Lokalpatridiotismus

Tote Hosen contra F.C. Bayern

Wir würden nie zum F.C. Bayern München gehen!

"Wir würden nie zum F.C. Bayern München gehen!", singen die Toten Hosen in ihrem neuen Musikvideo "Bayern". Probleme, das Video bei einem Verein zu drehen, der mit dem ziemlich teutonischen Namen DSC Alemania 08 daherkommt, hatte die Fußballpunkband dagegen nicht. Sympathien für den F.C. Bayern, "diesem Scheißverein", möchten die Toten Hosen nicht entwickeln, umso mehr aber für Fortuna Düsseldorf. Einem Verein, dessen angestammtes Stadion am Flinger Broich nach Paul Janes benannt ist, einem "Vorbild aus der Nazi-Zeit" (Jürgen Roth), einer, der bei der WM 1934 in der Öffentlichkeit mit Uniform herumstolzierte. Gegen Hitlergruß und Horst Wessel-Lied bei Länderspielen hatte der Rekordnationalspieler auch dann nichts einzuwenden, wenn "der englische Fußballverband darauf lieber verzichtet hätte". Warum aber auch sollte verwundern, daß ein deutscher Punkmusikant wie Campino singt, er würde "nie im Leben" bei einem Verein "seinen Charakter versauen", der eben bei den Nazis als "Judenclub" verschrien war, dessen langjähriger jüdischer Präsident Kurt Landauer ins KZ verschleppt wurde und der sich 1939 gerade noch in die Schweiz retten konnte, einem Verein, der, weil er keine Rassen halluzinierte, eben viele jüdische Mitglieder hatte wie Jugendleiter Otto Beer, Stadtrat Dr. Karl Scharnagl, den "Halbjuden" Walther Bensemann und Meistertrainer Richard "Little" Dombi, (D.B. S.65) einem Verein, der nicht nur heute der internationalste Club in Deutschland ist, sondern schon in den 20ern ausschließlich internationale Trainer verpflichtete, bevorzugt Spiele gegen internationale Mannschaften veranstaltete, einem Verein eben, der sich "lange seiner Nazifizierung widersetzt hatte". (Schulze-Marmeling) Erst 1942 konnten die Nazis endgültig den Präsidenten des Vereins stellen. Aber "ganz egal wie hart mein Schicksal wär", singt Campino, er "würde nie zum F.C. Bayern München gehen". Zu jenem Verein eben, der nach dem Ende des 2. Weltkriegs prompt den alten jüdischen Präsidenten wieder in sein Amt einsetzte. Bei einem Gastspiel 1940 in der Schweiz hatte die komplette Bayern-Manschaft ihren jüdischen Präsidenten besucht und dafür zu Hause schweren Ärger mit den Nazis eingesteckt. (Fischer/Lindner) Oskar Rohr ging als einer der ersten Bayernspieler 1933 als Profi ins Ausland nach Frankreich. Kaum, daß die Nazis 1940 auch da waren, sperrten sie Rohr, weil sie den Profifußball als jüdisch verfemten, ins KZ.

Heile Welt gegen Glitzerwelt

Daheim in Düsseldorf geben die Toten Hosen gerne Weihnachtskonzerte und nehmen am Karnevalsumzug teil; dementsprechend heimatlich beginnt ihr Fußballmusikvideo wie eine Sonntagsfahrt durch den angestammten, natürlich eher proletarischen Kiez. Am Kiosk vorbei, die Straße entlang, alles grau in grau, halt ein Blumenstand, und wie am Kiosk schauen dich die Fressen des Volkes an. Endlich der Bolzplatz von Alemania, auf dem dann die Kronkorken einer Altbiermarke wie lokalpatriotische Erkennungsmarken herumliegen. Unvermeidlich gerät ein Schal von Fortuna Düsseldorf ins Bild. Klar, daß die Heimatpunkband es nicht mit einem Club hat, der nie so recht bodenständig in der Region wurzeln wollte, sondern als erster Verein um Mitglieder und Fan-Clubs in ganz Deutschland warb und der heute der einzig wenigstens halbwegs europäische und internationale Club in Deutschland ist, was ihm gerade wieder die Fußballvolksgenossen übel nehmen und ihn prompt FC Hollywood schimpfen. "Muß das denn wirklich sein", singen die Hosen, "sich selber so wegzuschmeissen, und zum F.C. Bayern zu gehen". Zu dem Verein immerhin, dessen Kapitän Stefan Effenberg sich beharrlich weigert, für eine deutsche Nationalmannschaft zu spielen, während dagegen Campino sich einbildet, er "hätt' auch schon für Deutschland gespielt" - würde aber "nur nie zu den Bayern gehen". Nationalmannschaft heißt die Nationalmannschaft erst seit 1933. Vorher hieß sie Auswahlelf und ein Spieler der Auswahlelf, das war ein Internationaler. Erst die Nazis erfanden den Nationalspieler, der der Stefan Effenberg nun nicht mehr sein möchte, müßte er dann doch, wegen der neudeutschbedingten, inflationären völkisch-nationalistischen Stammeskleinstaaterei auf irgendeinem armenischen Fußballacker herumstolpern. Wegen solcher Belastungen sah Effenberg nur die "Möglichkeit, ... daß die Spieler des FC Bayern sagen, sie spielen nicht mehr in der Nationalmannschaft". Er habe seine "Entscheidung in dieser Hinsicht klar getroffen", sagte Effenberg. Worauf Altbundestrainer Jupp Derwall die verzweifelte Idee hatte, der DFB möge die Spieler zur Nationalmannschaft zwangsverpflichten. Der Show- und Glitzerwelt des FC Bayern, der vollständigen Durchkapitalisierung noch der hintersten Sektoren der Gesellschaft, eben des Sports und des Fußballs, setzen die Toten Hosen, hier ganz und gar deutsch, romantisch-reaktionär und rückwärtsgewandt die alte doch nicht zu rettende Welt des Traditions- und Arbeitervereins entgegen, die Welt des Bolzplatzes, auf dem sonntagmorgens noch Fußball gespielt wird nur um des Fußball willens, eine Welt, in der man noch, wie im Tote-Hosen-Video, anschließend in die Stammkneipe geht und bei Bier und Luftschlangen volksgemeinschaftlich abfeiert. Ein solches Denken muß jedoch die real abstrakten und objektiven Kapitalverhältnisse konkretisieren und personalisieren. Nicht das eigentlich Negative, das abstrakte, das objektive Kapitalverhältnis ist Thema der Toten Hosen, nein, das eigentlich Abstrakte wird konkretisiert und personalisiert im Lackstiefelclub FC Bayern, um es sodann austreiben zu können: "Was für Eltern muß man haben, um so verdorben zu sein, einen Vertrag zu unterschreiben bei diesem Scheißverein?" Von da aus ist es nur noch ein Katzensprung zum erneuten Rassenantisemitismus gegen den "Judenclub" FC Bayern.

CARL ZELAND