Mehltau

Alles fängt mit einem Aufstand gegen den unrechtmäßigen König Mehltau an. Der ist schon geschlagen, als er hinterhältig den Anführer der Rebellen erledigt. Aber nun will niemand der Rebellenhorde gegen Mehltau antreten. Unfreiwillig auserkoren wird von Mehltau der Hase. Quer durch das Königsschloss will Mehltau ihm ans Fell. Aber es ist gar nicht so einfach einen hoppelnden Hasen zu erwischen, zumal der sich als gar nicht dumm erweist. Immer wieder gerät Mehltau in Bedrängnis und ist bester Freund von Hase. Allerdings nur solange, bis er Gelegenheit findet, ihm erneut ans Fell zu gehen. Doch irgendwann wird es Hase zu bunt. Der Gejagte wird zum Jäger, aber auch das ist gar nicht so einfach, sieht es doch zum Schluss ganz böse für Hase aus, wäre da die nicht ziemlich verärgerte Königstochter. Es ist nicht schwer zu erraten, dass dies ein neues Abenteuer aus der Feder von Lewis Trondheim ist. Abermals zieht er die Märchenwelt durch den Kakao. Die säbelrasselnde Jagd wird begleitet vom Zauberer, einer ärgerlichen Prinzessin, Leprakranken, Folterknechten und anderen skurrilen Einfällen Trondheims. Das Wechselspiel zwischen Jäger und Gejagtem ist ein temporeiches Spiel um Klischees, dass es in dieser Form noch nicht zu sehen gab. Die Tiergestalten brechen aus den uns gewohnten Vorstellungen von Märchenfiguren aus und fabrizieren eine ganz eigene Welt. Eine Kunst, die Trondheim bis zur Perfektion beherrscht.

Meikel F

Mehltau - Lewis Trondheim - Reprodukt - 19.90DM für 144 Seiten in s/w


Autoroute du soleil

Unverdientermassen ist der französische Comicautor Baru im deutschsprachigen Sprachraum relativ unbekannt. Ausser einem mittlerweile nur noch im Ramsch erhältlichen Album (Lauf Kumpel!) bemühte sich nur noch das schweizerisch/deutsche Comicmagazin Strapazin, gelegentlich Arbeiten von ihm zu veröffentlichen. So ist es nicht verwunderlich, dass nun "Autoroute du soleil" im angegliederten Verlag Edition Moderne erschienen ist. Baru, selber Kind eines italienischen Immigranten, behandelt in seinen Comics vorwiegend den alltäglichen Rassismus, Drogen und andere gesellschaftliche Probleme. Ursprünglich Lehrer, kam er erst spät als Autodidakt zum Medium Comic. Er ist ein scharfer Beobachter und begnadeter Geschichtenerzähler. Es ist das alltägliche Leben der Strasse, das er beobachtet und außerordentlich dicht auf den Punkt bringt. In "Autoroute du soleil" hat er endlich Platz, um sich auszulassen. Der Titel des dicken Comicromans deutet die "road story" schon an.

Karim, Franzose nordafrikanischer Abstammung, und der Italofranzose Alexandre sind auf der Flucht vor den Schergen des "Front National". Karim, ganz der Gigolo aus der tristen Vorstadt von Nancy, kann die Finger nicht von der Frau des örtlichen "Front National" Führers Dr. Faurissier lassen. Der erwischt die beiden und schwört Rache. Nur knapp kann Karim dank Alexandre entkommen. Die Flucht führt durch eine französische Realität, die ängstigt. Den Fangarmen des enggeknüpften Netzwerkes des "FN" entkommen die beiden Flüchtenden mehrmals nur knapp. Baru zeigt beklemmend den rassistischen Konsens der französischen Gesellschaft auf. Trotzdem gibt es auch Akte der Solidarität. Da ist der frustrierte 68er, der mit Drogen nun seine Einkünfte aufbessern will und damit den beiden Protagonisten zu neuen Problemen in Form von Drogendealern verhilft. Aber es gibt auch die uneigennützige Hilfe von denen, die selber unten sind. Da ist auch der Franzose, der gezwungen wird zu helfen. Über das Auto, auch des Franzosen liebstes Kind, findet man zueinander. Und auch das Leben am Meer wäre zu schön, wenn es Dr. Faurissier nicht immer gelingen würde, die Spur wieder aufzunehmen.

Baru hat ein beklemmendes Abbild der französichen Gegenwart geschaffen aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt. Nazis, Dealer, Vorstadt-Tristesse und alltäglicher Rassismus können sich jederzeit entladen. Die Polizei ist entweder Feind oder uninteressiert, auf jeden Fall keine Hilfe. Schade ist allerdings, dass er den Nazi Dr. Faurissier zunehmend Amok laufen lässt. Dieses Bild, alle Nazis sind durchgeknallt, relativiert die Gefährlichkeit derselben.

In Frankreich hat dieses Comic für Furore gesorgt und etliche Preise eingeheimst. Baru hat mit seiner Erzählung viele Sachen auf den Punkt gebracht. Mittlerweile ist es leider eher selten geworden, das Medium Comic mit politischen Inhalten zu füllen. Umso mehr gebührt Baru Dank für dieses grosse Werk. Das Comic ist ein Aufschrei, das zeigen soll, wie es im Moment aussieht. Baru zeigt keine Lösungsmöglichkeiten auf, aber es ist auch kein verbittertes Werk. Ein Fünkchen Hoffnung hat er noch, sonst würde er es nicht noch gerade eben gut ausgehen lassen. Aber es wird Zeit, etwas zu tun.

MEIKEL F

Autoroute du soleil - Baru - Edition Moderne - 49.90 DM für 430 Seiten in s/w


Kane-Geschichten

Dies ist nunmehr der dritte Band über den New Yorker Polizisten Kane. Die dunklen Schatten der Vergangenheit bestimmen auch in "Geschichten" das Geschehen. Der Vorwurf, für den Tod eines anderen Polizisten verantwortlich zu sein, beschäftigt Kane weiterhin. Man erfährt Neues über das damalige Geschehen, ohne das alles verraten wird. Ein Mordanschlag auf den Untergrund-König Oskar Drake ist eng verbunden mit dem Schicksal von Kane. Die gemeinsame Vergangenheit der beiden unterschiedlichen Personen holt sie beide nun ein. Paul Grist betreibt mit seinen düsteren Geschichten Charakterstudien. Trotz des reinen Schwarzweiss Tones und der kantigen Zeichnungen bleibt in diesen Geschichten genug Raum für die Grautöne des Lebens. Es ist das Aufbegehren gegen die Widrigkeiten des Lebens, in dem die Hauptdarsteller mehr verbindet als nur der Kontrast Gut/Böse. Da werden auch schon mal die Rollen miteinander vertauscht. Die gemeinsame Vergangenheit, das gemeinsame Leben in der Gosse verbindet verbindet mehr, als man selber wahrhaben möchte. Ein grossartiger Comickrimi.

MEIKEL F

Kane-Geschichten - Carlsen - 29.90 DM für 130 Seiten in s/w