, dem Lager der Anhänger*innen Sahra Wagenknechts zugerechnet werden.

Feindbild „Antifa“

Neben den bereits etablierten Feindbildern (NATO, „Die Grünen“ und „die Regierung“) richtet sich der Groll des „Friedensbündnisses“ auch gegen eine kleine Gruppe von Antifaschist*innen, die beharrlich gegen ihre Versammlungen demonstriert. Die Gruppe kritisiert die Rechtsoffenheit des Bündnisses und dessen Wurzeln im Milieu der Pandemieleugner*innen. Von der „Friedensbündnis“-Bühne wird immer mal wieder der vollständige Name des Anmelders der Gegenproteste vorgetragen, verbunden mit der Aufforderung, Strafanzeige gegen ihn zu erstatten. Obwohl die Gegenproteste sogar angemeldet sind, werden sie zur „Stördemo“ umgedeutet. Ein bereits von den „Corona Rebellen Düsseldorf“ bekannter „Friedensbündnis“-Teilnehmer zeigte am 11. Februar 2023 dem Gegenprotest sogar den „Hitlergruß“. Auch Rechtsanwalt Jürgen Schütte hat es sich zur Aufgabe gemacht, den antifaschistischen Protest zu diskreditieren: „Die [Gegendemonstranten] sind für den Krieg. Sie sind für Waffenlieferungen und für Sanktionen gegen Russland. Die sind für Schießen statt Verhandeln. Deshalb dürfen sie uns stören [..]. Ich nenne das hier mal die Sturmabteilung der Kriegstreiber.“ Statt Kopfschütteln und Ablehnung erntete er Applaus und Lob.

Tom Burkhardt