„Abschotten, Abschrecken, Abschieben ist keine Migrationspolitik“*

Abschiebehaft - was ist das?

In Deutschland gibt es zur Zeit 15 Abschiebegefängnisse mit ca. 900 Haftplätzen. Die größte Einrichtung ist in Büren (NRW): 175 Haftplätze. Offiziell und verharmlosend von der Bezirksregierung Detmold wird der Abschiebeknast als „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige“ bezeichnet. Für die dort festgehaltenen Menschen bedeutet das: hohe Mauern, vergitterte Fenster, Eingeschlossen-sein in Knastzellen, bis zu 18 Monate Freiheitsentzug. Abschiebehaft soll keine Strafhaft, sondern eine Form von Zivilhaft darstellen. Die Durchführung einer Abschiebung soll dadurch erleichtert werden. Die zahlreichen rechtlich anerkannten Inhaftierungsgründe ermöglichen, dass heute fast jede behördlich als ausreisepflichtig eingestufte Person inhaftiert werden kann.

Rechtswidrige Haftanträge der Ausländerbehörden, mangelnde Überprüfung des Sachverhalts seitens des/der Richter*innen oder sogar die Abschiebung von Menschen, bevor ein Gericht die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung überprüft hat, sind an der Tagesordnung – eine massive Entrechtung der betroffenen Menschen.[1]

Im 1. Halbjahr 2023 wurden aus Deutschland 7.661 Menschen abgeschoben, knapp 27 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. 279.098 ausreisepflichtige Menschen lebten bis zum 30.6.2023 in Deutschland.[2]

Was läuft in Düsseldorf?

Nach wie vor unbekannt ist, wohin der geplante Düsseldorfer Abschiebeknast soll. Irgendwo in der Nähe des Airports Düsseldorf, dem wohl größten Abschiebeflughafen Deutschlands muss aber schon sein.

Das „Bündnis Abschiebegefängnis verhindern in Düsseldorf und überall“ ist nach wie vor aktiv: Aktivist*innen des Bündnisses haben z. B. ein Seminar zu Abschiebehaftrecht gestört, indem sie Informationsmaterialien verteilt und in Redebeiträgen auf die menschenverachtende und rassistische Praxis von Abschiebungen und Abschiebehaft aufmerksam gemacht haben. Das zweitägige Seminar wurde vom kommunalen Bildungswerk e. V. unter dem Titel „Abschiebehaftrecht unter Berücksichtigung allgemeiner ausländerrechtlicher Vorgaben – eine Einführung“ angeboten und sollte Mitarbeiter*innen der Ausländerbehörden befähigen, rechtssicher, schneller und effizienter Abschiebehaft durchzusetzen.

In Düsseldorf leben aktuell etwa 7.100 Geflüchtete (ohne Menschen aus der Ukraine). Damit liegt die sogenannte Erfüllungsquote der Landeshauptstadt bei 156 Prozent.

Am 21.10.2023 veranstaltete die AfD Düsseldorf eine Kundgebung gegen die geplante zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Geflüchtete in der Schwannstraße in Düsseldorf-Derendorf. In der Nachbarschaft der Schwannstraße wurden von der AfD Flugblätter verteilt, in denen unter anderem unsachgemäß vor „unbegleiteten jungen Männern“ gewarnt wird. Laut AfD-Homepage „droht durch die anhaltend hohe Migration die nördliche Düsseldorfer Innenstadt rund um den Frankenplatz zu einem neuen Brennpunkt zu werden.“ Bis zu 640 Asylsuchende sollen auf der Schwannstraße 12 auf ca. 8.000 Quadratmetern untergebracht werden. Dort werden Geflüchtete nicht dauerhaft, sondern lt. Bezirksregierung für ca. 6-18 Monate untergebracht.

Ca. 100 Menschen versammelten sich um den blauen AfD–Pavillon am Frankenplatz. Gegenüber formierte sich, abgetrennt durch erhebliche Polizeipräsenz, die Gegendemo, DSSQ (Düsseldorf stellt sich quer) und Düsseldorfer Appell hatten hierzu aufgerufen. Motto: „Der AfD entgegentreten! Grenzenlos solidarisch gegen rassistische Hetze“. Politiker*innen aus Parteien wie Grüne und SPD, Gewerkschafter*innen, Bündnis Abschiebegefängnis verhindern, Menschen aus der Nachbarschaft und viele andere, insgesamt ca. 400 Teilnehmer*innen, zeigten Präsenz. Wortbeiträge kamen u. a. von Bezirksbürgermeisterin Annette Klinke (Grüne), die im Vorfeld betont hat: „Wir wollen deutlich machen, dass wir in Düsseldorf friedlich miteinander leben, auch wenn die Zeiten schwierig sind.“ Sie bedauere, dass die eigentlich vertrauliche Info über die neue Landesunterkunft aus einer nicht-öffentlichen Sitzung nach außen gedrungen sei und nun von der AfD genutzt werde, um sich als „Anwalt der Bürger“ zu positionieren. Weitere Beiträge kamen auch vom Superintendenten des Kirchenkreises Düsseldorf, Heinrich Fucks und einer Aktivistin vom Bündnis ‚Abschiebegefängnis verhindern‘, sowie Christian Jäger, Sprecher von DSSQ. Er sagte unter anderem: „Das Aufnahmesystem für Geflüchtete in Düsseldorf funktioniert. Trotzdem versucht die AfD jetzt, Ängste vor einer neuen Unterbringung heraufzubeschwören. Das ist plumpe, rassistische Stimmungsmache, für die es in unserer internationalen Stadt keinen fruchtbaren Boden gibt.“ In allen Redebeiträgen wurde Solidarität und Unterstützung für geflüchtete Menschen bekundet, denn: kein Mensch flüchtet ohne triftigen Grund, verliert Familie, Freunde und seine Heimat ohne Not.

Eine große, bunte und beeindruckende Ansammlung gegen einen kleinen braunen Haufen am blauen Pavillon.

Der Abteilungsleiter der Bezirksregierung Düsseldorf, Chris-Patrick Kruse, ließ im Nachgang verlauten: „Unser Ziel ist es, mit der Schaffung von Plätzen in Landeseinrichtungen die Kommunen zu entlasten. Wir werden die Nachbarschaft und alle Interessierten detailliert über die geplante Einrichtung informieren und die Möglichkeit zu einer sachlichen Diskussion geben.“ Geplant ist eine Infoveranstaltung der Bezirksregierung Düsseldorf am 16.11.2023 ab 18 Uhr. Der Ort wird noch bekanntgegeben.

Was läuft in der großen Politik?

Aktuell beraten die bundesdeutschen Ministerpräs­i­dent*innen über Asylpolitik: Viele Kommunen sehen sich mit der weiter wachsenden Zuwanderung überfordert. Ein Treffen mit Bundeskanzler Scholz am 6.11.2023 ist in Vorbereitung. Am 10.10.2023 hat die Bundesregierung „eine Einigung auf bessere Arbeitsmöglichkeiten und schärfere Abschieberegeln“ verkündet.

Am 12.10.2023 wurden weitere Details zum Thema bekannt: z. B. schlug Innenministerin Nancy Faeser vor, die Ausländerbehörden durch längere Fristen zu entlasten, lt. Entwurf soll die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams (z. B. im Transitbereich eines Flughafens) von 10 auf 28 Tage verlängert werden. Somit erhielten die Behörden mehr Zeit, eine Abschiebung vorzubereiten. Eine weitere Verschärfung der Situation geflüchteter Menschen in Deutschland kommt. So fordert Bundeskanzler Scholz in einem aktuellen Interview ungewöhnlich deutlich „Abschiebungen im großen Stil“. Damit stimmt er in den Chor der Rechten – sowohl aus der Koalition als auch der CDU/CSU – ein. Gilt es doch, Wähler*innen zurückzugewinnen, die zur AfD abgewandert sind. Hessen und Bayern lassen grüßen.

Aber aus der Ampelkoalition kam auch Kritik am Kanzler. Jürgen Trittin* (Grüne) schrieb auf X: „30 Jahre nach 1993 sollten wir doch gelernt haben, dass Abschotten, Abschrecken, Abschieben keine Migrationspolitik ist, sondern ein Konjunkturprogramm für Rassismus und Rechtsradikale.“

Christine

[1]  Quelle: Lina Droste, Isolierung traumatisierter Menschen und erschwerter Zugang zu Unterstützer*innen (aus „Neue Praxis, Zeitschrift für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sozialpolitik, Sonderheft 17)
[2]  Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung unter Berufung auf eine Anfrage der Partei „Die Linke“ an das Bundesinnenministerium.

Links:

Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e. V.“
https://gegenabschiebehaft.de

„Community for all, solidarische Gemeinschaft statt Abschiebegefängnis“
https://communityforall.noblogs.org

„Bündnis Abschiebegefängnis verhindern in Düsseldorf und überall“
https://abschiebegefaengnis-verhindern.de

Nächster offener Treff:
27.11.2023, 20 Uhr, K4, Kiefernstr. 4

Buchempfehlung:

„Die Würde des Menschen ist abschiebbar“
Lina Droste, Sebastian Nitschke
ISBN 978-3-96042-102-3