Ralf Hutter: Der Hausherr gibt es, der Hausherr nimmt es.

Profitgier und Verdrängung im christlichen Immobiliengeschäft.

In Deutschland herrscht akuter Wohnungsmangel. Ein Verbändebündnis schätzt den Fehlbestand auf rund 800.000 Wohnungen. Während des über zehnjährigen Immobilienbooms hat die private Wohnungswirtschaft durch spekulative Wetten auf immer weiter steigende Preise prächtig verdient. Sie war aber nicht in der Lage, Wohnungen in ausreichender Zahl und vor allem zu Mieten zu bauen, die Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen noch bezahlen können. Mit dem Ende des Booms sind seit 2022 die Immobilienpreise drastisch eingebrochen, der Wohnungsneubau ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Die Wohnungsmieten kennen aber nach wie vor nur eine Richtung: nach oben. Das alles zeigt: Die marktwirtschaftliche Wohnraumversorgung ist ganz offensichtlich gescheitert, sie hat nicht geliefert, was dringend gebraucht wird. Eine wohnungspolitische Wende hin zum Aufbau eines am Gemeinwohl und nicht an der Rendite orientierten kommunalen Wohnungssektors ist mehr als überfällig.

Die Wohnungsunternehmen der großen christlichen Kirchen könnten durchaus wichtige Partner bei der Schaffung eines marktfernen, nicht an der Rendite orientierten Wohnungssektors sein. Ihre öffentlich bekundete Orientierung an christlich-sozialen Grundwerten, die Anerkennung von Wohnen als Grundbedürfnis, das für alle bezahlbar sein soll, weckt die Erwartung, die hohen moralische Ansprüche müssten auch in sozialer Verantwortung ihren praktischen Ausdruck finden. Die vorliegende akribische Bestandsaufnahme des Soziologen und Journalisten Ralf Hutter zeigt allerdings, dass sie dieser Verantwortung nur sehr bedingt und in vielen Fällen auch gar nicht gerecht werden.

Zwar zählen die Wohnungsunternehmen der katholischen und evangelischen Kirche nicht zu den ganz großen Playern auf dem Mietwohnungsmarkt. Aber immerhin verfügen sie zusammen über rund 130.000 Mietwohnungen sowie über Erbbaurechte, die zur Schaffung von Wohnraum vergeben werden können. Zum Vergleich: Die vier größten Wohnungsunternehmen in Deutschland Vonovia, LEG, Vivawest und TAG vereinen zusammen rund 904.000 Mietwohnungen auf sich.

Die Wohnungsunternehmen der großen Kirchen sind in zwei Dachverbänden zusammengeschlossen. Im 1952 gegründete Evangelischen Immobilienverband Deutschland (EID) sind 16 Unternehmen, kirchliche Einrichtungen und Einzelpersonen organisiert, die zusammen über rund 40.000 Wohnungen verfügen. Dem schon 1930 von der Deutschen Bischofskonferenz gegründeten Katholischen Siedlungsdienst (KSD) gehören 45 Immobilienunternehmen an, die Ende 2022 über rund 90.000 Mietwohnungen verfügten. Weitere 35.000 Wohnungen anderer Eigentümer wurden von ihnen verwaltet. In Düsseldorf sind die zur KSD gehörenden Unternehmen „Rheinwohnungsbau GmbH“ und die „Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH“ (ASW) mit größeren Wohnungsbeständen vertreten.

Am Beispiel der ASW, dem größten katholischen Immobilienunternehmen, zeigt sich die Problematik kircheneigener Wohnungsunternehmen besonders deutlich: Sie verstehen sich nicht als karitative Veranstaltungen. Als Akteure in einem kapitalistischen Marktumfeld müssen sie deshalb Überschüsse erwirtschaften, mindestens aber Verluste vermeiden. Zwar stehen sie nicht unter dem Druck von Aktionären, die hohe Renditen fordern, aber die kirchlichen Eigentümer, im Fall der ASW sind das sechs Bistümer, unter denen das Erzbistum Köln mit einem Anteil von über 41 % das größte Gewicht hat, erwarten schon, dass Überschüsse ausgeschüttet oder für spätere Auszahlungen als Rücklage angespart werden. Bei der ASW sind das jährlich Millionenbeträge, die nicht in Ausbau und Erhalt des Wohnungsbestandes und in sozialverträgliche Konfliktlösungen investiert werden. Leidtragende sind die Mieter*innen wie etwa in Düsseldorf-Eller. Dort gehören der ASW 160 Wohnungen. Bei der ab 2021 durchgeführten umfassenden Modernisierung der Wohnanlage wurde wenig Rücksicht auf die Bewohner*innen genommen. Die erhebliche Minderung der Wohnqualität durch die Baumaßnahmen sowie die angekündigten Mietsteigerungen haben viele Bewohner*innen zum Auszug genötigt. Die ASW war als Ansprechpartner kaum erreichbar, von einem wirksamen Sozial- und Härtefallmanagement, geschweige denn von sozialer Verantwortung der ASW konnte keine Rede sein. Das „Düsseldorfer Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ hat die Mieter*innen in ihrem Protest nach Kräften unterstützt. Letzlich konnte die ASW aber nicht dazu bewegt werden, ihrer selbst bekundeten „sozial-christlichen Ausrichtung“ auch gerecht zu werden.

Das Buch von Ralf Hutter macht an diesem und weiteren sehr detailliert recherchierten Beispielen deutlich, in welchem Ausmaß bei den kirchlichen Wohnungsunternehmen moralischer Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Hinter der Detailfülle der akribisch recherchierten Fallbeispiele - thematischer Zugang des Autors waren konkrete Konflikte der christlichen Wohnungsunternehmen mit den Mieter*innen – gerät allerdings die generelle Problematik des kapitalistischen Immobilien- und Wohnungsmarktes mit seiner spekulativen Dynamik zu sehr aus dem Blick. Die Hauptakteure sind hier renditeorientierte Investoren, für die Wohnungen bloße Anlageobjekte sind. Sie sind die Hauptgegner im Kampf um eine gemeinwohlorientierte Wohnungsversorgung. Die kirchlichen Wohnungsunternehmen könnten in dieser Auseinandersetzung Bündnispartner sein. Das würde freilich voraussetzen, sich nicht nur in Worten, sondern auch in Taten an den „christlich-sozialen Grundwerten“ zu orientieren. Vielleicht kann das Buch von Ralf Hutter zu einem solchen Umdenken beitragen. Zu hoffen wäre es.

Helmut Schneider
Düsseldorfer Bündnis für bezahlbaren Wohnraum

Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Ralf Hutter
03.04. 19:00, Salon des Amateures/Bar in der Kunsthallle, Grabbeplatz 4 40213 Düsseldorf
DA! Düsseldorfer Aufklärungsdienst e.V. veranstaltet eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Ralf Hutter

Ralf Hutter: Der Hausherr gibt es, der Hausherr nimmt es. Profitgier und Verdrängung im christlichen Immobiliengeschäft.
Aschaffenburg 2023, 220 Seiten, 18 Euro