Fotoausstellung

Giftspuren

„Die Landwirtschaft der Gifte und ihr Preis für den Menschen“ – so hat der argentinische Fotograf Pablo E. Piovano seinen Bilderzyklus über die verheerenden Folgen von Glyphosat & Co. in seinem Land benannt, den die Coordination gegen BAYER-Gefahren im Oktober ausstellt.

Seit 1996 der Anbau transgener Sojapflanzen in Argentinien durch die Regierung gestattet wurde, ist der Pestizideinsatz drastisch angestiegen. Mittlerweile werden jedes Jahr um die 300 Millionen Liter Agrarchemikalien auf den Feldern ausgebracht. Davon etwa zwei Drittel Glyphosat. Rund 12 Millionen Menschen leben unweit der Felder und sind den Ackergiften wehrlos ausgesetzt.Der bekannte argentinische Fotograf Pablo E. Piovano hat die Menschen in den betroffenen Gebieten besucht. Entstanden sind beeindruckende Bilder, zugleich bedrückende Beweise für die zerstörerischen Risiken und Nebenwirkungen der Agrarchemikalien. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren zeigt die Bilder im Rahmen ihrer Kampagne „GLYPHOSAT-STOPP JETZT!“ in der fiftyfifty-Galerie in Düsseldorf. Piovano wurde am 7. September 1981 in Buenos Aires, Argentinien, geboren. Seit seinem 18. Lebensjahr bereits fotografiert er. Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet und geehrt.

Im Jahr 2014 wurde er durch einen Report eines Mediziner*innen-Netzwerks, das Pestizid-Geschädigte betreut, auf die dramatischen Zustände in den riesigen landwirtschaftlichen Anbauregionen aufmerksam. Das mangelnde öffentliche Interesse an den katastrophalen Berichten der Ärzt*innen empörte Piovano. Also entschloss er sich, selbst aktiv zu werden und „die Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen in den besprühten Dörfern zu dokumentieren“.

Drei Jahre lang war Piovano unterwegs, erkundete das Zentrum, die Küste und den Norden Argentiniens und hat mehr als 15.000 Kilometer bereist. „Es war nicht schwer, in diesen Gebieten betroffene Personen zu treffen. Eine führte mich zur Nächsten. Aber Dutzende Leute öffneten mir ihre Türen und offenbarten mir immer und immer wieder die gleichen Leidensgeschichten: angeborene Missbildungen, Fehlgeburten und Krebs-Erkrankungen“, so Piovano.

Die kontrastreichen, teils in Schwarz-Weiß aufgenommenen Fotografien halten aufrichtig und respektvoll die eigentlich unfassbaren Schäden fest. Piovano arbeitet einzigartig minimalistisch, ihm gelingt in bewundernswerter Weise die Konzentration auf das Wesentliche. Die Kraft seiner Bilder besteht aus dem zurückhaltenden Ton, der die Privatsphäre der Geschädigten respektiert und zugleich die natürliche und ungezwungene Authentizität der Situationen gewährleistet.

Der Fotograf zeigt die von den Pestiziden verursachten Deformationen an den menschlichen Körpern, ohne sie auszustellen. Manchmal spricht ein Teil für das Ganze, wie bei der Hand ohne Fingerkuppen, die dem ehemaligen Plantagen-Arbeiter Alfredo Cerán gehört, groß aufgenommen vor dem düsteren und unscharfen Hintergrund einer unbefestigten Straße zwischen zwei Ackerflächen. Andere Geschädigte lichtet Piovano ebenfalls in der Nähe der „Tatorte“ ab. Einen Mann etwa bringt er dazu, der Kamera mitten auf einem Feld den Blick auf seinen Rücken mit einem großen Geschwulst an der Wirbelsäule zu erlauben, was großes Vertrauen voraussetzt. Einige seiner Protagonist*innen fotografiert er hingegen in ganz normalen Alltagssituationen, wobei diese Schnappschüsse zudem ganz en passant noch Zeugnis von der großen Armut in den ländlichen Regionen Argentiniens ablegen. Neben Landarbeiter*innen, die die Agro-Chemikalien ohne Schutzkleidung ausbringen und Sprüheinsätzen per Flugzeug, gehören zu der Serie „Die Landwirtschaft der Gifte und ihr Preis für den Menschen“ aber nicht zuletzt auch Dokumente des Widerstands, Portraits von Aktivist*innen und dynamische Impressionen von Demonstrationen.

Der politische Aspekt von Piovanos Fotografien wohnt jedem Bild inne. In einem Kommentar von Guillermo Saccomanno heißt es: „Piovanos Bilder haben etwas Goyaeskes an sich. Die Deformierung der realen Wesen verweist auf die Träume der Vernunft, die nach Goya Monster hervorbringen. Die kapitalistische Vernunft, die aus der Natur Profit schlagen will, hat in der Tat dieses deformierte Mädchen, das krabbelt, oder die Jungen mit Hydrocephalus und geistiger Behinderung erschaffen.“

In einem Text zur Ausstellung mit dem Titel „Heiliges Land. Tropfender Genozid“ fasst Piovano selbst die verheerende und absurde Situation wie folgt zusammen: „Was stets Nahrung und lebenswichtige Energie für Menschen war, ist heute nur noch Ware, ein Geschäft. Wie können die Samen der Welt in so wenige Hände passen? Wer die Nahrung kontrolliert, kontrolliert unsere Gesundheit. Und wer unsere Gesundheit kontrolliert, kontrolliert auch unsere Freiheit. Es ist unerlässlich, dass wir uns wieder zurückbesinnen und spüren, dass die Erde unsere Mutter ist. Das Leben ist heilig.“

Piovanos Werke sind nicht nur als Kunst zu verstehen, sondern auch als Aufruf, gegen die Ausbeutung von Menschen und Umwelt aufzustehen, sich solidarisch mit den Geschädigten zu zeigen und sich dem Widerstand gegen Agrarchemikalien anzuschließen.

Gerade deshalb lohnt sich vor dem Hintergrund der anstehenden Entscheidung über eine Zulassungsverlängerung für Glyphosat in der EU ein Besuch der Ausstellung! Zumal die Gelegenheit besteht, dort ein bewegendes und motivierendes Motiv des Künstlers als Edition zu erwerben. Limitiert und signiert, oder etwas günstiger unsigniert. Zudem gibt es ein Rahmenprogramm mit einem Vortrag des renommierten Pestizid-Kritikers Dr. Peter Clausing.

Jan

Vernissage

Freitag, 06. Oktober 2023, 18:00 Uhr, fiftyfifty-Galerie, Jägerstr. 15 

Laufzeit der Ausstellung:
06. bis 20. Oktober 2023
Montag bis Freitag: 10:00 bis 11:30 & 14:00 bis 17:00 Uhr
Samstag: 11:00 bis 14:00 Uhr

Vortrag „Die Bewertungslü(g)cken der EU Pestizid-Behörden an konkreten Beispielen erläutert“

mit Dr. Peter Clausing (PAN)
Dienstag, 17. Oktober 2023, 18:00 Uhr 

Edition „Resistencia“
Mikropiezo-Pigment-Druck (vierfarbig) auf wertigem Kunstdruckpapier ca. 40 x 30 cm verso auf Etikett von Hand signiert und nummeriert (Auflage 100 plus e/a). Für nur 100 Euro

Kunstdruckpapier A4 unsigniert nur 20 Euro
Beide Versionen bei Versand zzgl. 16 Euro in der Galerie oder kg[at]cbgnetwork[dot]org