Kein Werben für’s Sterben

Kriegsversehrte und traumatisierte Ex-Militärs traten in Düsseldorf vom 9. bis zum 16. September unter dem Motto Invictus Games (unbesiegt - ungebrochen) zu Wettkämpfen in Düsseldorf an. Diese Spiele wären sicherlich besser beim Rehasport oder bei den Paralympics aufgehoben gewesen.

OB Keller rollte den Roten Teppich für hochrangige Militärs vor dem Rathaus aus, kurz vor diesem Event wurde in der Johanneskirche am Martin-Luther-Platz ein Militärgottesdienst zelebriert. Schirmherr Prinz Harry, der sich persönlich mit dem Abschuss von 25 Taliban-Kämpfern brüstet, zieht hunderte von Fans an und wabert anschließend eine Woche lang in Endlosschleife nicht nur durch die Düsseldorfer Lokalpresse. Die Rheinische Post sekundiert „Falscher Ort für Demonstrationen“ und merkt an, dass bei allem „Verständnis für diejenigen, die Friedenstauben auf ihre Transparente malen“ mensch doch „begeistert sein dürfe für diejenigen, die den Einsatz für den Frieden gewagt haben und nun den sportlichen Wettkampf vor Publikum als Teil ihrer Rehabilitation genießen. Sie sind unbesiegt. Jubeln wir ihnen also zu!“

Weggewischt wird die Tatsache, dass viele Soldat*innen ihren Kampfeinsatz sportlich weniger gut wegstecken: Tausende von gebrochenen Existenzen – tausende von Drogenkarrieren. Aber vor allem wird unter den Teppich gekehrt, dass es sich bei 90 Prozent der Getöteten, Verletzten und Traumatisierten in kriegerischen Auseinandersetzungen um zivile Opfer handelt.

Angriff auf Zivilgesellschaft und zivile Dienste

40 Millionen Euro lässt sich Verteidigungsminister Pistorius seinen Auftritt bei den Düsseldorfer Invictus Games kosten. Rüstungskonzerne wie Rheinmetall, Boeing und Lockhead Marteen sekundieren als Sponsor*innen und werden mit reichlich Raum zur Selbstdarstellung belohnt. Das ist der vorläufige Höhepunkt einer Werbe- und Rekrutierungskampagne für die Bundeswehr – ein gelungener Coup auf dem Weg zu einer weiteren Militarisierung unserer Gesellschaft.

Parallel zu dieser Propagandaveranstaltung für mehr militärisches Engagement sieht der Haushaltsentwurf der Bundesregierung einschneidende Kürzungen bei den Freiwilligendiensten vor. Die Wohlfahrtsverbände, die längst fest mit dem Engagement etwa im Freiwilligen Sozialen Jahr kalkulieren müssen, schlagen Alarm.

„Wir erleben, dass beim Freiwilligendienst die Mittel gekürzt werden“, erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lillie. Damit spare die Bundesregierung ausgerechnet dort, wo junge Menschen sich aus freien Stücken engagieren. Für die Wohlfahrtsverbände seien die Freiwilligendienste einer der besten Wege, motivierte Fachkräfte zu gewinnen, da ehemalige Freiwillige später häufig in soziale Berufe wechselten. Die Ampel will den Zuschuss zum FSJ in den nächsten zwei Jahren um 113 Millionen Euro kürzen.

Auch ehrenamtliche Dienste, wie etwa die Tafeln, befürchten, dass wegen der geplanten Kürzungen bei den 1-Euro-Jobs bestimmte Angebote nicht mehr aufrechterhalten werden können. In Wuppertal beispielsweise soll es 9 Millionen weniger aus diesem Topf des Jobcenters geben. Das bedeutet, dass bestimmte Dienste der Wuppertaler Tafel wie z.B. ein Sozialkaufhaus aktuell auf der Kippe stehen könnten.

Die Düsseldorfer Propagandashow für eine höhere Akzeptanz von Militär und Aufrüstung ist deshalb in Zeiten von knapper kommunaler Kassen und Kürzungen im Sozialbereich auch ein Affront gegen eine Zivilgesellschaft, die bereit ist, durch bürgerschaftliches Engagement Verantwortung zu übernehmen.

Unter der Losung „Kein Werben für‘s Sterben“ hat sich in Düsseldorf ein breites Bündnis gebildet, das sich anlässlich des Auftritts von Verteidigungsminister Pistorius vor dem Rathaus lautstark zu Wort meldete. Unterstützt wurde dieser Protest auch vom Düsseldorfer Ökumenischen Friedensnetzwerk Düsseldorf Christinnen und Christen, das fordert, die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Militär zu beenden.

Eine Initiative hat 100.000 Unterschriften an den Petitionsausschuss der Bundestages übergeben, um den drohenden Verlust von bis zu 30.000 Plätzen im Bereich des Freiwilligen Sozialen Jahres abzuwenden.

Invictus Games Düsseldorf – for ever!

Begeistert von den Spielen in Düsseldorf ist FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf ihrem Heimaturlaub. Acht Tage sei sie dabei gewesen und „fasziniert und glücklich“. Die Bundeswehr habe sich brillant präsentiert und neben dem Sport gezeigt, wie viele Möglichkeiten der Rehabilitation den an Seele und Körper Versehrten angeboten werden: „In herausfordernden Zeiten ein Leuchtfeuer der Freude.“

Oberbürgermeister Stephan Keller gibt bekannt, dass es auch zukünftig jährlich eine Invictus-Veranstaltung in der Stadt geben wird. Die neu gegründete Organisation „Invictus Germany“ soll den „Invictus-Spirit“ weiter in Deutschland verbreiten. Organisieren soll die Düsseldorfer Spiele die Stadttochter D.Live.

Und Ministerpräsident Wüst setzt sich für die Schaffung eines Veteranentages ein. „Als Zeichen, dass wir die Leistungen, Belastungen und Risiken des soldatischen Dienstes nicht nur sehen, sondern in Dankbarkeit anerkennen. Wir wollen Flagge zeigen für unsere Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Uniform.“

Zuvor hatte sich bereits Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius für einen Veteranentag ausgesprochen. Er wolle den Rückenwind durch die Invictus Games dafür nutzen, das gesellschaftliche Bewusstsein für die Verdienste von Soldatinnen und Soldaten weiter zu stärken, sagte Pistorius zum Abschluss des Festes.

Wir schlagen vor, dem Werbespruch der Düsseldorf Marketing GmbH „Nähe trifft Freiheit“ in den Zeiten der Zeitenwende künftig folgenden Slogan verpflichtend an die Seite zu stellen:

Reschpekt anstell von zo vill Jemötlichkeet!

Text und Fotos (siehe Druckausgabe): Michael Flascha