Nach uns die Sintflut?

Wort und Bild im Benrather Schloss

Das Benrather Schloss zeigt die Ausstellung „Der Hambacher Forst und der Preis unserer Energieversorgung“ und lud im Begleitprogramm zu einem Vortrag von Philipp Blom zu „Anfang und Ende der menschlichen Herrschaft über die Natur“ ein.

„Nehmt Euch die Erde und macht sie Euch untertan“, heiße es in der Genesis. Die neoklassische Wirtschaftsideologie sei Nachfolger christlicher Heilslehre. Bloms These, dass der Mensch nun erstmals in der Lage sei, der Natur nachhaltigen Schaden zuzufügen, ist nicht haltbar. Eine ökologische Krise gigantischen Ausmaßes gab es bereits in Mesopotamien. Im Mündungsgebiet von Euphrat und Tigris entstand, was die Bibel als „Garten Eden“ bezeichnet: Ein gigantisches Bewässerungssystem, das um das Flussdelta herum für einen zuvor nie dagewesenen Erntesegen sorgte. Doch durch die Monokulturen wurden alle Nährstoffe aus dem Boden geschwemmt. Die Bewohner*innen von Ur, Babylon und Uruk müssen es wie eine Vertreibung aus dem Paradies empfunden haben, dass Jahr für Jahr die Erträge geringer wurden.

Auch die Sintflutgeschichte des Gilgamesch-Epos lässt sich als ironische Anspielung auf den Mythos vom ewigen Wachstum lesen. Als die Götter Uptnapischtim anweisen, eine Arche zu bauen, raten sie ihm, die Zeitgenoss*innen mit dem Versprechen eines Wohlstandsregens einzulullen. Bevor er in die Arche steigt, solle er prophezeien: „Auf euch aber läßt er [der Wettergott Adad] dann Überfluß regnen/ […]. Schenken wird er euch Reichtum und Ernte./ Am Morgen wird er Küchlein,/ Am Abend auf euch einen Weizenregen niedergehen lassen!“ Die „Sinflut“ war eine Metapher. Nicht Wassermassen, sondern ausbleibende Ernten brachten unvorstellbare Not und Elend.

Eine nicht minder große ökologische Katastrophe fand dann in den USA der 1930er Jahre statt. Das tief verwurzelte Präriegras in den Weiten Oklahomas und South Dakotas war ausgerupft worden, um die Prärie für den Anbau von Weizen urbar zu machen. Starke Winde wühlten den staub trockenen Boden auf, so dass bald alles im Sand versank. John Steinbecks „Früchte des Zorns“, 1940 von John Ford mit Henry Fonda in der Hauptrolle auf die Leinwand gebracht, stellt den Exodus aus dem „Dust Bowl“ dar. Dies fand in Bruce Springsteens „The Ghost of Tom Joad“ sein Echo.

Die Sintflutgeschichte des Gilgamesch-Epos findet sich in Keilschrift eingraviert auf über drei Jahrtausende alten Tontäfelchen. Wir lesen den Götterrat an Utnapischtim: „Reiß ab das Haus, erbau ein Schiff,/ Laß fahren Reichtum, dem Leben jag nach!/ Besitz gib auf, dafür erhalt das Leben!“ Dies könnten auch Worte zum Sabbath oder zum Sonntag sein. Doch einst fanden sie sich in einem offiziellen Königs-Epos! Wir müssen konstatieren: Wir, die Erwachsenengeneration von heute, hat noch keine adäquate Antwort auf die „Fridays for Future“-Proteste gefunden. Was aber Mut machte, war die an Bloms Vortrag anschließende Diskussion. Beschränkt sich das Publikum bei solchen Veranstaltungen oft darauf, Fragen zu stellen und sie von „dem Experten“ beantworten zu lassen, ließ sich das Auditorium im Benrather Schloss nicht die Butter vom Brot nehmen. Vehement wurde dem Referenten Kontra gegeben. Bloms Plädoyer für ein kooperatives solidarisches Handeln, das die Herrschaft des Individuums inklusive des Fokusses auf dessen egozentrische Interessen ablösen soll, wurde von einer Frau kenntnisreich Paroli geboten. Dieses sei nun wirklich nichts Neues. Ein solches kooperatives solidarisches Handeln, eingeschlossen Bewahrung der Schöpfung, habe in den 90er Jahren immer wieder auf Kirchentagen im Zentrum von Debatten gestanden. Beifall fand auch der Vorschlag eines Mannes, die Bezeichnung „toxische Männlichkeit“ durch den Begriff „toxische Menschlichkeit“ zu ergänzen, da der ‚homo sapiens‘ offensichtlich an einer geradezu zwanghaften Zerstörungssucht leide. Blom bedankte sich für die Debattenbeiträge, gab zu, in seinem Vortrag manches verkürzt und bewusst provokativ zugespitzt zu haben.

Unbedingt sehenswert bleibt die Ausstellung „Der Hambacher Forst und der Preis unserer Energieversorgung“, in dessen Rahmenprogramm der Vortrag stattfand. Ähneln derartige Versuche oft einem linksalternativen Protest-Poesiealbum, so ist diese Schau ausgezeichnet kuratiert. Bei den Fotografien von Lucas Castel, Daniel Chatard, David Klammer, Sophie Reuter wechseln Totalen mit Porträtaufnahmen. Hier langweilt nichts. Indem an einer Wand Fotos der Baumhäuser schematisch zu Pattern gereiht sind, ähnlich den Präsentationen der Werke von Bernd und Hilla Becher, wird deren jeweilige Einzigartigkeit sogar noch besonders herausgehoben. Die Brutalität der Polizeieinsätze wird greifbar. Also unbedingt hingehen. Die Ausstellung ist noch bis zum 27. August zu sehen.

Thomas Giese