Von dem Fischer und seiner Vergangenheit

Nun weiß es jeder: Unser Außenminister war in seinen späten Jugendjahren kein Chorknabe. Mit Polizisten hat er sich geprügelt, war bei Demos dabei, wo Molotow-Cocktails flogen, kannte "TerroristInnen" und schützte ImmigrantInnen. Die Liste seiner "Verfehlungen" ließe sich verlängern. Aber heute ist alles anders. Er lässt Polizisten prügeln, schmeißt Bomben auf Belgrad, schmiert Ex-"Terroristen" und Farbbeutelwerfer an und duldet die Abschiebung unnützer Flüchtlinge. Das hat ihm soviel Sympathie eingebracht, dass selbst die "Enthüllungen" der Opposition seinem Image als beliebtester Politiker kaum schaden konnten..

Legale und illegale Gewalt

Die Debatte um Fischer nahm in unserem Heimatblatt "Rheinische Post" über Wochen einen breiten Raum ein. Neben den üblichen Kommentaren wie "So einer kann doch Deutschland nicht im Ausland repräsentieren" (Ablehnung), oder "Der lügt wenigstens nicht wie die von der Opposition" (Zustimmung), gab es auch kritische Anmerkungen. Aus Kaarst meldete sich am 5. Februar Herr S.: " ...Wer, wie der Historiker Wolffsohn, den Widerstand vieler Menschen in den 70er Jahren gegen den Abriss von Wohnhäusern in Frankfurt zu Gunsten des Neubaus eines kompletten Hochhaus-Bankenviertels mit den verabscheuungswürdigen Gewalttaten von Rechtsradikalen vergleicht, denen es ausreicht, einen Menschen totzuschlagen, nur weil er eine andere Hautfarbe hat, der hat entweder das Gedächtnis oder den Verstand verloren."

Hat er nicht, Herr S.! Der Herr Professor propagiert die unumschränkte Gültigkeit des staatlichen Gewaltmonopols, dem es so ziemlich egal ist, wer an ihm nagt und warum. Da können die gewalttätigen Nazis genauso einen über die Rübe kriegen wie die Gegner aus der linken Szene.

Demokratisch legitimierte Gewalt ist eben die heilige Kuh der bürgerlichen Gesellschaft, an der sich keiner - aus welchem Grund auch immer - vergehen darf. So heilig ist die Gewalt, dass sie in den Augen der darüber Verfügungsberechtigten überhaupt nicht mehr als solche erscheint. Das ist auch Herrn J. aus Neuss aufgefallen: " ...Alle Politiker, inklusive Joschka Fischer, lehnten in der Debatte einhellig die Gewalt als Mittel der Politik ab. Wenn das nicht ein neuer Gipfel der Dreistigkeit ist! Was, bitte sehr, bliebe denn von Politik übrig, wenn sie auf das Mittel der Gewalt verzichtet?" (RP, 5.2.)

Hypothetische Fragen

In Geldern wohnt Herr M., der sich mal nicht wie ein "seriöser Historiker" benehmen will, und sich die Frage stellt: "Was wäre, wenn ...?" Dabei kommt Folgendes heraus: " ...Was wäre, wenn Joschka Fischer damals anstelle des 'Bullen' einen Menschen ausländischer Herkunft 'geklatscht' hätte? Ich denke, er wäre in Schimpf und Schande aus seiner Partei geworfen worden, wenn er denn überhaupt hineingekommen wäre. Ein Staatsamt wäre ihm auf immer und ewig verwehrt geblieben. Mit Recht. Ist aber nun, in diesem zugegeben hypothetischen Fall, ein ausländischer Bürger ein anderes Rechtssubjekt als ein deutscher Polizeibeamter? Davon ist wohl leider auszugehen. ..." (RP, 31.1.)

Ziemlich daneben liegt dieser Leserbriefschreiber. Erstens hätte sich ein Fischer in diesem hypothetischen Fall wohl eher bei der NPD gemeldet - und die hätte ihn sicherlich nicht vor der Tür stehen lassen. Außenminister wäre er auch nicht geworden, schließlich - und das weiß heute jeder - kann man mit dem Nazi-Verein keinen vernünftigen Staat machen.

Da sind die Hypothesen des Herrn K. aus Ratingen doch ein wenig realistischer: "Ich teile die Meinung Ihrer Leitartikler, die diesem angeblich gewandelten Paulus die Entschuldigungen nicht durchgehen lassen. Ich möchte einmal die Gegenseite hören, wenn es rechts von Rot-Grün so etwas gäbe. Wenn die CDU beispielsweise einen Filbinger hätte Ministerpräsident eines Landes werden lassen, obwohl er unmittelbar vor Kriegsende noch einen Deserteur zu Tode verurteilte. Oder wenn Adenauer einen wie Globke in seinen engsten Beraterkreis aufgenommen hätte, obwohl dieser doch die Nürnberger Nazi-Gesetze wohlwollend kommentiert hatte. Oder einen wie Kiesinger zum Bundeskanzler gewählt hätte, obwohl er einmal Mitglied der NSDAP gewesen war. Wahrlich, das Geschrei hätte ich hören wollen - dabei haben weder Filbinger noch Globke oder gar Kiesinger gewiss nie mit Steinen geschmissen!" (ebd.)

Hübsch formuliert! Doch Herr K. erweist seinem Idol mit diesem Vergleich einen Bärendienst. Ist etwa Fischer irgendwie zu vergleichen mit Filbinger, Globke oder Kiesinger? Die drei CDU-Größen haben in der Nazi-Zeit gezeigt, dass sie ihr Handwerk meisterhaft beherrschen. Warum sollte Adenauer beim Aufbau der BRD nicht auf bewährte Kräfte zurückgreifen? Dass ihr ehemaliger Arbeitgeber nicht die gewünschten Erfolge erzielte, wollte der neue Chef seinen bewährten Staatsagenten nicht anlasten.

Der Minister klärt auf

Fischer hingegen, so wird erzählt, habe sich im Gegensatz zu den alten Faschisten als Staatsgegner hervorgetan. Darum möchten wir zum Schluss noch unseren Minister höchstpersönlich zu Wort kommen lassen. In einem Spiegel-Interview erläutert er die Beweggründe seines damaligen Handelns: " ...wir machten Erfahrungen von überzogener Polizeigewalt, von schlimmer Hetze, nicht nur in den Medien." (Spiegel 2/2001) Na also, Polizeigewalt und Hetze gehen in Ordnung, nur dürfen sie nicht überzogen oder schlimm sein. Dafür sorgen heute die grünen PolitikerInnen: Polizeigewalt ist immer sachgerecht und die Hetze trifft immer den Richtigen.

Damals erklärte Joschka: "Du wirst selbst so wie der, den du bekämpfst."(ebd.) Verdammt recht hatte er, auch wenn der Satz total aus dem Zusammenhang gerissen ist.